Verfahrensgang

ArbG Berlin (Urteil vom 30.11.1988; Aktenzeichen 52 Ca 361/88)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das am 30. November 1988 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Berlin – 52 Ca 361/88 – abgeändert:

Es wird festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch eine Kündigung der Klägerin vom 22. März 1988 aufgelöst worden ist.

II. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob die Klägerin am 22. März 1988 ihr Arbeitsverhältnis gegenüber der Beklagten selbst mit sofortiger Wirkung gekündigt hat.

Die Klägerin ist seit dem 1. März 1988 im Betrieb der Beklagten als Sekretärin mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 25 Stunden mit einem Monatsverdienst von 1.250,– DM brutto beschäftigt. Die Bedingungen des Arbeitsverhältnisses ergeben sich aus einem schriftlich fixierten Arbeitsvertragsentwurf (Bl. 6–8 d. A.), der eine dreimonatige Probezeit mit täglicher Kündigungsfrist vorsieht.

Am 22. März 1988 kam es zehn Minuten vor dem Dienstschluß der Klägerin zu einem Gespräch zwischen dem für Personalangelegenheiten zuständigen Mitarbeiter der Beklagten, Herrn J., und der Klägerin. Dieser teilte ihr mit, daß die Beklagte nicht mit ihren Arbeitsleistungen zufrieden sei und das Arbeitsverhältnis wohl nicht über die Probezeit hinaus andauern würde. Der weitere Verlauf des Gesprächs ist zwischen den Parteien streitig. Nach dem Gespräch verließ die Klägerin das Büro der Beklagten und dann auch den Betrieb. Etwa eine halbe Stunde später rief sie dort an und teilte Herrn J. mit, daß sie schwanger sei. Sie erschien nicht mehr zur Arbeit und erhielt am 24. März 1988 ein Schreiben der Beklagten vom Vortage, für dessen Inhalt im einzelnen auf die bei den Akten befindliche Fotokopie Bezug genommen wird (Bl. 9 und 10 d. A.).

Das Arbeitsgericht hat Beweis erhoben über die Behauptung der Beklagten, die Klägerin habe bei dem Gespräch am 22. März 1988 gesagt, sie werde hier sowieso nur ausgenutzt und ausgebeutet und wenn sie sowieso nicht übernommen werde, dann kündige sie sofort und komme morgen nicht mehr, durch uneidliche Vernehmung des Zeugen J. Für die Einzelheiten seiner Bekundungen wird auf die Verhandlungsniederschrift vom 30. November 1988 (Bl. 28–30 d. A.) Bezug genommen.

Von der weiteren Darstellung des Sach- und Streitstandes in der ersten Instanz wird unter Bezugnahme auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (Bl. 32 und 33 d. A.) abgesehen, § 543 Abs. 1 ZPO.

Das Arbeitsgericht Berlin hat durch das am 30. November 1988 verkündete Urteil die Klage abgewiesen mit der Begründung, daß der Zeuge J. bestätigt habe, daß die Klägerin am 22. März 1988 ihr Arbeitsverhältnis selbst gekündigt habe.

Gegen dieses der Klägerin am 4. Januar 1989 zugestellte Urteil richtet sich ihre mit gleichzeitiger Begründung am 3. Februar 1989 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangene Berufung.

Die Klägerin bestreitet weiterhin, ihr Arbeitsverhältnis selbst mit den Worten: „Ich kündige sofort” gelöst zu haben. Sie bezweifelt die Glaubwürdigkeit des Zeugen J. und weist auf den Brief vom 23. März 1988 hin, der zu seinen Bekundungen in Widerspruch stehe.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis nicht durch eine Kündigung der Klägerin vom 22. März 1988 aufgelöst worden ist.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte hält das Ergebnis der Beweisaufnahme für eindeutig. Die Klägerin habe selbst gekündigt, nur ihr späteres Verhalten mit der Mitteilung der Schwangerschaft sei dann für sie, die Beklagte, nicht ganz so eindeutig gewesen. Im übrigen sei der Zeuge J. mit der Eigenkündigung der Klägerin konkludent einverstanden gewesen, was er spätestens im Schreiben vom 23. März 1988 auch deutlich gemacht habe (Beweis: Zeugnis des H.-P. J.).

Für das weitere Vorbringen der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf den vorgetragenen Inhalt der unter ihnen gewechselten Schriftsätze vom 2. Februar, 9. und 14. März 1989 Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

I. Die nach § 64 Abs. 2 ArbGG statthafte Berufung der Klägerin ist gemäß § 66 Abs. 1 ArbGG in Verbindung mit §§ 518, 519 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

II. Die Berufung ist begründet. Das Arbeitsverhältnis der Klägerin ist nicht durch eine Eigenkündigung am 22. März 1988 rechtswirksam beendet worden.

Nach den Bekundungen des Zeugen J. hat die Klägerin am 22. März 1988 eine außerordentliche Kündigung mit den Worten ausgesprochen, daß sie lieber gleich kündige und morgen nicht mehr wiederkomme. Die Rechtswirksamkeit dieser außerordentlichen Kündigung bestimmt sich nach § 626 BGB. Diese Vorschrift gilt sowohl für die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber als auch für die Kündigung durch den Arbeitnehmer (K. R. Hillebrecht, 3. Auflage, § 626 BGB Randziffer 1).

Die außerordentliche Kündigung der Klägerin konnte das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht rechtswirksam beenden, da keine Tatsa...

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