Entscheidungsstichwort (Thema)

Zugang einer Kündigungserklärung. Zugangszeitpunkt

 

Leitsatz (amtlich)

Ein Kündigungsschreiben, daß einem Arbeitnehmer in Berlin durch Boten um 14.00 Uhr in den Hausbriefkasten geworfen wird, geht diesem noch am selben Tag zu.

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Entscheidung vom 28.07.1998; Aktenzeichen 54 Ca 43235/97)

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob das Arbeitsverhältnis des Klägers aufgrund einer am 30. September 1997 um 14.00 Uhr per Boten in seinen Hausbriefkasten geworfenen schriftlichen Kündigung zum 31. Oktober oder erst zum 30. November 1997 aufgelöst worden ist.

Das Arbeitsgericht Berlin hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, der Einwurf des Kündigungsschreibens sei noch innerhalb der für Großstädte maßgeblichen Postzustellzeiten erfolgt, die nach Auskunft der Generaldirektion der Deutschen Post AG bis gegen 14.00 Uhr andauerten.

Gegen dieses ihm am 4. September 1998 zugestellte Urteil richtet sich die am 1. Oktober 1998 eingelegte und begründete Berufung des Klägers. Er verweist auf eine Auskunft der Deutschen Post AG. Niederlassung Briefpost Berlin Nord vom 31. Juli 1998 (Ablichtung Bl. 100 d.A.), wonach die Post in seinem Zustellbereich zwischen 8.00 Uhr und 11.00 Uhr vormittags ausgeliefert werde.

Der Kläger beantragt,

unter Änderung des angefochtenen Urteils festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien bis zum 30. November 1997 fortbestanden habe.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil und meint, es komme allein darauf an, wann der Absender eines Schreibens nach den allgemein in Großstädten herrschenden Verhältnissen mit der Zustellung seiner Sendung rechnen dürfe.

 

Entscheidungsgründe

1. Die Berufung ist unbegründet.

Das Arbeitsverhältnis des Klägers zur Beklagten hat aufgrund deren Kündigung vom 30. September 1997 gemäß der vereinbarten Kündigungsfrist von einem Monat zum Monatsende am 31. Oktober 1997 geendet, wie das Arbeitsgericht mit zutreffender Begründung festgestellt hat (§ 543 Abs. 1 ZPO).

Abgesehen davon, daß ein Hausbriefkasten nicht allein zum Empfang von Sendungen dient, die von der Deutschen Post AG ausgeliefert werden, geht eine per Boten überbrachte Kündigungserklärung dem Adressaten erst dann am nächsten Tag zu. Wenn das Kündigungsschreiben erhebliche Zeit nach der allgemeinen Postzustellung in seinen Briefkasten eingeworfen wird (BAG, Urteil vom 8.12.1983 – 2 AZR 337/82 – AP § 130 BGB Nr. 12 zu B II 2 b der Gründe). Dies war vorliegend aber keinesfalls der Fall.

Dabei kam es nicht darauf an. Wann die Post im Zustellbereich des Klägers üblicherweise ausgeliefert zu werden pflegte. Für die Bestimmung des Zugangszeitpunkts i.S.d. § 130 Abs. 1 Satz 1 BGB ist vielmehr die berechtigte Erwartung des Erklärenden entscheidend, wann mit einer Kenntnisnahme des Adressaten vom Erklärungsinhalt gerechnet werden kann. Dies beurteilt sich nach allgemeinen Gepflogenheiten, während es auf eine etwa vorhandene Kenntnis des Erklärenden von konkreten örtlichen oder persönlichen Gegebenheiten des Adressaten nicht ankommt (BAG, Urteil vom 16.3.1988 – 7 AZR 587/87BAGE 58, 9 = AP § 130 BGB Nr. 16 zu I 4 a der Gründe). Zudem kann es im Falle einer Vertretung des Stammzustellers bei Urlaub oder Krankheit ohnehin zu veränderten Zustellzeiten kommen, wie auch im Schreiben der örtlichen Niederlassung der Deutschen Post AG vom 31. Juli 1998 betont worden ist.

Entsprechend der Auskunft der Generaldirektion der Deutschen Post AG vom 27. März 1998 (Ablichtung Bl. 62 dA), wonach die Briefzustellung in größeren Städten etwa gegen 14.00 Uhr endet, darf deshalb der Erklärende bei Obersendung einer Willenserklärung durch Boten berechtigterweise erwarten, daß der Empfänger eine um 14.00 Uhr in seinen Hausbriefkasten geworfene Willenserklärung noch an diesem Tag zur Kenntnis nimmt.

2. Der Kläger hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Berufung zu tragen.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI985806

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