Entscheidungsstichwort (Thema)
Weiterbeschäftigungsanspruch. BR-Beschluss. Darlegungslast
Leitsatz (amtlich)
1. Im einstweiligen Verfügungsverfahren, in welchem der Arbeitnehmer seinen Weiterbeschäftigungsanspruch nach § 102 Abs. 5 BetrVG geltend macht, muss er auch vortragen, inwieweit ein ordnungsgemäß getroffener Betriebsratsbeschluss vorliegt.
2. Der Arbeitgeber muss dann substantiell – in analoger Anwendung der Grundsätze zum Bestreiten der Betriebsratsanhörung durch den Arbeitnehmer (BAG vom 16.03.2000 – 2 AZR 75/79) – und im Einzelnen bestreiten, wobei er sich (nur) bei Umständen außerhalb seiner Wahrnehmung auf Nichtwissen beziehen kann. Ein pauschales Bestreiten reicht nicht aus.
3. Der Darlegung und Glaubhaftmachung von Tatsachen, die einen Verfügungsgrund belegen sollen, bedarf es im Hinblick auf den drohenden endgültigen Rechtsverlust nicht.
Normenkette
BetrVG § 102 Abs. 5
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Urteil vom 01.07.2004; Aktenzeichen 49 Ga 15351/04) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 1. Juli 2004 – 49 Ga 15351/04 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Tatbestand
Die seit dem 01.05.1997 als Sachbearbeiterin bei der Beklagten beschäftigte Klägerin begehrt mit dem vorliegenden Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ihre Weiterbeschäftigung auf der Grundlage des § 102 Abs. 5 BetrVG im Anschluss an eine ordentliche Kündigung vom 12.05.2004 mit Wirkung zum 31.07.2004, der der am 04.05.2004 angehörte Betriebsrat am 10.05.2004 unter anderem damit widersprochen hat, dass die soziale Auswahl fehlerhaft sei, wobei er auf Arbeitnehmer verweist, die nicht in den auswahlrelevanten Personenkreis aufgenommen worden sind und umgekehrt darauf abstellt, dass die Vergleichbarkeit mit dort aufgenommenen Arbeitnehmern im Bezugspunkt der Klägerin nicht gegeben sei. Die Klägerin hat Kündigungsschutzklage erhoben, Kammertermin ist für den 11.11.2004 anberaumt.
Von einer näheren Darstellung des Parteivorbringens erster Instanz wird unter Bezugnahme auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung abgesehen, § 69 Abs. 2 ArbGG.
Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 01.07.2004 eine einstweilige Verfügung auf Weiterbeschäftigung der Klägerin als Sachbearbeiterin bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens erlassen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Verfügungsanspruch ergebe sich aus § 102 Abs. 5 BetrVG, denn der Betriebsratswiderspruch sei ordnungsgemäß, die Klägerin habe Kündigungsschutzklage erhoben und auch ihre Weiterbeschäftigung verlangt. Ein Verfügungsgrund sei, wenn er denn überhaupt notwendig sei, gegeben, da eine drohende Vereitelung des unzweifelhaft gegebenen Weiterbeschäftigungsanspruchs anzunehmen sei. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe (Bl. 20 ff d.A.) Bezug genommen.
Gegen dieses am 16.07.2004 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten, die sie mit einem beim Landesarbeitsgericht am 16.08.2004 eingegangenen Schriftsatz eingelegt und zugleich begründet hat.
Die Beklagte und Berufungsklägerin verweist in der Berufungsinstanz darauf, dass zunächst gar kein Verfügungsanspruch gegeben sei, da die Klägerin nicht hinreichend dargelegt habe, dass und inwieweit der Beschluss des Betriebsrats überhaupt ordnungsgemäß zustande gekommen sei. Ein Verfügungsgrund sei ebenfalls nicht gegeben, wobei zu berücksichtigen sei, dass auch bei einer einstweiligen Verfügung des hier begehrten Inhalts die Voraussetzungen der §§ 935, 940 ZPO gegeben sein müssten. Im Übrigen habe – wenn überhaupt – eine einstweilige Verfügung allenfalls bis zur Hauptsacheentscheidung erlassen werden dürfen.
Die Beklagte und Berufungsklägerin beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 01.07.2004 aufzuheben und den Antrag auf Erlass der begehrten einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.
Die Klägerin und Berufungsbeklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie macht sich die arbeitsgerichtlichen Ausführungen zu Eigen und ergänzt ihren Vortrag durch Vorlage der Protokolle des Betriebsrats über die Einladung zur außerordentlichen Betriebsratssitzung am 10.05.2002 und zum Verlauf der Sitzung. Einen Verfügungsgrund hält sich für nicht erforderlich, anderseits indes auf der Grundlage der arbeitsgerichtlichen Argumentation für gegeben.
Wegen der weiteren Einzelheiten des zweitinstanzlichen Parteivorbringens wird auf den Schriftsatz der Beklagten und Berufungsklägerin vom 16.08.2004 (Bl. 29 ff d.A.) und auf denjenigen der Klägerin und Berufungsbeklagten vom 06.09.2004 (Bl. 44 ff d.A.) sowie auf die Erklärungen im Termin vom 16.09.2004 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
1. Die gem. §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1 u. 2 ArbGG, 511 ZPO statthafte Berufung ist form- und fristgerecht im Sinne von §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG, 519, 520 ZPO eingelegt und begründet worden.
Die Berufung ist daher zulässig.
2. Die Berufung hatte in der Sache keinen Erfolg.
Zu Recht hat das Arbeitsgericht die begehrte einstweilige Verfügung erlassen.
2.1. Es ist...