Entscheidungsstichwort (Thema)

Eingruppierung eines Arztes in Weiterbildung, der die Facharztanerkennung erworben hat

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Eingruppierung eines Facharztes – hier „Facharzt für Anästhesiologie” – setzt neben der Facharztanerkennung die Ausübung einer entsprechenden Tätigkeit voraus. Diese liegt regelmäßig vor, wenn der Facharzt in seinem Fachgebiet überwiegend eingesetzt wird.

2. Ein als Arzt in Weiterbildung angestellter Arzt in einem Krankenhaus, der die Facharztanerkennung erwirbt und weiterhin in seinem Fachgebiet eingesetzt wird, ist vom Zeitpunkt des Erwerbs der Facharztanerkennung als Facharzt mit der Vergütungsgruppe I b BAT zu vergüten.

 

Normenkette

BAT §§ 22-23

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Urteil vom 10.01.2002; Aktenzeichen 60 Ca 17386/00)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 05.11.2003; Aktenzeichen 4 AZR 632/02)

 

Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 10.01.2002 – 60 Ca 17386/00 – abgeändert und festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger rückwirkend ab dem 01.01.1999 bis zum 31.12.2000 Vergütung nach Vergütungsgruppe I b BAT zu zahlen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

III. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger verlangt seine Eingruppierung als Facharzt für die Zeit vom 1. Januar 1999 bis zum 31. Dezember 2000.

Er ist seit dem 1. Januar 1996 approbierter Arzt. Er wurde von der Beklagten ab 1. Dezember 1997 als wissenschaftlicher Mitarbeiter im … befristet gemäß § 57 b HRG bis zum 30. November 2002 eingestellt und war seitdem in der Klinik für Anästhesiologie und operative Intensivmedizin als Arzt tätig. Vereinbart wurden der BAT und diesen ergänzende Tarifverträge für Angestellte des öffentlichen Dienstes und eine Eingruppierung in die Vgr. II a BAT. Der Arbeitsvertrag vom 1. Dezember 1997 sah weiter vor, dass die Beschäftigung des Klägers auch der beruflichen Aus-, Fort- und Weiterbildung durch Erwerb der Facharztbezeichnung „Anästhesist” dient. Dazu hatte der Kläger anfangs eine Lehrverpflichtung von vier Stunden pro Woche, die später aber wegfiel. Am 17. Dezember 1998 erhielt er seine Anerkennung als Facharzt für Anästhesiologie. Am 31. Dezember 2000 schied er vorzeitig aus dem Arbeitsverhältnis aus.

Mit der vorliegenden Eingruppierungsfeststellungsklage begehrt der Kläger Vergütung nach der Vgr. I b BAT für die Zeit vom 1. Januar 1999 bis 31. Dezember 2000.

Dazu hat er in erster Instanz unter Beschreibung seiner Tätigkeiten vorgetragen, er übe jedenfalls seit seiner Facharztanerkennung die Tätigkeit eines Facharztes für Anästhesiologie aus. Diese Tätigkeit sei auch sein Aufgabengebiet, denn er werde mit Wissen und Wollen, zumindest mit Duldung der Beklagten in den Narkosebereichen überwiegend der zentralen OP-Abteilung des Klinikums eingesetzt, daneben auch der Zahnklinik, der Psychiatrie und in der Notfallmedizin. Seine Tätigkeit umfasse weit mehr als zur Hälfte Arbeitsvorgänge, die den Tätigkeitsmerkmalen des Facharztes entsprächen, einschließlich des Treffens eigenverantwortlicher ärztlicher Entscheidungen. Er sei nicht als wissenschaftlicher Mitarbeiter, sondern nach den Tätigkeitsmerkmalen für Ärzte einzugruppieren. Die Bezeichnung im Arbeitsvertrag sei unbeachtlich, denn ärztliche Tätigkeiten seien nicht den wissenschaftlichen Dienstleistungen zuzuordnen.

Der Kläger hat beantragt,

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm rückwirkend ab dem 1. Januar 1999 bis zum 31. Dezember 2000 Vergütung nach Vgr. I b BAT zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat geltend gemacht, dem Kläger sei keine Tätigkeit eines Facharztes übertragen worden. Für das Arbeitsverhältnis gelte Hochschulrecht, wie sich bereits aus der Befristungsabrede ergebe. Der Kläger sei nach seinem Arbeitsvertrag wissenschaftlicher Mitarbeiter gemäß § 110 BerlHG gewesen und habe wissenschaftliche Dienstleistungen erbracht. Die Facharztanerkennung bestimme weder das Ziel noch den Umfang der ärztlichen Tätigkeiten im Rahmen der Hochschulaufgaben; sie habe weder statusbegründende Bedeutung noch sei sie dafür erforderlich. Die Beklagte habe dem Kläger auch keine Tätigkeiten übertragen, die denen eines Facharztes entsprächen. Der Kläger erbringe seine Aufgaben nur im Rahmen eines fachlichen Einsatzes als Assistenzarzt; ärztliche Entscheidungen treffe er stets nach Rücksprache mit dem zuständigen Oberarzt. Die Facharztanerkennung sei auch zur Aufgabenwahrnehmung in der Krankenversorgung nicht notwendig.

Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Parteivorbringens wird auf den Tatbestand der angegriffenen Entscheidung Bezug genommen.

Durch Urteil vom 10. Januar 2002 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger sei wissenschaftlicher Mitarbeiter im Sinne der Hochschulgesetze gewesen und habe nur als solcher Tätigkeiten übertragen bekommen. Er könne schon deshalb keine Vergütung als Arzt oder Facharzt beanspruchen. Wegen d...

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