Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialauswahl und nachwirkender Kündigungsschutz eines ehemaligen Betriebsratsmitglieds
Leitsatz (amtlich)
Zur Einbeziehung eines ehemaligen Betriebsratsmitglieds mit nachwirkendem Kündigungsschutz nach § 15 Abs. 1 Satz 2 KSchG in die Sozialauswahl
Normenkette
KSchG § 1 Abs. 3, § 15 Abs. 1 S. 2
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Urteil vom 02.10.2003; Aktenzeichen 4 Ca 10253/03) |
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 2. Oktober 2003 – 4 Ca 10253/03 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
II. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten vor allem über die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung.
Die am … 1962 geborene Klägerin, die verheiratet ist und für zwei Kinder zu sorgen hat, war unter Berücksichtigung ihrer Ausbildungszeit seit dem 1. September 1980 bei der Beklagten bzw. ihren Rechtsvorgängern zuletzt als Schauwerbegestalterin mit einer monatlichen Arbeitszeit von 108 Stunden und einem Bruttomonatsverdienst von 1.355,34 EUR tätig. Die Klägerin wurde zuletzt in dem Warenhaus der Beklagten in Berlin-Ch., W.Straße 53-54a eingesetzt. Die Beklagte beschäftigt dort regelmäßig mehr als fünf Arbeitnehmer ausschließlich der zu ihrer Berufsbildung beschäftigten.
Die Beklagte ließ die Dekorationsarbeiten in dem Kaufhaus W. Straße neben der Klägerin von den vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmern K. und A. verrichten. Herr K., geboren am … 1956, ist seit dem 21. April 1981 für die Beklagte tätig und hat nach ihren Angaben für ein Kind zu sorgen. Herr A., geboren am … 1948, wird seit dem 1. Januar 1994 beschäftigt und hat keine unterhaltsberechtigten Kinder; er war bis längstens 31. Mai 2002 Mitglied des Betriebsrats.
Die Beklagte setzt für Dekorationsarbeiten in ihren Warenhäusern seit dem 1. März 2003 zentral gebildete „Visual-Merchandising-Teams” ein, um auf diese Weise die Schaufenster einheitlich zu gestalten. Sie schloss in diesem Zusammenhang mit dem Betriebsrat des Warenhauses W. Straße am 4. März 2003 für den Bereich Merchandising eine Vereinbarung, in der es u.a. heißt:
„… Durch den Einsatz des Zentralen Visual-Merchandising-Teams für die Gestaltung der Schaufenster entfällt ein Großteil der bisherigen Aufgaben. Es verbleibt lediglich das Anziehen der Figuren und Torsen im Verkauf, sowie der Aufbau von 2-3 Großaktionen im Displaybereich pro Jahr, sowie die Erstellung von Preisbeschilderungen. Mit den Dekorationstätigkeiten durch die Zentrale, ist ein Wegfall von 1/3 des Arbeitsanfalles verbunden, damit entfällt 1 von 3 Arbeitsplätzen.
Die Gesamtbetriebsvereinbarung „Rahmen-Sozialplan” vom November 2001 wird zum Ausgleich und zur Milderung der den Mitarbeitern entstehenden Nachteile mit den Änderungen in der Ergänzungsvereinbarung angewandt.”
Die Beklagte hörte den Betriebsrat mit Schreiben vom 7. März 2003 zu der beabsichtigten Kündigung des Arbeitsverhältnisses der Klägerin an, nachdem sie auf der Grundlage der „Gesamtbetriebsvereinbarung/Rahmensozialplan” von November 2001 (Kopie Bl. 65 ff. d.A.) eine Sozialauswahl zwischen den drei genannten Schauwerbegestaltern durchgeführt hatte. Der Betriebsrat widersprach der Kündigung mit Schreiben vom 13. März 2003 (Kopie Bl. 81 d.A.).
Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 26. März 2003, das die Klägerin am 28. März 2003 erhielt, zum 31. Oktober 2003.
Mit ihrer am 14. April 2003 beim Arbeitsgericht eingegangenen und der Beklagten am 24. April 2003 zugestellten Klage hat sich die Klägerin gegen die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses gewandt und im Wege des unechten Hilfsantrages die Verurteilung der Beklagten zur vorläufigen Weiterbeschäftigung begehrt. Sie hat in Abrede gestellt, dass dringende betriebliche Erfordernisse ihrer Weiterbeschäftigung entgegenstünden. Auch hätte die Beklagte an ihrer Stelle jedenfalls das Arbeitsverhältnis des Herrn A. kündigen müssen. Die Klägerin hat ferner bestritten, dass die Beklagte den Betriebsrat im Rahmen des Anhörungsverfahrens ausreichend von den Umständen der Sozialauswahl unterrichtet habe. Die Beklagte hat demgegenüber die streitbefangene Kündigung für sozial gerechtfertigt gehalten. Infolge des Einsatzes eines zentralen Merchandising-Teams auch in dem Warenhaus W. Straße sei dort der Beschäftigungsbedarf für einen Schauwerbegestalter weggefallen. Die Sozialauswahl sei zu Lasten der Klägerin ausgefallen, weil das Arbeitsverhältnis des Herrn A. wegen des nachwirkenden Kündigungsschutzes für ehemalige Mitglieder des Betriebsrates nicht habe ordentlich gekündigt werden können. Der Betriebsrat sei vollständig von den Umständen der Sozialauswahl unterrichtet worden.
Das Arbeitsgericht hat durch ein am 2. Oktober 2003 verkündetes Urteil festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 26. März 2003 nicht aufgelöst worden ist; es hat die Beklagte ferner verurteilt, die Klägerin bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits zu unveränderte...