Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebliches Eingliederungsmanagement. Krankheitsbedingte Kündigung. Wirksamkeitsvoraussetzung
Leitsatz (amtlich)
1.) Die Durchführung eines „betrieblichen Eingliederungsmanagements” im Sinne des § 84 Abs. 2 SGB IX ist nicht formelle Wirksamkeitsvoraussetzung für eine krankheitsbedingte Kündigung.
2.) Mit den Maßgaben des § 84 Abs. 2 SGB IX wird im Falle der krankheitsbedingten Kündigung das dem Kündigungsrecht innewohnende ultima-ratio-Prinzip verstärkend konkretisiert.
Normenkette
KSchG § 1 Abs. 2; SGB IX § 84 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Urteil vom 21.02.2005; Aktenzeichen 60 Ca 24312/04) |
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten gegen das am 21. Februar 2005 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Berlin – 60 Ca 24312/04 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
II. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer krankheitsbedingten Kündigung.
Der verheiratete und zwei Kindern gegenüber unterhaltsverpflichtete Kläger ist seit dem 01.04.1990 bei der Beklagten als Registrator/Zuarbeiter beschäftigt und wird nach der Vergütungsgruppe VII des Manteltarifvertrages für die Angestellten der B. vergütet. Er ist mit einem Grad von 50 % behindert. Nachdem er in der Zeit vom 10.03.1995 bis zum 02.04.2000 durchgehend arbeitsunfähig krankgeschrieben war, wurde er am 03.04.2000, nachdem der personalärztliche Dienst der Beklagten ihn für dienstunfähig in der Tätigkeit eines Registrators erklärt hatte, als Pförtner eingesetzt. Nachdem die Beschäftigungsdienststelle im Pförtnerbereich sodann erklärt hatte, dass der Kläger den Aufgaben als Pförtners im Hinblick auf seine Behinderung nicht gewachsen sei, war er zuletzt vom 19.01.2001 bis laufend weiterhin arbeitsunfähig krankgeschrieben. Ein Antrag des Klägers auf Bewilligung von Erwerbsunfähigkeitsrente wurde abgelehnt. Am 19.01.2004 teilte der Kläger mit, dass er seinen Dienst als Zuarbeiter wiederaufnehmen wolle, aber nur leichtere Tätigkeiten durchführen könne. Eine personalärztliche Untersuchung kam sodann zu dem Ergebnis, dass die körperlichen Einschränkungen des Klägers fortbestünden, dass dieser aber dienstfähig für eine leidensgerechte Tätigkeit als Pförtner dann sei, wenn die jeweiligen Türöffner oben auf den Arbeitstischen angebracht würden. Eine Tätigkeit als Registrator komme nicht in Betracht, PC-Arbeiten dürften maximal die Hälfte seiner Arbeitszeit ausmachen. Nachdem das Integrationsamt mit Bescheid vom 01.09.2004 der beabsichtigten ordentlichen fristgemäßen Kündigung zugestimmt hatte, sprach die Beklagte mit Schreiben vom 10.09.2004 eine Kündigung zum 31.03.2005 aus; diese Kündigung greift der Kläger mit der vorliegenden, bei Gericht am 05.10.2004 eingegangenen Klage an. Mit Bescheid vom 22.08.2005 (Bl. 235 ff. d. A.) hob der Widerspruchsausschuss beim Integrationsamt die Entscheidung des I.amtes auf und versagte der beantragten ordentlichen Kündigung die Zustimmung. Hiergegen hat die Beklagte fristgerecht ein Verfahren beim Verwaltungsgericht in Gang gesetzt.
Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 21.02.2005 festgestellt, dass die streitgegenständliche Kündigung sozial ungerechtfertigt sei. Es hat zunächst die Grundsätze der Rechtsprechung zur Kündigung wegen krankheitsbedingter dauernder Leistungsunfähigkeit referiert und festgestellt, dass die diesbezüglichen Voraussetzungen im Streitfalle nicht gegeben seien. Die personalärztlichen Untersuchungen hätten ergeben, dass der Kläger für eine Tätigkeit als Pförtner dienstfähig sei, vorausgesetzt, dass die Türöffner oben auf dem Arbeitstisch angebracht würden. Darüber hinaus sei sogar festgestellt worden, dass der Kläger auch als Zuarbeiter einsetzbar sei, dies unter der Voraussetzung, dass PC-Arbeiten nur zur Hälfte der Arbeitszeit anfallen dürften. Ähnlich hätten sich auch die ärztlichen Gutachter im Rentenverfahren des Klägers erklärt. Von einer andauernden Leistungsunfähigkeit sei daher nicht auszugehen. Die Beklagte habe auch Umstände, wonach der Kläger in der geschilderten Weise nicht einsetzbar sei, nicht substantiiert angeführt. Der Wegfall der Arbeitsplätze der Pförtner sei nicht nachvollziehbar dargestellt gewesen, es sei auch nicht nachvollziehbar gewesen, wieso eine Tätigkeit als Zuarbeiter in dem von den Ärzten festgelegten Umfang nicht möglich sei. Soweit die Beklagte die Kündigung auf den Gesichtspunkt einer lang andauernden Krankheit stütze, seien auch die diesbezüglich von der Rechtsprechung aufgestellten Voraussetzungen nicht erfüllt. Zwar sei von einer lang andauernden Erkrankung und auch einer negativen Zukunftsprognose auszugehen; jedoch habe die Beklagte keine betrieblichen Beeinträchtigungen dargelegt außer derjenigen, dass sie seit acht Jahren in ihrem Direktionsrecht beschränkt sei. Diesbezüglich fehle es auch an entsprechenden Darlegungen gegenüber dem Personalrat. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe (Bl. 146 ff. d. A.) Bezug genommen.
Gegen dieses am 05.04.2005 zugestellte Urteil richtet si...