Entscheidungsstichwort (Thema)
Tarifkonkurrenz und -pluralität im öffentlichen Dienst im Lande Berlin
Leitsatz (amtlich)
Für Angestellte des Landes Berlin, die im Polizeidienst im Ostteil der Stadt beschäftigt werden, dort wohnen und deren Arbeitsverhältnis auch dort begründet worden ist, gilt hinsichtlich der Vergütungsregelung der BAT-O.
Normenkette
ZPO § 256 Abs. 1; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 9 Abs. 3; BAT-O § 1 Abs. 1; BAT-West; BGB § 613a
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Urteil vom 13.05.1993; Aktenzeichen 73 Ca 31.586/92) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 13. Mai 1993 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Berlin – 73 Ca 31.586/92 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Tatbestand
Der 1934 geborene Kläger war aufgrund eines mit dem damaligen Ministerium des Innern abgeschlossenen schriftlichen Dienstvertrages seit dem 30. Juni 1955 in dem Polizeidienst der DDR. Zuletzt war er auf der Grundlage der Ergänzung zum Dienstvertrag vom 21. Juli 1980 im Range eines Hauptmannes bei der Volkspolizeiinspektion Berlin … tätig, und zwar aufgrund einer Verpflichtung bis 1990.
Seit Januar 1990 war der Kläger Mitglied der Gewerkschaft der Volkspolizei, deren Bezirksverband Berlin sich zum 1. Juli 1990 mit dem Landesverband Berlin der Gewerkschaft der Polizei (GdP) zusammengeschlossen hatte. Der Kläger war seit Januar 1990 für Gewerkschaftsarbeit und später als Personalratsmitglied freigestellt.
In einem Fernschreiben vom 1. Oktober 1990, gerichtet unter anderem an die jeweiligen Dienststellenleiter der Volkspolizeiinspektionen, teilte die Senatsverwaltung für Inneres mit, daß mit dem 1. Oktober 1990 die Zuständigkeit in Polizeiangelegenheiten für den Ostteil der Stadt auf den der Senatsverwaltung für Inneres unterstehenden Polizeipräsidenten Berlin übergegangen sei. Alle Dienstkräfte der Dienststellen mit landespolizeilichen Aufgaben seien ab diesem Tag dem Polizeipräsidenten bzw. anderen in Berlin (West) zuständigen Behörden unterstellt. Die Funktion des Präsidiums der Volkspolizei entfalle mit dem Wechsel des Unterstellungsverhältnisses. Von diesem Fernschreiben sollten alle Dienstkräfte unverzüglich Kenntnis erhalten.
In der Folgezeit setzte das beklagte Land nach dem „Durchmischungsprinzip” einige Dienstkräfte aus dem Westteil im Ostteil der Stadt und umgekehrt ein. Der Kläger arbeitet nach der Beendigung seiner Freistellung seit dem 1. Januar 1991 als Angestellter im Sachgebiet Einsatz im Bezirk …, der der neugebildeten Direktion … zugeordnet ist. Der Beklagte wendet auf das Arbeitsverhältnis des Klägers den Tarifvertrag zur Anpassung des Tarifrechts – Manteltarifliche Vorschriften – (BAT-O) vom 10. Dezember 1990 in der Fassung des Änderungstarifvertrages Nr. 2 vom 12. November 1991 sowie die hierzu abgeschlossenen Vergütungs- und sonstigen Tarifverträge seit deren Inkrafttreten an. Die monatliche Gehaltsdifferenz zwischen dem BAT-O und dem BAT (West) beträgt für den Kläger etwa 1.000,– DM.
Mit der beim Arbeitsgericht Berlin am 23. November 1992 eingegangenen und dem Beklagten am 3. Dezember 1992 zugestellten Klage hat der Kläger die Feststellung begehrt, daß der Beklagte seit dem 1. November 1990 zur Anwendung der Bestimmungen des BAT (West) verpflichtet sei. Er hat sich auf den Standpunkt gestellt, daß sein Arbeitsverhältnis bereits am 1. Oktober 1990 auf den Beklagten übergegangen sei, und zwar im Wege eines Betriebsüberganges. Der Einigungsvertrag könne auf sein Arbeitsverhältnis keine Anwendung finden, so hat der Kläger ausgeführt, weil er zum Zeitpunkt seines Inkrafttretens bereits Angehöriger einer Westberliner Behörde gewesen sei. Damit unterfalle er von diesem Zeitpunkt an dem BAT (West). Durch das Inkrafttreten des BAT-O habe sich hieran nichts geändert. Nach dem Prinzip der Tarifeinheit könnten innerhalb einer Dienststelle nicht unterschiedliche Tarifverträge zur Anwendung kommen. Im übrigen dürfe der einmal erworbene Besitzstand ihm nicht wieder entzogen werden. Die Anwendung des BAT-O verstoße jedenfalls gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Artikel 3 GG, weil es aufgrund des Durchmischungsprinzips dem Zufall überlassen sei, wo die Arbeitsleistung erbracht werde. Eine solche Differenzierung sei aber willkürlich und deshalb rechtsunwirksam.
Der Kläger hat beantragt
festzustellen, daß der Beklagte verpflichtet ist, auf sein Arbeitsverhältnis seit dem 1. Oktober 1990 die Bestimmungen des Bundesangestelltentarifvertrages (BAT) vom 23. Februar 1961 unter Einbeziehung der späteren Änderungen und Ergänzungen anzuwenden.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Vor der Geltung der Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschlands im Beitrittsgebiet habe das Arbeitsverhältnis des Klägers unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt unter den Anwendungsbereich des BAT (West) fallen können. Dem Fernschreiben vom 1. Oktober 1990 komme insoweit keine entscheidungserhebliche Bedeutung zu. Zum einen habe sich das Fernschreiben nicht auf Angelegenheiten auf dem Gebiet des Personalrechts bezogen. Zum anderen sei eine derartige...