Entscheidungsstichwort (Thema)

Kündigung. Unterschlagung

 

Leitsatz (amtlich)

Läßt sich im Wege der Beweisaufnahme die Einlassung eines Arbeitnehmers, der einem Beschäftigten eines Auftragnehmers seines Arbeitgebers einen Gegenstand im Wert von 25,00 DM geschenkt hat, er habe dies im vermeintlichen Interesse seines Arbeitgebers deshalb getan, um damit unentgeltliche Leistungen zu honorieren, nicht widerlegen, so erscheint eine Kündigung seines Arbeitsverhältnisses als unverhältnismäßige Reaktion des Arbeitgebers, der sich vielmehr auf den Ausspruch einer Abmahnung verweisen lassen muß.

 

Normenkette

BGB § 626 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Urteil vom 28.05.1997; Aktenzeichen 31 Ca 48036/96)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 28. Mai 1997 – 31 Ca 48036/96 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der am 07. Februar 1951 geborene Kläger stand seit dem 02. Mai 1983 als Lagerist in den Diensten der Rechtsvorgängerin der Beklagten. Auf sein Arbeitsverhältnis fand der Manteltarifvertrag der chemischen Industrie kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme Anwendung, u. z. auch weiterhin nach Übergang des Arbeitsverhältnisses auf die Beklagte.

Am 06. November 1996 kündigte die Beklagte dem Kläger telegrafisch fristlos.

Das Arbeitsgericht Berlin hat auf die fristgemäß erhobene Klage festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis des Klägers durch diese Kündigung nicht aufgelöst worden sei. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, zwar habe der Kläger durch die Weggabe eines Kanisters Motorenöl an den Fahrer eines Auftragnehmers der Beklagten Nebenpflichten aus seinem Arbeitsverhältnis verletzt. Der Kläger habe daraus jedoch keine eigenen Vorteile erlangt. Sein Vortrag, er habe vor allem die Interessen der Beklagten wahrnehmen wollen, der aufgrund seiner Vorgehensweise aus seiner Sicht Transportleistungen unentgeltlich zugeflossen seien, sei nachvollziehbar, wenngleich aufgrund der von der Beklagten aus versicherungstechnischer Sicht vorgebrachten Einwände objektiv nicht richtig. Die Beklagte hätte den Vorfall zum Anlaß für eine Abmahnung nehmen können, weshalb noch nicht einmal die Voraussetzungen für eine ordentliche Kündigung vorgelegen hätten.

Gegen dieses ihr am 22. Juli 1997 zugestellte Urteil richtet sich die am 21. August 1997 eingelegte und am 22. September 1997, einem Montag, begründete Berufung der Beklagten. Sie ist der Ansicht, daß sich das Verhalten des Klägers als strafbare Handlung, nämlich Unterschlagung, Diebstahl oder Untreue, darstelle. Da der Kläger gewußt habe, daß der Kanister in ihrem Eigentum gestanden habe, sei sein Verhalten auch vorsätzlich gewesen. Der Kläger habe in rechtswidriger Zueignungsabsicht gehandelt, weil er als jemand aufgetreten sei, der ohne weiteres den Fahrer eines Auftragnehmers habe belobigen oder sonstwie bevorzugen wollen. Eine Leistung habe er für den Ölkanister nicht verlangt. Da der Ölkanister einen Wert von ca. 25,00 DM gehabt habe, sei ihr ein entsprechender Schaden entstanden. Eine Abmahnung sei nicht erforderlich gewesen, weil der Kläger durch sein Verhalten das an ihn gesetzte Vertrauen zerstört habe.

Die Beklagte beantragt,

die Klage unter Aufhebung des angefochtenen Urteils abzuweisen.

Der Kläger beantragt.

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil und wiederholt sein erstinstanzliches Vorbringen, nicht gewußt zu haben, daß der ölverschmierte Kanister aus einer beschädigten Palette noch von irgendeinem Wert für die Beklagte gewesen sei.

Das Gericht hat den Zeugen W. uneidlich unter Verzicht auf eine Protokollierung seiner Aussage vernommen.

 

Entscheidungsgründe

1. Die Berufung ist zulässig. Insbesondere ist sie gem. § 222 Abs. 2 ZPO innerhalb der einmonatigen Begründungsfrist des § 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG ordnungsgemäß begründet worden.

2. Die Berufung ist sachlich unbegründet.

2.1 Das Arbeitsverhältnis des Klägers ist durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 06. November 1996 nicht fristlos aufgelöst worden.

Gem. § 626 Abs. 1 BGB kann ein Arbeitsverhältnis vom Arbeitgeber aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund deren ihm unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Diese Voraussetzungen waren vorliegend nicht erfüllt.

Zwar hat der Kläger mit der Weggabe eines Kanisters Motorenöl an den Fahrer eines Auftragnehmers der Beklagten objektiv pflichtwidrig gehandelt, indem er der Beklagten als Eigentümerin den Besitz an dem Kanister entzogen hat. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme konnte jedoch nicht davon ausgegangen werden, daß der Kläger dabei mit Zueignungsabsicht in dem Sinne gehandelt hatte, daß er selbst als spendabler Schenker auftrat.

2.1.1 Der Zeuge W. hat ausgesagt, seit etwa einem halben Jahr als Fahrer eine...

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