Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebsbedingte Kündigung Unwirksamkeit einer vom Arbeitgeber allein aufgestellten Punktetabelle zur Sozialauswahl

 

Leitsatz (redaktionell)

Die Altersgruppenbildung im Rahmen einer Punktetabelle für die soziale Auswahl nach § 1 Abs. 3 KSchG verzerrt das Gesamtbild der zu berücksichtigenden sozialen Gesichtspunkte und führt zur Unwirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung.

 

Normenkette

KSchG § 1 Abs. 2-3

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Urteil vom 06.03.2003; Aktenzeichen 81 Ca 13096/02)

 

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 6. März 2003 – 81 Ca 13096/02 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

II. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer von der Beklagten mit Schreiben vom 22. April 2002 zum 31. Juli 2002 ausgesprochenen fristgemäßen Kündigung aus betriebsbedingten Gründen. Hintergrund der Kündigung ist die Entscheidung der Beklagten im Dezember 2000, die Produktion von Fensterbänken in Berlin zu schließen. Deswegen wurden von der Beklagten ursprünglich im Jahre 2001 17 Kündigungen von in der Produktion tätigen Arbeitnehmern ausgesprochen. Anfang des Jahres 2002 beschloss der Vorstand der Beklagten, weiteren zwölf gewerblichen Arbeitnehmern – so auch dem Kläger – zu kündigen. Sie führte unter den per 31. Dezember 2001 beschäftigten 60 gewerblichen Arbeitnehmern eine Sozialauswahl durch, welche folgende Kriterien berücksichtigte:

  • Lebensalter
  • Dauer der Betriebszugehörigkeit
  • Vorhandene Behinderung/Grad der Behinderung
  • Anzahl der Unterhaltsberechtigten/der unterhaltsberechtigten Kinder

Für die Sozialauswahl erstellte die Beklagte eine Punktwerttabelle, wobei sie die Arbeitnehmer in Altersgruppen nach je fünf Jahren aufteilte. Die Altersgruppen betrafen die Jahre von 31 bis 35, von 36 bis 40 und von 42 bis 44, von 47 bis 50, von 52 bis 55 und von 56 bis 60. Nach dem eigenen Vortrag der Beklagten waren alle gewerblichen Arbeitnehmer ausschließlich mit der Fertigung von Balkonprofilen beschäftigt. Alle gewerblichen Arbeitnehmer sind angelernte Kräfte. Ausgenommen sind einige Arbeitnehmer als Fachkräfte oder solche, die infolge langjähriger Weiterbildung im Betrieb besondere Fähigkeiten erworben haben.

Für den seit April 1988 beschäftigten und im Dezember 1968 geborenen verheirateten Kläger, der mit Steuerklasse III arbeitete und zwei Kindern zum Unterhalt verpflichtet ist, ermittelte die Beklagte eine Gesamtpunktzahl von 116 Punkten in der von ihr erstellten Punktewerttabelle. Herr B. war seit dem November 1990 bei der Beklagten tätig und wurde im März 1962 geboren. Er ist verheiratet, arbeitet mit Steuerklasse IV und ist einem Kind zum Unterhalt verpflichtet. Er weist in der Punktetabelle 106 Punkte auf. Herr K. ist seit dem Februar 1989 bei der Beklagten beschäftigt und im Juni 1964 geboren. Er ist nicht verheiratet und einem zur Hälfte auf seiner Steuerkarte berücksichtigten Kinde zum Unterhalt verpflichtet. In der Punktetabelle weist Herr K. 107 Punkte auf. Herr Kr. ist bei der Beklagten seit dem Oktober 1987 beschäftigt und im Dezember 1965 geboren. Er ist nicht verheiratet und einem zur Hälfte auf der Steuerkarte berücksichtigten Kinde zum Unterhalt verpflichtet. Herr Kr. weist in der Punktetabelle 108 Punkte auf. Frau Z. ist seit dem Juni 1989 bei der Beklagten beschäftigt und im März 1958 geboren. Sie ist verheiratet und arbeitet mit Steuerklasse IV und ist keinem Kinde zum Unterhalt verpflichtet. In der Punktetabelle weist sie 108 Punkte auf. Im Gegensatz zum Kläger mit 116 Punkten wurden die Arbeitnehmer B., K., Kr. und Z. nicht gekündigt.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien in erster Instanz wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (Bl. 104 bis 106 d.A.) verwiesen.

Mit Urteil vom 6. März 2003 hat das Arbeitsgericht die Kündigung des Klägers mit Schreiben der Beklagten vom 22. April 2002 für unwirksam erachtet. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass die Beklagte nicht ausreichend dargelegt habe, dass der Beschäftigungsbedarf für zwölf gewerbliche Arbeitnehmer im Jahre 2002 entfallen sei; konkrete Tatsachen betreffend die Verringerung der Produktionsmengen bzw. der sonstigen Aufgaben der gewerblichen Arbeitnehmer, aus denen geschlossen werden könnte, dass der Bedarf für zwölf gewerbliche Arbeitnehmer entfallen werde bzw. entfallen sei, seien von der Beklagten nicht substantiiert dargelegt worden. Der Vortrag der Beklagten über rückläufige Umsatzzahlen sei nicht ausreichend. Wegen der Begründung der arbeitsgerichtlichen Entscheidung im Einzelnen wird auf diese (Bl. 103 bis 111 d.A.) Bezug genommen.

Gegen das ihr am 17. April 2003 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts hat die Beklagte am 12. Mai 2003 Berufung eingelegt und diese mit einem beim Landesarbeitsgericht am 13. Juni 2003 eingegangenen Schriftsatz begründet.

Die Beklagte vertritt weiter die Auffassung, die von ihr ausgesprochene fristgemäße Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger sei rechtsw...

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