Entscheidungsstichwort (Thema)

Abmahnung

 

Leitsatz (amtlich)

Ein Arbeitnehmer kann wegen einer bewusst falschen Beschwerde beim Personalrat über das Vorgehen seines Vorgesetzten abgemahnt werden.

 

Normenkette

BGB analog § 1004 Abs. 1 S. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Urteil vom 16.09.2003; Aktenzeichen 86 Ca 14804/03)

 

Tenor

1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 16. September 2003 – 86 Ca 14804/03 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger ist Angestellter im Polizeidienst. Auf sein Arbeitsverhältnis findet der BAT-O kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme Anwendung.

Mit Schreiben vom 1. April 2003 (Abl. Bl. 5 f d.A.) erteilte der Beklagte dem Kläger eine Abmahnung, weil dieser in einer an den Personalrat seiner Dienststelle gerichteten „Eidesstattlichen Erklärung” vom 18. Juni 2002 (Abl. Bl. 7 d.A.) Vorwürfe gegen seine Vorgesetzte im Zusammenhang mit der Einreichung eines Verbesserungsvorschlags erhoben hatte.

Das Arbeitsgericht Berlin hat den Beklagten verurteilt, diese Abmahnung aus der Personalakte des Klägers zu entfernen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, es sei bereits zweifelhaft, ob der Beklagte ein Recht zur Abmahnung nicht bereits verwirkt habe und ob die Abmahnung nicht gegen das Transparenzgebot verstoße. Jedenfalls habe der Kläger mit seiner Eidesstattlichen Erklärung nicht gegen seine Loyalitätspflicht verstoßen. Vielmehr habe er lediglich sein Recht, sich über seinen Arbeitgeber zu beschweren, legitim ausgeübt. Dafür sei nicht Voraussetzung, dass sich jeder Beschwerdegegenstand nachträglich als objektiv zutreffend herausstelle. § 84 Abs. 3 BetrVG, wonach dem Arbeitnehmer wegen der Erhebung einer Beschwerde keine Nachteile entstehen dürften, enthalte einen auch im Personalvertretungsrecht zu beachtenden allgemeinen Rechtsgedanken. Ob davon eine Ausnahme zu machen sei, wenn der Arbeitnehmer völlig haltlose, schwere Anschuldigungen erhebe, könne dahinstehen, weil der Kläger sich einer sachlichen Sprache bedient und mit seiner Darstellung, seine Vorgesetzte habe gegen seinen Willen einen Brief an den Personalrat geöffnet, keine besondere Schmähung verbunden gewesen sei.

Gegen dieses ihm am 28. Oktober 2003 zugestellte Urteil richtet sich die am 7. November 2003 eingelegte und am 26. November 2003 begründete Berufung des Beklagten. Er verweist auf ein Schreiben vom 26. August 2002 (Abl. Bl. 65-67 d.A.), mit dem der Kläger über die Einleitung eines Abmahnverfahrens unterrichtet worden sei. Da der Kläger sich ausdrücklich mit dem Vorgehen seiner Vorgesetzten einverstanden erklärt habe, laufe seine verkürzte und damit wahrheitswidrige Darstellung in der Eidesstattlichen Erklärung auf den Vorwurf einer Verletzung des Briefgeheimnisses hinaus. Dementsprechend habe der an dem Verbesserungsvorschlag beteiligt gewesene Kollege des Klägers den Personalrat ausdrücklich darum gebeten, ggf. strafrechtliche Schritte gegen die Vorgesetzte einzuleiten.

Der Beklagte beantragt,

die Klage unter Änderung des angefochtenen Urteils abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil gegen die Angriffe des Beklagten.

Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils und die in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Die Kammer hat die Zeugin Sch. uneidlich vernommen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 27. Februar 2004 (Bl. 91 f d.A.) verwiesen.

 

Entscheidungsgründe

1. Die Berufung ist unbegründet.

Der Kläger kann entsprechend § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB vom Beklagten verlangen, die Abmahnung vom 1. April 2003 aus seiner Personalakte zu entfernen.

1.1 Dass seit Abgabe der Eidesstattlichen Erklärung des Klägers ein Zeitraum von 9 ½ Monaten vergangen war, hatte nicht gemäß § 242 BGB zur Verwirkung eines Rechts des Beklagten zur Abmahnung geführt. Es fehlte jedenfalls am sog. Umstandsmoment, weil der Beklagte den Kläger bereits mit Schreiben vom 26. August 2002 über die Einleitung eines Abmahnverfahrens unterrichtet hatte, an das sich eine umfangreiche Korrespondenz mit der späteren Prozessbevollmächtigten des Klägers angeschlossen hatte.

1.2 Der Abmahnung mangelte es auch nicht an der gebotenen Bestimmtheit. Es war daraus ohne weiteres zu entnehmen, von welchen Tatsachen der Beklagte ausging, welche rechtlichen Folgerungen er daraus zog und welche Verhaltenserwartungen er daran knüpfte.

1.3 Die Abmahnung vom 1. April 2003 ist dem Kläger zu Unrecht erteilt worden.

1.3.1 Mit dem Arbeitsgericht war davon auszugehen, dass nicht jede objektiv unzutreffende Beschwerde eines Arbeitnehmers beim Personalrat eine Pflichtverletzung darstellt, die zum Gegenstand einer Abmahnung gemacht werden könnte. Anders verhält es sich, wenn der Arbeitnehmer das Beschwerderecht missbräuchlich ausübt. Dies ist entgegen dem Arbeitsgericht nicht erst der Fall, wenn völlig haltlose, schwere Anschuldigungen ...

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