Entscheidungsstichwort (Thema)
Tarifkonkurrenz und -pluralität in den neuen/alten Bundesländern
Leitsatz (amtlich)
1. Gegenstand einer Feststellungsklage nach § 256 Abs. 1 ZPO kann auch die Frage sein, ob ein bestimmter Tarifvertrag auf ein konkretes Arbeitsverhältnis Anwendung findet.
2. Kraft normativer Regelung gilt für Angestellte der Deutschen Bundespost, deren Arbeitsverhältnisse in der früheren DDR begründet worden sind, der Tarifvertrag Nr. 401 a zur Anpassung des Tarifrechts für Angestellte bei der Deutschen Bundespost im Beitrittsgebiet an den TVAng-O.
Normenkette
ZPO § 256 Abs. 1; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 9 Abs. 3; BPersVG § 67 Abs. 1 S. 1; TVG § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 3
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Urteil vom 30.09.1991; Aktenzeichen 22 Ca 11 810/91) |
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 30. September 1991 – 22 Ca 11810/91 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
II. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die 1937 geborene Klägerin, die Mitglied der Deutschen Postgewerkschaft ist, steht seit dem 1. Januar 1955 in den Diensten der Deutschen Post. Sie war im ehemaligen Hauptpostscheckamt Berlin (Ost) tätig, das gemäß Verfügung der Generaldirektion Postbank vom 26. März 1991 aufgelöst und in das Postgiroamt Berlin integriert worden ist.
Am 27. November 1990 schloß die Beklagte mit der Deutschen Postgewerkschaft den Tarifvertrag Nr. 401 a zur Anpassung des Tarifrechts für Angestellte bei der Deutschen Bundespost im Beitrittsgebiet an den TVAng (TVAng-O), der mit Wirkung vom 1. Januar 1991 in Kraft getreten ist. § 1 des fraglichen Tarifvertrages legt seinen Geltungsbereich wie folgt fest: Dieser Tarifvertrag gilt für Arbeitnehmer, die eine angestelltenversicherungspflichtige Tätigkeit bei der Deutschen Bundespost ausüben und deren Arbeitsverhältnisse in dem in Art. 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet begründet sind, auch wenn für sie eine Versicherungspflicht nicht besteht (Angestellte).
Mit der beim Arbeitsgericht Berlin am 16. August 1991 eingegangenen Klage hat sich die Klägerin auf den Standpunkt gestellt, daß sie nunmehr wie die übrigen Beschäftigten des Postgiroamtes zu behandeln sei und daß auf ihr Arbeitsverhältnis der Tarifvertrag für die Angestellten der Deutschen Bundespost (TVAng) vom 21. März 1961 Anwendung finde.
Die Klägerin hat beantragt,
- festzustellen, daß auf ihr Beschäftigungsverhältnis der Tarifvertrag Angestellte bei der DBP (Tarifgebiet West) Anwendung findet,
- die Beklagte zu verurteilen, mit ihr nach Maßgabe des TVAng einen Arbeitsvertrag zum 1. April 1991 abzuschließen, in dem sie rück wirkend ab diesem Zeitpunkt in die ihrer Tätigkeit entsprechende Vergütungsgruppe des TVAng-West eingruppiert ist.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Auffassung vertreten, daß auf das Arbeitsverhältnis der Klägerin unabhängig von ihrem Einsatzort der Tarifvertrag Ang-O Anwendung finde. Insoweit komme es lediglich darauf an, wo das Arbeitsverhältnis begründet worden sei nicht hingegen, wo es erfüllt werde.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien in der ersten Instanz wird auf den Inhalt der zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen, §§ 313 Abs. 2, 543 Abs. 2 Satz 2 ZPO.
Durch am 30. September 1991 verkündetes Urteil hat die Kammer 22 des Arbeitsgerichts Berlin die Klage abgewiesen und den Wert des Streitgegenstandes auf 6.000,– DM festgesetzt. Wegen der Begründung im einzelnen wird auf den Inhalt des erstinstanzlichen Urteils verwiesen.
Gegen das ihren Prozeßbevollmächtigten am 4. Dezember 1991 zugestellte Urteil richtet sich die beim Landesarbeitsgericht Berlin am 27. Dezember 1991 eingegangene Berufung der Klägerin, die sie mit weiterem beim Rechtsmittelgericht am 27. Januar 1992 eingegangenen Schriftsatz begründet hat.
Sie meint, grundsätzlich stehe es den Tarifvertragsparteien frei, den Geltungsbereich der von ihnen abgeschlossenen Tarifverträge zu bestimmen. Da jedoch die Tarifvertragsparteien den Wortlaut des § 1 TVAng-West unverändert gelassen hätten, müsse davon ausgegangen werden, daß darunter auch solche Arbeitnehmer fielen, die früher im Gebiet der ehemaligen DDR gearbeitet hätten. Die Nichtanwendung des Tarifvertrages Ang-West würde auch zu ihrer Schlechterstellung wegen ihrer Herkunft aus dem Beitrittsgebiet führen, was gegen § 67 Abs. 1 Satz 1 BPersVG verstoße. Sie, die Klägerin, erfülle wie die aderen Arbeitnehmer der Beklagten im Westteil von Berlin in gleicher Weise ihre Aufgaben. Ihre frühere Tätigkeit im Ostteil der Stadt wirke sich nicht negativ auf die gegenwärtige Arbeit aus. Ein sachlicher Grund für eine Differenzierung im Rahmen des allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatzes sei nicht erkennbar. Im übrigen müsse das Prinzip der Tarifeinheit berücksichtigt werden.
Die Klägerin und Berufungsklägerin beantragt,
unter teilweiser Abänderung des angefochtenen Urteils festzustellen, daß auf ihr Arbeitsverhältnis s...