Revision zugelassen
Entscheidungsstichwort (Thema)
Kündigung wegen eines Betriebsübergangs. Betriebsbedingte Kündigung. Beitrittsgebiet. Treuhandanstalt
Leitsatz (amtlich)
Im Anwendungsbereich von § 613 a Abs. 4 BGB in seiner gemäß Art. 232, § 5 Abs. 2 Nr. 2 EGBGB nur im sog. Beitrittsgebiet geltenden Fassung ist eine im Zusammenhang mit einer beabsichtigten Betriebsveräußerung ausgesprochene betriebsbedingte Kündigung nicht bereits deshalb unwirksam, weil die Kündigung Ausdruck einer Betriebseinschränkung ist, mit der der Betrieb überhaupt „verkaufsfähig” gemacht werden soll.
Normenkette
BGB § 613 Abs. 4; EGBGB Art. 232; EGBGB § 5 Abs. 2 Nr. 2; KSchG § 1 Abs. 2
Nachgehend
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer von der Beklagten ausgesprochenen betriebsbedingten Kündigung. Dabei geht der Streit insbesondere darum, ob diese Kündigung wegen eines rechtsgeschäftlichen Betriebsübergangs ausgesprochen worden ist, sowie im Hinblick auf § 1 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) darum, ob die Beklagte die Klägerin doch weiterbeschäftigen könnte bzw. die richtige Sozialauswahl bei der Entlassung der Klägerin getroffen hat. Im einzelnen liegt dem Streit der folgende Sachverhalt zugrunde:
Die 1961 geborene, ledige und zwei Kindern zum Unterhalt verpflichtete Klägerin, eine gelernte Fachverkäuferin, war seit dem 01.01.1990 bei der Beklagten als Sachbearbeiterin im Bereich „Materiallager/Ersatzteilbeschaffung” beschäftigt. Die Beklagte, deren Alleingesellschafterin seit 01.07.1990 die Treuhandanstalt war, stellte bis zum 31.12.1990 Zigaretten mit einem Jahresproduktionsvolumen von ca. 5 Mrd. Stück her. Seit dem 01.01.1991 ruht die Produktion, und die über 200 Arbeitnehmer sind seitdem zur Kurzarbeit gemeldet. Zuletzt erhielt die Klägerin Kurzarbeitergeld und Arbeitsentgelt in Höhe von zusammen 1.488,– DM.
Seit dem Stillstand der Produktion bemüht sich die Treuhandanstalt um die Veräußerung des Produktionsbetriebes und führte zu diesem Zweck Verkaufsverhandlungen mit unterschiedlichen Interessenten.
Im Jahre 1991 führte die Treuhandanstalt diesbezüglich Verhandlungen mit der … AG, deren Konzept zunächst die Wiederaufnahme der Produktion von 5 Mrd. Zigaretten pro Jahr und die Weiterbeschäftigung sämtlicher seinerzeit noch 300 Arbeitnehmer der Beklagten vorsah. Die mit der … AG geführten Verkaufsverhandlungen scheiterten im Februar 1992 endgültig.
Zum 30.06.1992 schrieb die Treuhandanstalt den Betrieb der Beklagten weltweit aus. Auf diese Ausschreibung meldeten sich drei ernsthafte Kaufinteressenten, die allenfalls noch 2,2 Mrd. Zigaretten pro Jahr produzieren und demgemäß nicht sämtliche Mitarbeiter der Beklagten übernehmen wollten. Dabei handelte es sich um die Firma …, die lediglich 80 Arbeitnehmer übernehmen wollte, die Gruppe mit der … GmbH, die zunächst nur 100, später dann doch 125 Arbeitnehmer übernehmen wollte, sowie die …, die höchstens 150 Arbeitnehmer übernehmen wollte.
Im Hinblick auf diese deutlich gewordenen Vorstellungen von Kaufinteressenten erstellte die Beklagte einen Plan zur künftigen Struktur des Betriebes, der nur noch die Beschäftigung von insgesamt 150 Arbeitnehmern und im Ersatzteilwesen die Beschäftigung von nur noch zwei Arbeitnehmern vorsah. Auf das Modell dieses Strukturplanes wird Bezug genommen (vgl. Bl. 9 d.A.). Mit einem Schreiben vom 17.11.1992, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird (vgl. Bl. 10 f.d.A.), informierte die Beklagte den in ihrem Betrieb gebildeten Betriebsrat über die angesichts der beabsichtigten Personalreduzierung von 216 auf 150 Arbeitnehmer notwendigen Massenentlassungen und verhandelte mit dem Betriebsrat über den Abschluß eines Interessenausgleichs. Unter dem 30.11.1992 schlossen Arbeitgeber und Betriebsrat den folgenden Interessenausgleich:
- „Die im Zusammenhang mit einer erfolgreichen Privatisierung des Unternehmens notwendige Betriebsänderung erfordert die Rückführung des bisherigen Personalbestandes auf 150 Mitarbeiter.
- Die Arbeitsverträge der von dieser Maßnahme betroffenen 66 Arbeitnehmer werden vom Unternehmen unter Wahrung der gesetzlichen Fristen gekündigt.
Der Betriebsrat erklärt, daß er über den Grund der Kündigungen im Sinne des § 102 BetrVG ausreichend unterrichtet ist und danach den erforderlichen personellen Einzelmaßnahmen zustimmen wird.
Im Rahmen der Anhörung sind dem Betriebsrat jedoch für die zu kündigenden Arbeitnehmer die persönlichen Daten, die Kündigungsfrist und der Kündigungstermin mitzuteilen.
- Die betriebsbedingten Kündigungen dürfen den betroffenen Arbeitnehmern erst nach Abschluß der Sozialplanverhandlungen zwischen Geschäftsführung und Betriebsrat zugestellt werden.”
Schließlich hörte die Beklagte den bei ihr gebildeten Betriebsrat auf der Basis eines „Anlage 2” genannten Schreibens, auf dessen Inhalt im einzelnen Bezug genommen wird, zu den beabsichtigten Kündigungen von insgesamt 65 Arbeitnehmern, u.a. auch der Klägerin, an. Die von der Beklagten getroffene Sozialauswahl erläuterte ...