Entscheidungsstichwort (Thema)
Status eines in einer Anwaltskanzlei tätigen Dolmetschers
Leitsatz (amtlich)
Zur Frage, ob ein in einer Anwaltskanzlei einmal wöchentlich vier Stunden tätiger Dolmetscher Arbeitnehmer oder freier Mitarbeiter ist.
Normenkette
BGB § 611; KSchG § 1 Abs. 1, § 23 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Urteil vom 02.12.1987; Aktenzeichen 5 Ca 188/87) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 2. Dezember 1987 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Berlin – 5 Ca 188/87 – wie folgt abgeändert:
- Die Klage wird abgewiesen.
- Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.
Tatbestand
Der 1956 geborene Kläger, der seit 1978 als Student an der Freien Universität Berlin immatrikuliert ist, stand seit 1. Februar 1985 als Dolmetscher für die türkische Sprache gegen ein von ihm selbst zu versteuerndes Entgelt in Höhe von 25,– DM pro Stunde in den Diensten der Beklagten. Der Kläger erbrachte seine Dolmetschertätigkeit in den Kanzleiräumen der Beklagten regelmäßig dienstags in der Zeit von 15.00 bis 19.00 Uhr. Neben dem Kläger war ein weiterer Dolmetscher für die türkische Sprache für die Beklagten jeweils am Donnerstag tätig. Die Dolmetscherdienste waren nur am Dienstag und am Donnerstag erforderlich, da Besprechungstermine mit türkischen Mandanten nur für diese Tage festgesetzt werden.
Zu den Aufgaben des Klägers gehörte es, die Angaben der Mandanten den Beklagten in die deutsche und umgekehrt Fragen der Beklagten gegenüber ihren Mandanten in die türkische Sprache zu übersetzen. Am Dienstag in der Zeit von 15.00 bis 16.00 Uhr waren in der Regel türkische Mandanten nicht zu Besprechungsterminen bei den Beklagten angemeldet. Die Zeit stand zur Verfügung, um etwaige Antragen von türkischen Mandanten zu Schriftsätzen der Beklagten selbst aber auch der Gegenseite bei sprachlichen Unklarheiten zu übersetzen. Der Kläger dolmetschte auch, wenn türkische Mandanten in der Kanzlei erschienen und Dokumente oder sonstige Unterlagen abgeben wollten. Diese Dolmetschertätigkeit erfolgte dann auch gegenüber den Rechtsanwalts- und Notariatsgehilfinnen, die bei den Beklagten beschäftigt sind.
Im Juli 1987 entschlossen sich die Beklagten, die Dolmetschertätigkeit in ihrem Büro neu zu organisieren. In Zukunft soll der bei ihnen seit etwa zehn Jahren beschäftigte Dolmetscher … bei Unfallsachen die Eingangsbearbeitung direkt mit den türkischen Mandanten ohne Hinzuziehung einer der Beklagten erledigen. Dies soll anhand eines Fragebogens für Unfallsachen erfolgen.
Mit Schreiben vom 7. Juli 1987 kündigten die Beklagten das Vertragsverhältnis des Klägers fristgerecht zum 31. August 1987.
Mit der beim Arbeitsgericht Berlin am 28. Juli 1987 eingegangenen und den Beklagten am 6. August 1987 zugestellten Klage hat sich der Kläger gegen die von den Beklagten ausgesprochene Kündigung gewandt. Er hat sich auf den Standpunkt gestellt, daß er im Rahmen arbeitsvertraglicher Beziehungen bei den Beklagten tätig gewesen sei, so daß das Kündigungsschutzgesetz Anwendung finde. Er hat behauptet, sowohl örtlich als auch zeitlich weisungsgebunden gewesen zu sein, auch wenn ihm die Beklagten in fachlicher Hinsicht keine Einzelweisungen erteilt hätten. Im Verhältnis zu den Beklagten sei er jedoch insoweit weisungsgebunden gewesen, als ihm diese für die Durchführung und das Verhalten bei der Arbeit Weisungen erteilt hätten, zumal er fest in die Anwaltskanzlei integriert gewesen sei.
Die von den Beklagten ausgesprochene Kündigung, so hat der Kläger weiter ausgeführt, sei sozial ungerechtfertigt. Eine Umstrukturierung der Dolmetschertätigkeit mache den Verzicht auf seine Arbeitsleistung nicht erforderlich. Er sei ebenso wie der andere Dolmetscher in der Lage, bei Unfallsachen die Eingangsbearbeitung zu übernehmen und Fragen des Unfallgeschehens direkt mit den türkischen Mandanten ohne Hinzuziehung einer der Beklagten zu erledigen.
Darüber hinaus hat der Kläger die soziale Auswahl gerügt und gemeint, der Dolmetscher … sei weniger sozial schutzbedürftig als er, da das Schwergewicht seiner beruflichen Tätigkeit nicht bei den Beklagten, sondern bei dem Verein … liege. Die Einkünfte, die dieser Dolmetscher bei den Beklagten bislang erzielt habe, seien demgegenüber als Nebeneinkünfte anzusehen. Die Ehefrau des Herrn … sei nicht arbeitslos, sondern beziehe Einkünfte aus einer Mitarbeit in einem Frauenprojekt in Wedding.
Unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges hat der Kläger für den Monat September 1987 einen Gehaltsanspruch in Höhe von 500,– DM geltend gemacht und behauptet, am 2. September 1987 vergeblich den Beklagten seine Arbeitskraft angeboten zu haben.
Der Kläger hat beantragt,
- festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 7. Juli 1987 nicht aufgelöst worden ist, sondern weiterhin fortbesteht,
- die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 500,– DM brutto zu zahlen.
Sie haben die Auffassung vertreten, daß der Kläger lediglich als freier Mitarbeiter bei ihnen tätig gewesen sei. Weisung...