Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsstillegung. Darlegungslast
Leitsatz (amtlich)
Aus einer tatsächlich vollzogenen Betriebsstillegung kann nicht zwingend auf einen entsprechenden Entschluß bereits bei Kündigungszugang geschlossen werden (gegen LAG Berlin, Urt. vom 15.04.1996 – 17 Sa 143/95 –).
Normenkette
KSchG § 1 Abs. 2 S. 1 Alt. 3
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Urteil vom 07.04.1999; Aktenzeichen 88 Ca 21327/98) |
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 7. April 1999 – 88 Ca 21327/98 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
II. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der am 13. Januar 1942 geborene Kläger stand seit dem 4. Mai 1992 als Tiefbaupolier in den Diensten der Beklagten. Er gehörte dem Wahlvorstand für die im April 1998 durchgeführte Betriebsratswahl an.
Mit Schreiben vom 25. Juni 1998 (Abl. Bl. 3 d.A.) kündigte die Beklagte dem Kläger wegen Betriebsstillegung zum 31. Dezember 1998.
Die hiergegen erhobene Klage hat das Arbeitsgericht Berlin abgewiesen. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, mit Rücksicht darauf, daß die Beklagte ihren Betrieb tatsächlich zum ursprünglich behaupteten Zeitpunkt stillgelegt habe und dies denknotwendigerweise eine entsprechende Entscheidung zur Grundlage haben müsse, bedürfe es keiner Klärung mehr, ob ein dahingehender Beschluß im Vorfeld wirklich gefaßt worden sei. Das weitere Bestreiten der Stillegung durch den Kläger genüge nach dem 31. Dezember 1998 nicht mehr; vielmehr sei es nunmehr an ihm, dem Vortrag der Beklagten objektive Umstände entgegenzusetzen, die deren Darstellung zuwiderliefen. Dazu habe sein Vortrag zu einzelnen noch nicht abgeschlossenen Baustellen indessen nicht genügt.
Auch unter dem Gesichtspunkt der Sozialauswahl ergebe sich nichts gegen die soziale Rechtfertigung der Kündigung, weil die Ausführungen des Klägers zu einem einheitlichen Betrieb mit einem Schwesterunternehmen der Beklagten angesichts des Fehlens jeglicher zeitlicher oder sonstiger situativer Konkretisierung so blaß blieben, daß sie keine Grundlage für entsprechende Tatsachenfeststellungen bieten könnten.
Schließlich lasse die von der Beklagten mit Schreiben vom 16. Juni 1998 (Abl. Bl. 18 f d.A.) dokumentierte Anhörung des Betriebsrats rechtliche Fehler nicht erkennen.
Gegen dieses ihm am 26. April 1999 zugestellte Urteil richtet sich die am 25. Mai 1999 eingelegte und am 24. Juni 1999 begründete Berufung des Klägers. Er ist der Ansieht, daß ihm aufgrund seines besonderen Kündigungsschutzes erst mit der Gruppe der letzten Arbeitnehmer habe gekündigt werden dürfen. Maßgeblicher Beendigungszeitpunkt müsse derjenige sein, zu dem die Belegschaft in einer Weise aufgelöst sei, daß keine Arbeitnehmer mehr vorhanden seien. Das Arbeitsgericht differenziere bei der Darlegungslast hinsichtlich einer Betriebsstillegung zu Unrecht danach, zu welchem Zeitpunkt die gerichtliche Entscheidung ergehe. Im übrigen habe die Beklagte lediglich von einer Aufgabe des operativen Geschäfts gesprochen. Dem Arbeitsgericht könne auch nicht darin gefolgt werden, durch die tatsächliche Entwicklung werde gleichsam bestätigt, daß eine Betriebsstillegung auch unternehmerisch entschieden worden sei. In der Betriebsratsanhörung finde sich keine Angabe darüber, inwieweit der Personalabbau auch tatsächlich mit dem 31. Dezember 1998 habe abgeschlossen sein sollen bzw. welche Arbeitsverhältnisse zu diesem Zeitpunkt noch bestünden.
Der Kläger beantragt,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 25. Juni 1998 zum 31. Dezember 1998 nicht aufgelöst worden sei, sondern fortbestehe.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil und tritt den Angriffen des Klägers mit Rechtsausführungen entgegen.
Entscheidungsgründe
1. Die Berufung ist unbegründet.
Das Arbeitsverhältnis des Klägers ist durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 25. Juni 1998 fristgemäß zum 31. Dezember 1998 aufgelöst worden.
1.1 Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers war gemäß § 1 Abs. 2 Satz 1 Alt. 3 KSchG durch dringende betriebliche Gründe bedingt, die einer Weiterbeschäftigung des Klägers entgegenstanden.
1.1.1 Die Stillegung des gesamten Betriebs stellt einen betriebsbedingten Kündigungsgrund dar. Sie setzt einen ernstlichen und endgültigen Entschluß des Arbeitgebers voraus, die Betriebs- und Produktionsgemeinschaft mit den Arbeitnehmern für einen seiner Dauer nach unbestimmten, wirtschaftlich nicht unerheblichen Zeitraum aufzuheben. Dabei braucht der Arbeitgeber mit dem Ausspruch der Kündigung nicht bis zum Vollzug seiner Stillegungsabsicht zu warten. Es genügt vielmehr, daß seine Entscheidung bei Zugang der Kündigung bereits greifbare Formen angenommen und eine vernünftige betriebswirtschaftliche Betrachtung die Prognose rechtfertigt, daß der Arbeitnehmer bis zum Ablauf der Kündigungsfrist entbehrt werden kann (BAG, Urt. vom 19.06.1991 – 2 AZR 127/91 – AP § 1 ...