Verfahrensgang

ArbG Berlin (Urteil vom 15.12.1994; Aktenzeichen 91 Ca 24572/94)

 

Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 15. Dezember 1994 – 91 Ca 24572/94 – geändert:

  1. Es wird festgestellt, daß das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis weder durch die mit Schreiben vom 8. August 1994 erklärte fristlose Kündigung noch durch die in diesem Schreiben hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung aufgelöst worden ist.
  2. Das beklagte Land wird verurteilt, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluß des vorliegenden Kündigungsrechtsstreits als Lehrer weiterzubeschäftigen.
  3. Das beklagte Land trägt die Kosten des Rechtsstreits.

II. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger wehrt sich gegen eine von beklagten Land fristlos und hilfsweise fristgemäß ausgesprochene Kündigung und fordert seine weitere Beschäftigung als Lehrer. Das beklagte Land hat die Kündigung auf den Vorwurf gestützt, der Kläger sei für das Ministerium für Staatssicherheit der ehemaligen DDR (im folgenden: MfS) tätig gewesen und habe dies bei der Ausfüllung des ihm vorgelegten Fragebogens verschwiegen. Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger wissentlich für das MfS tätig gewesen ist. Diesem Streit liegt der folgende Sachverhalt zugrunde:

Der am … geborene Kläger, der sich bereits während seiner Schulzeit für die Laufbahn eines Berufsoffiziers der Nationalen Volksarmee (NVA) der ehemaligen DDR verpflichtet hatte, begann am 15. August 1979 seine Ausbildung zum Berufsoffizier an einer Offiziershochschule der NVA. Ende 1979 stellte er einen Antrag, als Offiziersanwärter entpflichtet zu werden und verpflichtete sich, einen dreijährigen Wehrdienst für die Laufbahn des Unteroffiziers zu absolvieren, den er schließlich bis zum 15. Februar 1983 ableistete.

Während dieser Zeit seines Wehrdienstes hatte der Kläger Kontakte zu Personen, die hauptamtlich oder als inoffizielle Mitarbeiter für das MfS tätig waren und erteilte ihnen Informationen der unterschiedlichsten Art. In der Zeit vom 9. April 1980 bis 13. April 1981 wurde der Kläger in den Unterlagen des MfS als gesellschaftlicher Mitarbeiter für Sicherheit (GMS) und in der Zeit vom 13. April 1981 bis 18. Februar 1983 als inoffizieller Mitarbeiter für Sicherheit (IMS) geführt. Im Rahmen der Kontakte zu Vertretern des MfS unterzeichnete der Kläger am S. April 1980 eine maschinenschriftliche Erklärung mit der Überschrift „Berufung”. Außerdem schrieb und unterschrieb der Kläger unter dem 13. April 1981 eine Verpflichtungserklärung gegenüber dem MfS. Beide Erklärungen befinden sich bei den Unterlagen des MfS.

Nachdem der Kläger in der Zeit vom 1. September 1983 bis 31. Juli 1987 sein Studium absolviert hatte, war er seit dem 1. August 1987 bei dem Rechtsvorgänger des beklagten Landes als Berufsschullehrer beschäftigt. Nachdem sein Arbeitsverhältnis durch den Einigungsvertrag auf das beklagte Land übergeleitet worden war, vereinbarten die Parteien die Geltung des BAT-O, und der Kläger setzte seine Tätigkeit als Berufsschullehrer im Bezirke … fort. Sein Gehalt betrug zuletzt ca. 4.000,– DM brutto.

In einem vom Kläger am 7. Februar 1991 unterzeichneten Personalfragebogen verneinte er die formularmäßige Frage, ob er eine Verpflichtungserklärung zur Zusammenarbeit mit dem MfS unterschrieben, für das MfS tätig geworden sei oder finanzielle Zuwendungen von diesem erhalten habe.

Der Kläger war in der Folgezeit Mitglied des zuständigen Personalrats, aus dem er im September 1993 ausschied.

Unter dem 13. Juni 1994 erteilte der Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR (im folgenden: BStU) den Bezirksamt … eine Auskunft über den Kläger, auf deren Inhalt im einzelnen Bezug genommen wird (vgl. Bl. 20 bis 34 sowie 115 – 127 d.A.).

Daraufhin führte der zuständige Bezirksstadtrat mit dem Kläger am 21. Juni 1994 ein Gespräch, in dem der Kläger erklärte, er sei immer der Meinung gewesen, für die Abwehr der MVA und nicht für das MfS gearbeitet zu haben.

Mit einem Schreibon vom 27. Juni 1994 (vgl. Bl. 37 d.A.) bat der zuständige Bezirksstadtrat den Personalrat um die Zustimmung zur beabsichtigten außerordentlichen Kündigung des Klägers und fügte diesem Schreiben den Entwurf des Kündigungsschreibens bei. Unter dem 4. Juli 1994 verweigerte der Personalrat die Zustimmung zur Kündigung. Nachdem die daraufhin eingeleiteten Verhandlungen mit dem Hauptpersonalrat nicht zu einer Einigung geführt hatten und das beklagte Land dem Hauptpersonalrat sein Festhalten an der Kündigungsabsicht mitgeteilt hatte, teilte der Hauptpersonalrat dem beklagten Land am 27. Juli 1994 mit, er werde die Einigungsstelle für Personalvertretungssachen nicht anrufen.

Daraufhin kündigte das beklagte Land das Arbeitsverhältnis des Klägers mit einem dem Kläger am 15. August 1994 zugegangenen Schreiben vom 8. August 1994 fristlos und sprach vorsorglich auch die ordentliche Kündigung aus.

Gegen diese Kündigung hat sich der Kläger mit seiner am 19. August 1994 beim Arbeitsge...

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