Entscheidungsstichwort (Thema)
Rückforderung. Fortbildungskosten. Bindungsdauer. geltungserhaltende Reduktion
Leitsatz (amtlich)
Bei mehreren zulässigen Vereinbarungsvarianten kann eine geltungserhaltende Reduktion nur dann vorgenommen werden, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, welche der Varianten die Parteien im Falle der Kenntnis der Unwirksamkeit der gewählten Regelung tatsächlich gewählt hätten
Normenkette
BGB § 611
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Urteil vom 17.01.2001; Aktenzeichen 51 Ca 27899/00) |
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 17. Januar 2001 – 51 Ca 27899/00 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
II. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte berechtigt war, gegenüber dem Anspruch des Klägers auf Vergütung für den Monat August 2000 mit einem von ihr behaupteten Anspruch auf Rückzahlung von Lehrgangskosten aufzurechnen.
Der am 15. März 1959 geborene Kläger, der verheiratet und zwei Kindern gegenüber unterhaltspflichtig ist, war in der Zeit vom 1. April 1998 bis 31. August 2000 bei der Beklagten, die ein Unternehmen betreibt, das Energieanlagen montiert und wartet, zu einer monatlichen Bruttovergütung von zuletzt 3.792,– DM tätig. Bei der Einstellung verfügte der Kläger über, die Berechtigung zur Durchführung von Wartungsarbeiten der Stufen W1 bis W4 an Dieselmotoren (Notstromaggregaten) der Firma MTU.
Etwa im Dezember 1999 teilte der Geschäftsführer der Beklagten dem Kläger und seinem Arbeitskollegen Gottschalk mit, dass er erwäge, sie zum Lehrgang W5 zu MTU zu entsenden, dass der Beklagten durch die Teilnahme an dem Lehrgang jedoch erhebliche Kosten entstehen würden und er im Falle der Teilnahme daher eine Rückzahlungsvereinbarung abschließen müsse. Der Geschäftsführer händigte beiden Arbeitnehmern sodann den Entwurf einer Rückzahlungsvereinbarung aus, die folgenden Inhalt hatte:
„Vereinbarung
Schulung W5 am Motor BR 396
Falls Mitarbeiter, die an der o.g. Schulung teilnehmen, innerhalb von 3 Jahren und aus eigenen Gründen unser Unternehmen verlassen, sind die gesamten Lehrgangskosten zurück zu erstatten.
Diese Vereinbarung wird hinsichtlich von Wettbewerbsaspekten geschlossen.”
(Kopie Bl. 24 d.A.).
Der Kläger reichte die von ihm unterschriebene Vereinbarung am 19. Januar 2000 an die Beklagte zurück.
Der Kläger nahm sodann in der Zeit vom 24. Januar bis 4. Februar 2000 an einem Lehrgang über den Motortyp 6 V 396 TC 33 bei der MTU Motoren- und Turbinen-Union Friedrichshafen GmbH teil. Die Beklagte zahlte hierfür Lehrgangskosten in Höhe von anteilig 4.302,82 DM, Hotelkosten in Höhe von 636,20 DM. Reisekosten in Höhe von 572,– DM und Vergütung für die Tage der Abwesenheit in Höhe von 1.931,40 DM. also insgesamt 7.442,42 DM.
Mit Schreiben vom 25. Juli 2000 erklärte der Kläger die fristgemäße Kündigung des mit der Beklagten bestehenden Arbeitsverhältnisses zum 31. August 2000. Danach nahm er eine Tätigkeit bei der Firma HO-MA, einer Konkurrentin der Beklagten, auf.
Für August erteilte die Beklagte dem Kläger eine Abrechnung über 6.414,41 DM brutto bzw. 3.469,72 DM netto. Zahlungen hierauf leistete die Beklagte jedoch nicht, sondern erklärte in voller Höhe die Aufrechnung mit dem ihrer Meinung nach bestehenden Rückzahlungsanspruch. Den hierüber hinausgehenden Rückzahlungsbetrag hat sie in einem gesonderten Klageverfahren gegenüber dem Kläger geltend gemacht (siehe LAG Berlin 7 Sa 687/01 Urteil vom 26.7.2001; Revision zugelassen).
Mit seiner bei Gericht am 9. Oktober 2000 eingegangenen und der Beklagten am 17. Oktober 2000 zugestellten Klage begehrt der Kläger Zahlung seiner abgerechneten Vergütung für August 2000.
Er hat die Auffassung vertreten, der Beklagten stehe ein Gegenanspruch nicht zu, mit dem sie aufrechnen könne. Die abgeschlossene Vereinbarung sei unwirksam, denn sie binde ihn gemessen an dem Nutzen, den die Fortbildung ihm gebracht habe, unangemessen lange.
Der Kläger hat beantragt.
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 3.469,72 DM netto nebst 4 % Zinsen seit dem 4. September 2000 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Auffassung vertreten, der Vergütungsanspruch des Klägers sei durch Aufrechnung erloschen. Die zwischen ihr und dem Kläger geschlossene Rückzahlungsvereinbarung sei wirksam.
Sie hat behauptet, aufgrund der Fortbildung in dem Lehrgang für die Wartungsstufe W5 habe sich der Marktwert des Klägers in erheblichem Umfang erhöht. Denn Kunden würden Arbeiten am Motor BR 396 überhaupt erst zulassen, wenn der Mitarbeiter der Wartungsfirma die Berechtigung der Wartungsstufe 5 besitze. Ohne eine solche Berechtigung dürfe der Kläger nicht an dem Motor arbeiten. Die Firma HO-MA, die den Kläger abgeworben habe, mache sich heute genau diese Spezialkenntnisse des Klägers im Umgang mit dem Motor BR 396 nach der Schulung W5 zunutze und könne mit diesen Kenntnissen in ein völlig neues, ihr bis dahin verschlossenes Marktsegment einste...