Entscheidungsstichwort (Thema)

Ergänzende Tarifvertragsauslegung

 

Leitsatz (amtlich)

Der Haustarifvertrag vom 17.12.1982 ist ergänzend dahin auszulegen, daß die Angestellten, deren Arbeitsverhältnisse im Beitrittsgebiet begründet worden sind und die dort tätig sind, nur einen Anspruch auf Vergütung nach BAT-O haben.

 

Normenkette

BAT; BAT-O

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Urteil vom 19.09.1996; Aktenzeichen 54 Ca 28159/96)

 

Tenor

I. Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 19. September 1996 – 54 Ca 28159/96 – wird auf ihre Kosten zu je einem Drittel zurückgewiesen.

II. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob der Beklagte berechtigt ist, das an die Kläger zu zahlende Entgelt nach Maßgabe des BAT-O abzusenken.

Die Kläger waren bei dem Beklagten auf der Grundlage im Jahre 1991 geschlossener schriftlicher Arbeitsverträge als Ausbilder im Ausbildungshotel … das im Bundesland Brandenburg gelegen ist, beschäftigt. Die Kläger haben ihren Wohnsitz im Beitrittsgebiet –Ostteil Berlin. In den schriftlichen Arbeitsverträgen war unter anderem vereinbart, daß die Vergütung sich nach der Maßgabe des jeweils geltenden BAT-Ost richte.

Seit dem 13. Dezember 1982 fand ein zwischen dem Beklagten und der Gewerkschaft ÖTV geschlossener Tarifvertrag (für die Beschäftigten im Annedore-Leber-Berufsbildungswerk Berlin) Anwendung. Der persönliche Geltungsbereich dieses Tarifvertrages umfaßt entsprechend dessen § 1 die arbeiter- bzw. angestellten rentenversicherungspflichten Arbeitnehmer der Beklagten. In § 2 dieses Tarifvertrages heißt es:

„Geltung des BAT

Es gelten der Bundes-Angestelltentarifvertrag vom 23. Februar 1961 sowie die diesen BAT ergänzenden Tarifverträge, die zwischen dem Arbeitgeber Bund und der Gewerkschaft ÖTV abgeschlossen wurden in der jeweils geltenden Fassung. Die in den Tarifvertragsverhandlungen zwischen dem Bund und der Gewerkschaft ÖTV über die Vergütungshöhe erzielten Vereinbarungen finden automatisch auch beim … Anwendung, so daß es besonderer Vereinbarungen nicht mehr bedarf.”

Ausgenommen von der Anwendbarkeit des BAT war die Eingruppierung, die nach einer eigenen tariflichen Vergütungsordnung erfolgte.

Nachdem die Kläger, die seit Mai 1993 Mitglieder der Gewerkschaft ÖTV sind, im Jahre 1993 von dem Beklagten vergeblich eine Vergütung nach dem BAT zu 100 % geltend gemacht hatten, begehren sie mit ihrer am 10. Juli 1996 bei dem Arbeitsgericht Berlin eingegangenen Klage die Feststellung, daß der Beklagte verpflichtet sei, sie seit dem 1. Januar 1994 zu 100 % nach Maßgabe der Anlage 1 zum Tarifvertrag für die Beschäftigten im … vom 17. Dezember 1982 zu vergüten.

Die Kläger haben die Auffassung vertreten, daß eine wirksame Rechtsgrundlage für die von der Beklagten praktizierte Absenkung des Gehalts auf das Niveau des BAT-O nicht vorhanden sei. Kraft Tarifbindung der Parteien richte sich das Arbeitsverhältnis ausschließlich nach dem einschlägigen Tarifvertrag, der eine solche Absenkung nicht vorsehe. Auf die im Arbeitsvertrag getroffene Vergütungsabrede könne sich der Beklagte nicht berufen.

Die Kläger haben beantragt,

festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, die Kläger seit dem 1. Januar 1994 zu 100 % nach Maßgabe der Anlage 1 zum Tarifvertrag für die Beschäftigten im … vom 17. Dezember 1982 zu vergüten.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat die Auffassung vertreten, daß die Höhe der zu zahlenden Vergütung sich nach dem BAT-O richte. Über die Bestimmungen des Haustarifvertrages finde gemäß § 1 Abs. 1 a BAT-O für die Mitarbeiter (des Bundes) Anwendung, die in einer der Rentenversicherung der Angestellten unterliegenden Beschäftigung tätig sind und deren Arbeitsverhältnis in dem in Artikel 3 des Einigungsvertrags genannten Gebiet begründet sei, das heiße, dort seinen Mittelpunkt erhalten habe.

Von einer weiteren Darstellung des Sach- und Streitstandes erster Instanz wird unter Bezugnahme auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (Bl. 31–33 d.A.) sowie auf die erstinstanzlich gewechselten Schriftsätze nebst den jeweiligen Anlagen gemäß § 543 Abs. 2 ZPO abgesehen.

Durch ein Urteil vom 19. September 1996 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt: Aus dem Haustarifvertrag ergebe sich für die Kläger kein Anspruch auf Bezahlung zu 100 % nach Maßgabe der Anlage 1 zu diesem Tarifvertrag. Es sei schon fraglich, ob die in Z. beschäftigten Arbeitnehmer überhaupt vom Geltungsbereich des Haustarifvertrages erfaßt seien, da der räumliche Geltungsbereich des BAT sich nicht auf das Beitrittsgebiet erstrecke. Dies könne jedoch dahinstehen, da jedenfalls eine ergänzende Vertragsauslegung des Haustarifvertrages zur Anwendung des BAT-O führen würde. Offensichtlich hätten die Parteien des Tarifvertrages bei Tarifvertragsabschluß die Arbeitnehmer des Beklagten mit den Arbeitnehmern im öffentlichen Dienst gleichstellen, also gleich behandeln wollen. Für das Beitrittsgebiet sei bezüglich des öffentlichen Dienstes der BAT...

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