Entscheidungsstichwort (Thema)
lang anhaltende Erkrankung
Leitsatz (amtlich)
1. Die Möglichkeit, bei lang andauernder Erkrankung eines Mitarbeiters gemäß § 14 Abs. 1 Satz 2 Ziffer 3 TzBfG eine Ersatzkraft auch für einen längeren Zeitraum als zwei Jahre befristet einzustellen, führt nicht dazu, bei Prüfung der negativen Zukunftsprognose und der betrieblichen Störung auf einen längeren als zweijährigen Zeitraum ab Ausspruch der Kündigung abzustellen, innerhalb dessen nicht mit einer Rückkehr des erkrankten Mitarbeiters gerechnet werden kann.
2. Die Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements gemäß § 84 Abs. 2 SGB IX ist nicht Wirksamkeitsvoraussetzung für eine krankheitsbedingte Kündigung.
Normenkette
KSchG § 1; TzBfG § 14; SGB IX § 84; BetrVG § 102
Verfahrensgang
ArbG Bamberg (Urteil vom 05.08.2005; Aktenzeichen 3 Ca 1347/04 C) |
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Bamberg – Kammer Coburg – vom 05.08.2005, Az.: 3 Ca 1347/04 C, wird auf Kosten des Berufungsführers zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit der ordentlichen Arbeitgeberkündigung vom 19.10.2004.
Der am 05.05.1952 geborene schwerbehinderte Kläger war bei der Beklagten seit dem 01.09.1968 als Fahrzeugbauer beschäftigt und bezog zuletzt einen Bruttomonatslohn in Höhe von EUR 1.796,50.
Im Betrieb der Beklagten sind regelmäßig mehr als fünf Arbeitnehmer beschäftigt und es besteht ein Betriebsrat.
Da der Kläger seit dem 07.01.2003 fortlaufend arbeitsunfähig erkrankt gewesen ist, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 19.10.2004 (Kopie Bl. 8 d.A.) ordentlich zum 31.05.2005, nachdem das Integrationsamt mit Bescheid vom 11.10.2004 (Kopie Bl. 30-34 d.A.) die Zustimmung erteilt hatte.
Gegen die ihm 21.10.2004 zugeleitete Kündigung hat der Kläger mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 09.11.2004, der noch am selben Tag beim Arbeitsgericht Bamberg – Kammer Coburg – eingegangen ist, Kündigungsschutzklage erhoben.
Wegen der Anträge der Parteien und ihres näheren Vorbringens im erstinstanzlichen Verfahren wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.
Das Arbeitsgericht Bamberg – Kammer Coburg – hat mit Endurteil vom 05.08.2005 die Klage abgewiesen.
Gegen das dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 05.12.2005 zugestellte Urteil hat dieser mit dem am 15.12.2005 beim Landesarbeitsgericht Nürnberg eingegangenen Schriftsatz vom 12.12.2005 Berufung eingelegt und sie mit Telefax vom 03.02.2006 begründet.
Der Kläger meint, das Erstgericht habe zu Unrecht aus der Mitteilung des behandelnden Arztes Dipl.-med. C., dass mit einer vollen Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit des Klägers in den nächsten beiden Jahren nicht gerechnet werden könne, auf eine die Kündigung rechtfertigende betriebliche Beeinträchtigung durch die fortdauernde Arbeitsunfähigkeit des Klägers geschlossen. Dies sei aufgrund der Änderung des Befristungsrechts, die nunmehr dem Arbeitgeber gestatte, eine Ersatzkraft ohne zeitliche Beschränkung einzustellen, nicht mehr zulässig. Vielmehr habe der Arbeitgeber im Einzelnen darzulegen und zu beweisen, welche betrieblichen Beeinträchtigungen bestünden.
Im Übrigen sei die Kündigung auch deshalb unwirksam, da das gesetzlich vorgeschriebene Eingliederungsverfahren gemäß §§ 83, 84 SGB IX nicht durchgeführt worden sei. Auch seien im Rahmen der Interessenabwägung die Unterhaltspflichten des Klägers gegenüber den beiden noch in der Ausbildung befindlichen volljährigen Kindern nicht berücksichtigt worden. Dieser Umstand hätte zudem auch dem Betriebsrat im Rahmen der durchgeführten Anhörung mitgeteilt werden müssen.
Der Kläger und Berufungskläger beantragt:
- Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Bamberg – Kammer Coburg – vom 05.08.2005, 3 Ca 1347/04 C, abgeändert und festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 19.10.2004, zugegangen am 21.10.2004, nicht aufgelöst worden ist.
- Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Die Beklagte und Berufungsbeklagte beantragt:
Die Berufung wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Zur Begründung trägt sie vor, die Langzeiterkrankung des Klägers rechtfertige die ausgesprochene Kündigung, denn aufgrund vorgelegter ärztlicher Atteste habe sie bei Ausspruch der Kündigung davon ausgehen müssen, dass der Kläger binnen der nächsten beiden Jahre seine Arbeitsfähigkeit nicht wiedererlangen werde. Es müsse sogar damit gerechnet werden, dass der Kläger auf Dauer außer Stande sei, als Karosserie- und Fahrzeugbauer eingesetzt zu werden. Ein leidensgerechter Arbeitsplatz, der eine Weiterbeschäftigung zu geänderten Arbeitsbedingungen ermöglichen könnte, stehe in ihrem Unternehmen nicht zur Verfügung. Sie habe im Rahmen der Interessenabwägung das Alter des Klägers und seine lange Betriebszugehörigkeit berücksichtigt und zunächst mehr als eineinhalb Jahre zugewartet, um die weitere gesundheitliche Entwicklung absehen zu können. Da sich bei de...