Entscheidungsstichwort (Thema)
Nachteilsausgleich in Tendenzbetrieben
Leitsatz (amtlich)
In Tenzendbetrieben nach § 118 Abs. 1 BetrVG findet die Regelung des § 113 Abs. 3 BetrVG über die Verpflichtung zum Nachteilsausgleich keine Anwendung.
Normenkette
BetrVG § 113 Abs. 3, § 118 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Urteil vom 10.03.1997; Aktenzeichen 16 Ca 36824/96) |
Tenor
I. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 10. März 1997 – 16 Ca 36824/96 – abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Anschlußberufung der Klägerin wird zurückgewiesen.
III. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
IV. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Verpflichtung des Beklagten, an die Klägerin über einen bereits gezahlten Betrag von 14.805,69 DM hinaus eine weitere Abfindung in Höhe von 15.194,31 DM netto sowie 44.028,45 DM brutto nebst Zinsen zu zahlen und zwar mit Rücksicht auf die Beendigung des Vertragsverhältnisses wegen einer Betriebsänderung sowie in Anwendung des hierfür vereinbarten Sozialplanes.
Der Beklagte ist eine karitative Einrichtung. Er betreibt, ohne Gewinn erzielen zu wollen, Einrichtungen, mit dem Ziel, körperlich, geistig oder seelisch leidende Menschen in ihren inneren und äußeren Nöten heilend, lindernd oder vorbeugend zu helfen. Der Beklagte ist als gemeinnützig im Sinne der Abgabenordnung anerkannt. Auch nach seinem Satzungsstatut ist er nicht auf ein Gewinnstreben ausgerichtet oder daran orientiert. Im Land Berlin unterhält der Beklagte mehrere soziale Einrichtungen. Hierzu zählen in W. ein Wohn- und Pflegeheim sowie in S. ein Krankenhaus und Pflegeheim und in K. ein weiteres Pflegeheim. Bis zum 30. Juni 1996 unterhielt der Beklagte weiter in W. ein Fachkrankenhaus für Geriatrie „S. pavillon”, welches in unmittelbarer Nähe des Wohn- und Pflegeheimes lag. Hinsichtlich des S. pavillons hatte die Senatsverwaltung für Gesundheit mit bestandskräftigem Bescheid vom 28. Juni 1995 mitgeteilt, daß im Zuge der Umsetzung des Krankenhausplanes 1993 sämtliche in diesem Krankenhaus vorhandenen Betten nur noch befristet bis zum 30. Juni 1996 in den Krankenhausplan aufgenommen worden seien. Daraufhin haben die Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft der Krankenkassen mit Schreiben vom 26. Juni 1995 die Kündigung des Versorgungsvertrages für den S. pavillon ausgesprochen. Hieraus folgte, daß der Beklagte spätestens ab 1. Juli 1996 keine Fördermittel vom Land Berlin und auch keine Betriebsmittel von den Krankenkassen für den S. pavillon erhalten konnte. Deswegen beschloß der Vorstand des Beklagten am 18. Oktober 1995, den Betrieb „S. pavillon” zum 30. Juni 1996 stillzulegen. Alle Arbeitnehmer im S. pavillon wurden zum 30. Juni 1996 gekündigt.
Die Beteiligung des Betriebsrates des S. pavillons anläßlich der Betriebsschließung stellt sich wie folgt dar:
Am 1. Juni 1995 fand eine erste Betriebsversammlung statt, an welcher jedenfalls die Vorsitzende des Betriebsrates und der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende teilnahmen. Hierbei wurde über die anstehende Schließung des S. pavillons informiert. Mit Schreiben vom 23. Oktober 1995 an den Betriebsrat teilte der Beklagte unter anderem mit, daß der Vorstand beschlossen habe, den S. pavillon zum 30. Juni 1996 zu schließen, und forderte den Betriebsrat zugleich auf, Verhandlungen zum Interessenausgleich und Sozialplan unverzüglich aufzunehmen. Mit weiterem Schreiben des Beklagten vom 9. November 1995 wurde der Betriebsrat zur Aufnahme der Verhandlungen zum Interessenausgleich zum 16. November 1995 gebeten. Mit Rücksicht auf Terminschwierigkeiten lehnte der Betriebsrat dies mit Schreiben vom 14. November 1995 ab. Am 16. November 1995 leitete der Beklagte vor dem Arbeitsgericht Berlin ein Beschlußverfahren zur Besetzung einer Einigungsstelle ein. In diesem Verfahren verglichen sich die Betriebsparteien am 2. Januar 1996 dahin, daß eine Einigungsstelle mit dem Regelungsgegenstand „Interessenausgleich und Sozialplan bei Betriebsänderung” eingerichtet werde, wobei die Anzahl der Beisitzer und der Vorsitzende der Einigungsstelle ebenfalls festgelegt wurden.
Am 3. Mai 1996 vereinbarten der Beklagte und der zuständige Betriebsrat für den S. pavillon einen „Interessenausgleich/Sozialplan”. Die hier interessierenden Regelungen lauten:
„Nr. 5 des Interessenausgleichs
…
Ungeachtet dieses Sozialplans wird der A. sich bemühen, möglichst viele Mitarbeiter in andere Bereiche des A. zu übernehmen, wenn und soweit freie Arbeitsplätze vorhanden sind oder solche innerhalb der Kündigungsfristen der hiesigen Mitarbeiter frei werden.
Sozialplan
§ 1 Geltungsbereich
1. Dieser Sozialplan gilt für die AN des A., die im Zuständigkeitsbereich des BR-S. pavillon von der Schließung des „Krankenhauses S. pavillon” betroffen sind und hierdurch wirtschaftliche Nachteile erleiden.
…
§ 2 Abfindungen
1. AN, deren Arbeitsverhältnis durch betriebsbedingte Kündigung oder zur Vermeidung einer solchen durch Aufhebungsvertrag beendet wird, erhalten eine Abfindung gem...