Entscheidungsstichwort (Thema)
Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall (80 % oder 100 %)
Leitsatz (amtlich)
1. Eine eigenständige tarifvertragliche Regelung über die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall liegt vor, wenn der TV abweichend vom Gesetz nicht nur einen Einwendungsausschluß, sondern einen Zahlungsanspruch beinhaltet und über das Gesetz hinausgehende Regelungen für die Fortzahlung des Entgelts bei bestimmten Heilverfahren vorsieht.
2. Besteht ein unmittelbar zeitlicher Zusammenhang zwischen der Vereinbarung von Tarifbestimmungen für die Entgeltfortzahlung von Angestellten und Arbeitern, kann zur Vermeidung sachlich nicht gerechtfertigter Ungleichbehandlung bei der Auslegung des weniger konkret gefaßten MTV Arbeiter auf die Interpretation des MTV Ang zurückgegriffen werden.
Normenkette
EFZG §§ 3-4; MTV Berliner Holzindustrie §§ 32-33; MTV Ang holzverarbeitende und Polstermöbelindustrie Berlin §§ 24, 30
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Urteil vom 15.04.1997; Aktenzeichen 34 Ca 2548/97) |
Tenor
I. Das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 15. April 1997 – 34 Ca 2548/97 – wird teilweise abgeändert:
- Unter Aufhebung des Tenors zu Ziff. Ia wird festgestellt, daß die Ziffern 32, 33 des Manteltarifvertrages für die Berliner Holzindustrie vom 12. März 1984 (MTV) so auszulegen sind, daß die durch das Arbeitsrechtliche Gesetz zur Förderung von Wachstum und Beschäftigung (Arbeitsrechtliches Beschäftigungsförderungsgesetz vom 25. Sept. 1996, Bundesgesetzblatt 1, Nr. 48 vom 27. Sept. 1996 Seite 1476) in Artikel 3 geänderten Vorschriften des § 3 Abs. 3 und § 4 Abs. 1 des Entgeltfortzahlungsgesetzes n. F. auf tarifgebundene Arbeitsverhältnisse keine Anwendung finden.
- Unter Aufhebung des Tenors zu Ziff. II a wird festgestellt, daß die Ziffern 24, 30 des Manteltarifvertrages für die Angestellten in Betrieben der holzverarbeitenden Industrie und der Polstermöbelindustrie Berlin vom 12. März 1984 (MTV) so auszulegen sind, daß die durch das Arbeitsrechtliche Gesetz zur Förderung von Wachstum und Beschäftigung (Arbeitsrechtliches Beschäftigungsförderungsgesetz vom 25. Sept. 1996 Bundesgesetzblatt 1, Nr. 48 vom. 27. Sept. 1996, Seite 1476) in Artikel 3 geänderten bzw. neu eingefügten Vorschriften des § 3 Abs. 3 und § 4 Abs. 1 des Entgeltfortzahlungsgesetzes n. F. auf tarifgebundene Arbeitsverhältnisse keine Anwendung finden.
II. Von den Kosten des Rechtsstreits haben diejenigen der ersten Instanz die Klägerin zu 1/10, die Beklagte zu 9/10 zu tragen; diejenigen der Berufungsinstanz hat die Beklagte insgesamt zu tragen.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Auswirkungen des „arbeitsrechtlichen Beschäftigungsförderungsgesetzes” vom 25. September 1996 auf den von ihnen geschlossenen Manteltarifvertrag für die Berliner Holzindustrie vom 12. März 1984 sowie den Manteltarifvertrag für die Angestellten in Betrieben der holzverarbeitenden Industrie und der Polstermöbelindustrie Berlin vom 12. März 1984.
Vor allem sind sich die Tarifvertragsparteien darüber uneinig, ob die Ziffern 32 und 33 des Manteltarifvertrages für die Berliner Holzindustrie (künftig MTV Arbeiter genannt) bzw. die Ziffern 24 und 30 des Manteltarifvertrages für die Angestellten in Betrieben der holzverarbeitenden Industrie und der Polstermöbelindustrie Berlin (künftig MTV Angestellte genannt) eine vom Gesetz unabhängige Anspruchsgrundlage für eine 100%ige Entgeltfortzahlung im Krankheitsfalle darstellen.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, daß insbesondere den Ziffern 32 und 33 MTV Arbeiter sowie Ziffern 24 und 30 MTV Angestellte eigenständige tarifliche Bedeutung zukäme (Bl. 1 bis 10 sowie 70 bis 73 d.A.).
Sie hat beantragt
1. festzustellen,
a)
daß die Ziffern 32, 33, 78, 92 des Manteltarifvertrages für die Berliner Holzindustrie vom 12. März 1984 (MTV) so auszulegen sind, daß die durch das Arbeitsrechtliche Gesetz zur Förderung von Wachstum und Beschäftigung (Arbeitsrechtliches Beschäftigungsförderungsgesetz vom 25. September 1996, Bundesgesetzblatt l, Nr. 48 vom 27. September 1969, Seite 1476) in Artikel 3 geänderten Vorschriften des § 3 Abs. 1 und 3, § 9 und § 13 des Entgeltfortzahlungsgesetzes n. F. auf tarifgebundene Arbeitsverhältnisse keine Anwendung finden und daß Arbeitnehmer in tarifgebundenen Arbeitsverhältnissen ohne Wartezeit gemäß § 3 Abs. 3 Entgeltfortzahlungsgesetz n. F. einen tariflichen Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall in Höhe von 100 % nach Maßgabe der Ziffer 33 MTV haben;
hilfsweise,
(1) daß die Ziffern 78, 92 des Manteltarifvertrages für die Berliner Holzindustrie vom 12. März 1984 so auszulegen sind, daß die durch das Arbeitsrechtliche Gesetz zur Förderung von Wachstum und Beschäftigung (Arbeitsrechtliches Beschäftigungsförderungsgesetz vom 25. September 1996, Bundesgesetzblatt l, Nr. 48 vom 27. September 1996, Seite 1476) in Artikel 3 geänderte Vorschrift des § 4 a) Abs. 1 bis 3 des Entgeltfortzahlungsgesetzes n. F. auf tarifgebundene Arbeitsverhältnisse keine Anwendung findet und daß eine Anrechnung vo...