Entscheidungsstichwort (Thema)

Außerordentliche Kündigung wegen Tätigkeit für das MfS sowie der falschen Beantwortung der darauf gerichteten Frage 7

 

Leitsatz (amtlich)

Die falsche Beantwortung der Frage nach einer Tätigkeit für das MfS kann bei der im Rahmen von Nr. 1 Abs. 5 Zif. 2 anzustellenden Interessenabwägung nicht zu Lasten des Arbeitnehmers herangezogen werden; sie kann lediglich einen eigenständigen Grund für eine auf § 626 Abs. 1 BGB gestützte außerordentliche oder eine person- bzw. verhaltensbedingte Kündigung im Sinne von § 1 Abs. 2 KSchG abgeben.

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Urteil vom 18.01.1995; Aktenzeichen 93 Ca 20349/94)

 

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 18. Januar 1995 – 93 Ca 20349/94 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

II. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten, über die Wirksamkeit einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung, die von der Beklagten auf den Vorwurf gestützt wird, der Kläger sei für das Ministerium für Staatssicherheit der ehemaligen DDR (im folgenden: MfS) tätig gewesen und habe dies bei der Ausfüllung von zwei Fragebogen jeweils verschwiegen. Diesem Streit liegt der folgende Sachverhalt zugrunde:

Der 1941 geborene Kläger, der seit 1958 ununterbrochen bei der Deutschen Post im Fernmeldedienst beschäftigt war und 1988 an der Ingenieurschule der Deutschen Post der ehemaligen DDR die Abschlußprüfung als Ingenieur für Fernsprech- und Fernmeldetechnik abgelegt hat, war von Mai 1969 bis Ende 1976 als inoffizieller Mitarbeiter (im folgenden: IM) des MfS auf der Basis einer Verpflichtungserklärung vom 16. Mai 1968 tätig. Wegen der Einzelheiten seiner Tätigkeit und der von ihm schriftlich bzw. mündlich gelieferten Berichte wird auf den Inhalt der vom Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR Bezug genommen (vgl. Bl. 13–31 d. A.).

Nach der Überleitung des Arbeitsverhältnisses des Klägers auf die Beklagte mit dem 3. Oktober 1990 war der Kläger seit dem 29. November 1991 bei der Beklagten als Produktberater der Produktgruppe Rundfunk gegen ein monatliches Gehalt von zuletzt 7.011,39 DM brutto beschäftigt.

In einem vom Kläger am 19. April 1991 unterzeichneten Personalfragebogen verneinte er die formularmäßige Frage, ob er jemals Mitarbeiter des MfS gewesen sei. In einem vom Kläger am 10. Oktober 1992 unterzeichneten vorformulierten Antrag auf Anerkennung von Vordienstzeiten strich er das für die Eintragung von Art. und Dauer jeglicher Tätigkeiten für das NfS vorgesehene Feld.

Am 20. Januar 1994 erhielt die Beklagte die den Kläger betreffende Auskunft des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR (im folgenden: BStU), auf die im einzelnen Bezug genommen wird.

In einer von der Beklagten am 10. März 1994 durchgeführten Anhörung räumte der Kläger, der seinerzeit Mitglied des Personalrats war, die in dem Bericht des BStU zusammenfassend dargestellte Tätigkeit für das MfS ein. Daraufhin leitete die Anhörungskommission der Beklagten das Protokoll über die Anhörung zusammen mit einer Empfehlung an die Generaldirektion des Beklagten weiter. Dies entsprach einer durchgängigen Übung bei der Beklagten, mit der die Einhaltung einheitlicher Entscheidungskriterien für die Kündigungen, die auf eine Tätigkeit für das MfS gestützt werden, gewährleistet werden sollte.

Im Mai 1994 trat der Kläger als Personalratsmitglied zurück.

Mit Schreiben vom 2. Mai 1994, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird (vgl. Bl. 45 f d.A.), gewährte der Präsident der Direktion Telekom Berlin dem Kläger als Anerkennung für seine ständig erbrachten besonderen Leistungen eine Leistungszulage in Höhe von 235,– DM monatlich.

Mit einem Schreiben vom 8. Juni 1994 empfahl die Generaldirektion der Beklagten dem Leiter der Direktion Telekom Berlin die Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger durch Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung. Mit einem Schreiben vom 29. Juni 1994 stimmte der Personalrat der von der Beklagten beabsichtigten außerordentlichen Kündigung zu. Daraufhin kündigte die Beklagte mit einem dem Kläger am 30. Juni 1994 zugegangenen Schreiben das Arbeitsverhältnis unter Hinweis auf seine Tätigkeit für das MfS fristlos und vorsorglich mit Ablauf des 30. September 1994 im Wege der ordentlichen Kündigung.

Gegen diese Kündigungen hat sich der Kläger mit seiner am 7. Juli 1994 beim Arbeitsgericht Berlin eingegangenen Klage zur Wehr gesetzt.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Beklagte habe die ihn entlastenden Tatsachen im Bericht des BStU überhaupt nicht gewürdigt; darüber hinaus sei die Kündigung verspätet ausgesprochen worden.

Der Kläger hat bezüglich seiner Tätigkeit für das MfS folgende Behauptungen aufgestellt:

  1. Er habe die Tätigkeit für das MfS nur deshalb aufgenommen, weil er befürchtet habe, ansonsten sein Studium nicht erfolgreich abschließen zu können.
  2. Durch seine Berichte sei keinem seiner Kollegen ein Nachteil entstanden; dies kö...

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