Entscheidungsstichwort (Thema)
Umdeutung einer unwirksamen fristlosen in eine fristgerechte Kündigung und Sittenwidrigkeit des Rechtsgeschäftes
Leitsatz (amtlich)
Auch eine sittenwidrige und deshalb nichtige außerordentliche fristlose Kündigung kann in eine fristgerechte umgedeutet werden. Ob die so umgedeutete Kündigung ihrerseits sittenwidrig ist, ist eine andere Frage.
Normenkette
BGB §§ 138, 140
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Urteil vom 10.06.1988; Aktenzeichen 54 Ca 113/88) |
Tenor
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 10. Juni 1988 – 54 Ca 113/88 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
II. Für die Rechtsmittelinstanz wird der wert des Streitgegenstandes auf 3.379,– DM festgesetzt.
Tatbestand
Die 1963 geborene Klägerin trat mit Wirkung vom 1. Januar 1988 als Arzthelferin in die Dienste des Beklagten. Bei einer tatsächlichen wöchentlichen Arbeitszeit von 25 Stunden erhielt sie ein monatliches Gehalt in Höhe von 1.150,– DM brutto. Im schriftlichen Arbeitsvertrag vom 28. Dezember 1987, der von beiden Parteien unterzeichnet worden ist, heißt es unter anderem:
„§ 1 …
2. Der Arbeitsvertrag wird auf unbestimmte Zeit abgeschlossen.
3. Die ersten drei Monate der Tätigkeit gelten als Probezeit.
§ 11
1. Das Arbeitsverhältnis kann mit einer Frist von sechs Wochen zum Schluß eines Kalendervierteljahres gekündigt werden, sofern sich nicht aus anderen Vorschriften eine längere Frist ergibt.
2. Innerhalb der Probezeit ist die Kündigung am 15. zum Monatsschluß zulässig.
…
§ 14
…
2. Im übrigen finden die Bestimmungen der von der Arbeitsgemeinschaft zur Regelung der Arbeitsbedingungen der Arzthelferinnen mit den Gewerkschaften abgeschlossenen Tarifverträge für Arzthelferinnen in der jeweils gültigen Fassung Anwendung.
…”
Mit Schreiben vom 14. März 1988, das die Klägerin am selben Tage erhielt, kündigte der Beklagte den Arbeitsvertrag der Klägerin. Im Kündigungsschreiben heißt es unter anderem:
„Sehr geehrte Frau
Sie haben mir ein Arbeitszeugnis vorgelegt, an den nachträglich wesentliche Änderungen zu Ihren Vorteil vorgenommen wurden. Dadurch ist einer vertrauensvollen Zusammenarbeit in meiner Praxis die Grundlage entzogen. Ich kündige hiermit den mit Ihnen geschlossenen Arbeitsvertrag mit sofortiger Wirkung. Selbstverständlich behalte ich mir juristische Schritte wegen Urkundenfälschung vor.”
Mit weiteren Schreiben von 15. März 1988, der Klägerin zugegangen am 16. März 1988, kündigte der Beklagte den Arbeitsvertrag der Klägerin vorsorglich zum 31. März 1988.
Mit der beim Arbeitsgericht Berlin am 19. März 1988 eingegangenen und dem Beklagten am 26. März 1988 zugestellten Klage hat sich die Klägerin gegen die vom Beklagten ausgesprochenen Kündigungen gewandt. Sie hat die Auffassung vertreten, daß die außerordentliche fristlose Kündigung des Beklagten vom 14. März 1988 rechtsunwirksam sei, da die auf dem Zeugnis erkennbare Textkorrektur von Herrn Dr. … stamme und keine Fälschung sei. Auch eine Umdeutung in eine fristgerechte Kündigung komme aus rechtlichen Gründen nicht in Betracht, da diese objektiv sittenwidrig und damit nicht in sei.
Die vorsorglich ausgesprochene Kündigung zum 31. März 1988 könne, so hat die Klägerin ausgeführt, Rechtswirkungen erst zum 30. Juni 1988 entfalten. Innerhalb der vereinbarten Probezeit hätte eine fristgerechte Kündigung spätestens am 15. März 1988 zum Monatsende erfolgen müssen.
Schließlich hat die Klägerin für die Monate April bis Juni 1988 Gehaltsansprüche in Höhe von insgesamt 3.450,– DM brutto geltend gemacht und behauptet, den Beklagten vergeblich ihre Arbeitskraft angeboten zu haben.
Die Klägerin hat beantragt,
- festzustellen, daß ihr Arbeitsverhältnis bis zum 30. Juni 1988 fortbesteht;
- den Beklagten zu verurteilen, an sie 3.450,– DM brutto zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Arbeitsverhältnis sei, so hat der Beklagte ausgeführt, auf jeden Fall durch seine Kündigung vom 14. März 1988 zum 31. März 1988 beendet worden, da seine möglicherweise nicht stichhaltige außerordentliche fristlose Kündigung in eine fristgemäße zum nächstzulässigen Zeitpunkt umzudeuten sei. Aus seiner Kündigung vom 14. März und der vorsorglich an 15. März 1988 ausgesprochenen fristgerechten Kündigung zum 31. März 1988 ergebe sich sein eindeutiger Wille, das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin nicht über das Ende der Probezeit hinaus fortsetzen zu wollen.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien im einzelnen in der ersten Instanz wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen, §§ 313 Abs. 2, 543 Abs. 2 Satz 2 ZPO.
Durch am 10. Juni 1988 verkündetes Urteil hat die Kammer 54 des Arbeitsgerichts Berlin die Feststellung getroffen, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien bis zum 31. März 1988 fortbestanden hat, im übrigen die Klage abgewiesen und den Wert des Streitgegenstandes auf 3.850,– DM festgesetzt. Wegen der Einzelheiten wird auf die Gründe der genannten Entscheidung verwiesen.
Gegen das ihren Prozeßbevollmächtigten am 8...