Entscheidungsstichwort (Thema)
Entgeltfortzahlung 80 v. H./100 v. H.
Leitsatz (amtlich)
§ 6 Nr. 2 MTV enthält eine eigenständige Regelung der Höhe der Entgeltfortzahlung.
Normenkette
EntgeltFG § 4
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Urteil vom 08.10.1997; Aktenzeichen 43 Ca 19920/97) |
ArbG Berlin (Urteil vom 27.08.1997; Aktenzeichen 44 Ca 17114/97) |
Tenor
I. Die Berufungen der Beklagten gegen die Urteile des Arbeitsgerichts Berlin vom 27. August 1997 – 44 Ca 17114/97 – und vom 8. Oktober 1997 – 43 Ca 19920/97 – werden auf ihre Kosten zurückgewiesen.
II. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Frage, ob die Beklagte berechtigt ist, eine Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall nur noch in Höhe von 80 v. H. zu leisten.
Die Beklagte beschäftigt die Klägerinnen als Produktionshelferinnen. Sie schloß mit der Gewerkschaft Nahrung-Genuß-Gaststätten (NGG), deren Mitglieder die Klägerinnen sind, einen sogenannten Anerkennungstarifvertrag, mit dem sie sich zur Anwendung des Manteltarifvertrages für die Arbeitnehmer/innen und Auszubildenden in der Systemgastronomie, Bereich: Neue Bundesländer, vom 19. März 1993 (MTV) verpflichtete. Der MTV enthält u.a. folgende Regelung:
„§ 6 Nr. 2 Vergütung im Krankheitsfall
Bei Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit oder Unfall erhalten alle Arbeitnehmer/innen ihre Bezüge für 42 Kalendertage weiter gewährt. Hinsichtlich der Anspruchsgrundlage gelten die gesetzlichen Bestimmungen. Die Lohnfortzahlung je Krankheitstag beträgt mindestens 1/22 der durchschnittlichen monatlichen Bruttovergütung. Als Bezüge gelten die Bruttobezüge der 12 letzten voll gearbeiteten Monate, wobei eine inzwischen eingetretene Vergütungserhöhung zu berücksichtigen ist. Betrieblich kann von der 12-Monate-Frist abgewichen werden, wobei mindestens die drei letzten voll gearbeiteten Monate bei der Berechnung der Bruttobezüge zugrunde gelegt werden. Einmalzahlungen (einschließlich Jahressonderzuwendung und Urlaubsgeld) bleiben unberücksichtigt
Hat sich binnen der letzten zwölf Monate (bzw. 3 Monate) vor der Arbeitsunfähigkeit die vertragliche Arbeitszeit des/der Arbeitnehmer(s)in durch Vertragsänderung vor Krankheitsbeginn erhöht oder ermäßigt, so ist für die Höhe der Lohnfortzahlung dasjenige Durchschnittsentgelt maßgeblich, das nach der Arbeitszeitänderung gezahlt wurde oder gezahlt werden sollte. Dies gilt nicht, wenn die Vertragsänderung nur vorübergehender Natur ist. In diesem Fall ist der Durchschnittsverdienst der letzten 12 Monate, oder bei kürzerer Betriebszugehörigkeit der Durchschnittsverdienst dieses Zeitraumes, Berechnungsgrundlage für die Lohnfortzahlung (ohne Einmalzahlung).
Im Einzelfall einer Arbeitsunfähigkeit können die Arbeitsvertragsparteien einvernehmlich anstelle des tariflichen Referenzperiodenprinzips das gesetzliche Lohnausfallprinzip bei der Lohnfortzahlung anwenden. Der/Die Arbeitnehmer/in darf dadurch nicht schlechter gestellt werden.”
Die Beklagte zahlte für Zeiten der Arbeitsunfähigkeit an die Klägerinnen im Februar 1997 eine um 20 v. H. gekürzte Entgeltfortzahlung.
Nach einer schriftlichen Geltendmachung haben die Klägerinnen mit ihren am 16. Mai bzw. 2. Juni 1997 zugestellten Klagen die Differenzbeträge zu einer Entgeltfortzahlung von 100 v. H. gefordert, wobei sie ihren Anspruch auf § 6 Nr. 2 MTV gestützt haben.
Die Klägerin zu 1) hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 181,26 DM brutto nebst 4 % Zinsen auf den sich daraus ergebenden Nettobetrag seit dem 16. Mai 1997 zu zahlen.
Die Klägerin zu 2) hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 313,25 DM brutto nebst 4 % Zinsen aus dem sich hieraus ergebenden Nettobetrag seit dem 2. Juni 1997 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klagen abzuweisen.
Sie hat die Auffassung vertreten, gemäß § 4 EntgeltFG lediglich zu einer Entgeltfortzahlung von 80 v. H. verpflichtet zu sein; die genannte Tarifvorschrift enthalte keine eigenständige Regelung der Entgeltfortzahlung.
Das Arbeitsgericht hat den Klagen durch Urteile vom 27. August 1997 – 44 Ca 17114/97 – und 8. Oktober 1997 – 43 Ca 19920/97 – entsprochen und die Berufung jeweils zugelassen. Es hat dabei angenommen, § 6 Nr. 2 MTV enthalte eine eigenständige Regelung der Entgeltfortzahlung, die den Arbeitgeber unabhängig von der Neuregelung des EntgeltFG bei einer Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit zur Fortzahlung der Vergütung in Höhe von 100 v.H. verpflichte. Wegen der Einzelheiten der Begründungen wird auf die Entscheidungsgründe der angefochtenen Urteile verwiesen.
Gegen diese der Beklagten am 7. Oktober bzw. 10. November 1997 zugestellten Urteile richten sich die am 7. November bzw. 9. Dezember 1997 beim Landesarbeitsgericht eingelegten Berufungen der Beklagten, die sie mit am Montag, dem 8. Dezember 1997 bzw. am 30. Dezember 1997 eingegangenen Schriftsätzen begründet hat.
Die Beklagte vertritt weiterhin die Rechtsauffassung, § 6 Nr. 2 MTV enthalte lediglich eine Verweisung auf die jeweils geltende gesetzliche Regelung der Entgeltfortzahlung. Lediglich die Berechnung der...