Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebsbedingte Kündigung wegen Betriebsstillegung. Verkauf eines Betriebes im Gesamtvollstreckungsverfahren

 

Leitsatz (amtlich)

Voraussetzung für die Anwendung von Art. 232 § 5 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB (Juris: BGBEG) ist, daß der Betriebsübergang im Gesamtvollstreckungsverfahren, das heißt nach dessen Eröffnung gemäß § 5 GesO erfolgt ist. Dabei kommt es weder auf den Zeitpunkt des Verpflichtungs- noch des Verfügungsgeschäfts an, sondern allein auf den Zeitpunkt des Übergangs der Leitungsmacht.

 

Normenkette

KSchG § 15 Abs. 4; EGBGB Art. 232 § 5 Abs. 2 Nr. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Urteil vom 22.01.1996; Aktenzeichen 16 Ca 17354/95)

 

Tenor

1. Unter Zurückweisung der Berufung der Klägerin wird dasUrteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 22. Januar 1996 – 16 Ca 17354/95 – teilweise abgeändert:

Die gegen den Beklagten zu 1) gerichtete Kündigungsschutzklage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin und der Beklagte zu 1. streiten über die Wirksamkeit einer von dem Beklagten zu 1. und der Geschäftsführerin der Gemeinschuldnerin unterzeichneten Kündigung vom 29. März 1995, die der Klägerin am 31. März 1995 zuging. Mit den Beklagten zu 3. und 4. streitet die Klägerin darüber, ob ihr Arbeitsverhältnis bei der Gemeinschuldnerin auf die Beklagten zu 3. und 4. gemäß § 613a BGB übergegangen ist bzw. ob ein Arbeitsverhältnis zwischen ihnen zustandegekommen ist und ob die Beklagten zu 3. und 4. verpflichtet sind, einen Arbeitsvertrag mit ihr abzuschließen.

Nachdem die Gemeinschuldnerin am 17. März 1995 einen Antrag auf Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens gestellt und der Beklagte zu 1. zunächst durch einen Beschluß des Amtsgerichts Charlottenburg vom 21. März 1995 als Sequester bestellt worden war, eröffnete das Amtsgericht Charlottenburg durch einen Beschluß vom 31. März 1995 um 18.00 Uhr das Gesamtvollstreckungsverfahren über das Vermögen der Gemeinschuldnerin wegen Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung. Gleichzeitig setzte es den Beklagten zu 1. als Gesamtvollstreckungsverwalter ein.

Die 1945 geborene verheiratete Klägerin war seit dem 1. September 1962 bei der Gemeinschuldnerin bzw. deren Rechtsvorgängerin gegen ein monatliches Entgelt in Höhe von zuletzt ca. 3.000,– DM brutto beschäftigt; die Klägerin ist Mitglied des im Betrieb der Gemeinschuldnerin gebildeten Betriebsrates.

In einer Betriebsversammlung am 17. März 1995 wurde die Belegschaft der Gemeinschuldnerin über den Antrag auf Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens informiert. In einer weiteren Betriebsversammlung am 22. März 1995 wurde die Belegschaft in Anwesenheit des Beklagten zu 1. davon unterrichtet, daß über die Möglichkeit einer Fortführung des Betriebes in einer Auffanggesellschaft nachgedacht werde, sich aber eine Lösung bisher nicht abzeichne; jedenfalls sei eine Fortführung mit dem aktuellen Personalbestand nicht möglich, so daß Entlassungen anstünden. Am 24. März 1994 wurde dem Betriebsrat mitgeteilt, daß ein mögliches Übernahme- und Fortführungskonzept bisher konkrete Formen nicht angenommen habe und daß der Beklagte zu 1. und die Geschäftsführerin der Gemeinschuldnerin beschlossen hätten, den Betrieb zum 31. März 1995 stillzulegen. An dieser Besprechung nahmen auf Seiten des Betriebsrates der Vorsitzende und drei weitere Mitglieder teil. Dem Betriebsrat wurde eine vollständige Personalliste übergeben, in der die persönlichen Daten der Arbeitnehmer und der beabsichtigte Entlassungstermin angeführt waren. In einer weiteren Betriebsversammlung am 29. März 1995 wurde die Belegschaft darüber informiert, daß alle Arbeitnehmer spätestens am 31. März 1995 ihre Kündigung – verbunden mit einer Freistellung – erhalten würden. Am Rande der Versammlung sprach die Geschäftsführerin der Gemeinschuldnerin einzelne Arbeitnehmer mit der Bitte an, sich für eine Weiterbeschäftigung bereitzuhalten.

Mit einem Schreiben vom 30. März 1995, das dem Beklagten zu 1. am selben Tag übergeben wurde, widersprach der Betriebsrat der Kündigung der Klägerin mit der Begründung, das Gesamtvollstreckungsverfahren sei lediglich beantragt worden. Mit einem weiteren Schreiben vom 31. März 1995 teilte der Betriebsrat dem Beklagte zu 1. u.a. mit, daß er den Kündigungen der fünf Betriebsratsmitglieder und zweier Ersatzmitglieder deshalb widersprochen habe, weil bis zum 31. März 1995 keine Betriebsstillegung erfolgt sei und die Absicht hierzu keinen ausreichenden Grund darstelle. Dieses Schreiben vom 31. März 1995 (Bl. 295 d.A.) ging dem Beklagten zu 1. am Morgen desselben Tages um 8.02 Uhr per Telefax zu. Am Mittag des 31. März 1995 erhielt die Klägerin das Kündigungsschreiben vom 29. März 1995 unter gleichzeitiger Freistellung von der Arbeitsleistung.

„Die Übergabe der verkauften Gegenstände ist zum 1. April 1995 erfolgt. Die Mietverträge über die Geschäftsräume in der Straße 13 Nr. 16, 12681 Berlin, werden vom Verkäufer gekündigt. Es ist Sache des Käufers, mit dem Ver...

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