Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an die Betriebsratsunterrichtung in den ersten sechs Beschäftigungsmonaten
Leitsatz (amtlich)
Vor Ablauf der Wartefrist nach § 1 Abs. 1 KSchG genügt der Arbeitgeber seiner Pflicht zur Mitteilung der Kündigungsgründe nach § 102 Abs. 1 S. 2 BetrVG, wenn er dem Betriebsrat vor Ausspruch einer Kündigung lediglich mitteilt, der Arbeitnehmer „genügt nach unserer allgemeinen, subjektiven Einschätzung unseren Anforderungen nicht”.
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Urteil vom 31.07.1997; Aktenzeichen 1 Ca 3451/97) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 31. Juli 1997 – 1 Ca 3451/97 – geändert:
Unter Aufhebung des Versäumnisurteils vom 13. März 1997 wird die Klage abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über eine nach Ablauf einer tariflichen Probezeit, jedoch vor Ablauf des ersten Beschäftigungshalbjahres ausgesprochene ordentliche Kündigung (zum 28. Februar 1997) und über den vorläufigen Beschäftigungsanspruch der (als Verkäuferin eingestellten) Klägerin, welche die Kündigung deshalb für unwirksam hält, weil die Beklagte ihrem Betriebsrat im Rahmen der Anhörung als Kündigungsgrund lediglich mitgeteilt hatte: „Nach unserer allgemeinen, subjektiven Einschätzung genügt Frau A. unseren Anforderungen nicht. Dies nehmen wir zum Anlaß, das Arbeitsverhältnis wie oben angegeben zu kündigen.”
Auf ihre vor dem Arbeitsgericht Berlin am 28. Januar 1997 eingereichte Klage hat die Klägerin am 13. März 1997 folgendes Versäumnisurteil erwirkt:
I. Es wird festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die ordentliche Kündigung vom 21.01.1997 beendet worden ist, sondern über den Kündigungszeitpunkt hinaus ungekündigt fortbesteht;
II. Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin bis zum rechtskräftigen Abschluß des Kündigungsrechtsstreites zu den bisherigen Bedingungen weiterzubeschäftigen …
Da sie die Betriebsratsanhörung für ordnungsgemäß hält, hat nach rechtzeitigem Einspruch die Beklagte beantragt,
das Versäumnisurteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin hat beantragt,
das Versäumnisurteil aufrechtzuerhalten.
Durch Urteil vom 31. Juli 1997, auf dessen Tatbestand wegen des weiteren Sach- und Streitstandes in erster Instanz verwiesen wird (Bl. 23 f d.A.), hat das Arbeitsgericht das Versäumnisurteil aufrechterhalten und den Streitwert auf 7200,00 DM (drei Monatsverdienste für den Feststellungs- und einen Monatsverdienst für den Beschäftigungsantrag) festgesetzt. Auch bei einer Kündigung innerhalb der ersten sechs Beschäftigungsmonate dürfe sich der Arbeitgeber bei der Betriebsratsanhörung nicht mit der Angabe eines bloßen Werturteils begnügen, sondern müssen den diesem Urteil zugrunde liegenden Sachverhalt mitteilen; die Beklagte habe ihrem Betriebsrat aber weder die Anforderungen mitgeteilt noch die Punkte, in denen die Klägerin diesen Anforderungen nicht genügt habe, so daß die Kündigung an § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG scheitere.
Gegen dieses am 04. September 1997 zugestellte Urteil richtet sich die am 06. Oktober 1997 (Montag) eingegangene und am 06. November 1997 begründete Berufung der Beklagten.
Sie macht geltend, nach dem Kündigungsschutzgesetz sei es ihr erlaubt, die Kündigung nicht auf bestimmte Tatsachen, sondern ausschließlich auf eine subjektive Bewertung zu stützen, was sie vorliegend getan habe. Wenn der Gesetzgeber dem Arbeitgeber innerhalb der ersten sechs Monate die Möglichkeit biete, ein Arbeitsverhältnis ohne Kündigungsgründe kündigen zu können, so könne aus § 102 BetrVG nicht die Verpflichtung hergeleitet werden, dem Betriebsrat dennoch Kündigungstatsachen darzulegen und so den Kündigungsschutz über die „Hintertür” zu normieren. Ihrem Kündigungsentschluß lägen keine konkreten Fehlleistungen der Klägerin zugrunde, sondern lediglich eine allgemeine Einschätzung der Persönlichkeit und des Arbeitsverhaltens der Klägerin durch den zuständigen Filialleiter. Wenn ein Filialleiter innerhalb der ersten sechs Monate der Personalabteilung mitteile, daß er mit einer neu eingestellten Verkäuferin nicht langfristig zusammenarbeiten wolle, entspreche sie, die Beklagte, grundsätzlich diesem Wunsch.
Die Beklagte beantragt,
unter Aufhebung des Urteils vom 31. Juli und des Versäumnisurteils vom 13. März 1997 des Arbeitsgerichts die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie macht sich die Urteilsbegründung zu eigen. Da im Anhörungsschreiben von „Anforderungen” die Rede sei, hätte die Beklagte darlegen müssen, wie die allgemeinen Anforderungen definiert seien und in welchem Bereich die Defizite der Klägerin lägen; ohne solche Angaben könne der Betriebsrat die Stichhaltigkeit der Einschätzung des Arbeitgebers nicht überprüfen.
Entscheidungsgründe
1.
Die statthafte, nach dem Beschwerdewert zulässige Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1, 2 und 6, 66 Abs. 1...