Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Anwendung des Tarifvertrages zur sozialen Absicherung bei einer Kündigung aus betriebsbedingten Gründen (Fortführung der Rechtsprechung des BAG vom 10.11.1994 – 6 AZR 427/94)

 

Normenkette

Tarifvertrag zur sozialen Absicherung § 2 Abs. 1, 5

 

Verfahrensgang

ArbG Cottbus (Urteil vom 23.02.1996; Aktenzeichen 6 Ca 4503/95)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 29.10.1998; Aktenzeichen 6 AZR 271/97)

 

Tenor

1. Das Urteil des Arbeitsgerichts … vom 23.02.1996 – 6 Ca 4503/95 – wird abgeändert und die Klage abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Zahlung einer Abfindung.

Die am … 1963 geborene Klägerin ist gelernte W. Sie stand seit dem 1.9.1984 in einem Arbeitsverhältnis mit der S. C. und war in der W. eines Heims beschäftigt, in dem psychisch schwerst- und mehrfach behinderte Menschen betreut werden. Auf das Arbeitsverhältnis fand aufgrund beiderseitiger Organisationszugehörigkeit der Tarifvertrag zur sozialen Absicherung (TV SozSich) Anwendung. Zum 1.2.1994 übernahm die Beklagte das Heim. Ab dem 1.6.1994 ließ sie die bislang in Eigenregie durchgeführten Reinigungsarbeiten in dem Heim von der Firma H. verrichten. Zum 31.12.1994 schloß sie die hauseigene Wäscherei und vergab die W. an die Firma R. Wegen Schließung der W. kündigte sie das Arbeitsverhältnis der Klägerin mit Schreiben vom 18.8.1994 zum 31.12.1994. Ihr gleichzeitiges Angebot zur Weiterbeschäftigung als pflegerische Hilfskraft lehnte die Klägerin ab. Es war vorgesehen gewesen, daß sie zunächst auf der Station eingesetzt wird, in der geistig behinderte Frauen im Alter von 20 bis 60 Jahren leben. Ihre Aufgabe wäre es gewesen, ihnen beim An- und Auskleiden, beim Essen, Waschen und beim Spielen zu helfen. Die Möglichkeit einer Beschäftigung bei den Firmen H. und R. hat sie nicht wahrgenommen. Nach erfolgloser Geltendmachung mit Schreiben vom 7.2.1995 begehrte sie mit der am 26.10.1995 bei dem Arbeitsgericht … eingegangenen Klage die Zahlung einer Abfindung nach dem Tarifvertrag zur sozialen Absicherung.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, daß ihr wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Abfindung in Höhe von zehn Viertel eines monatlichen Bruttogehaltes zustehe, die sie zunächst mit 6.347,60 DM und in dem Schriftsatz vom 4.1.1996 mit 6.424,30 DM berechnet hat. Der Tarifvertrag sei nach § 613a BGB Bestandteil ihres Arbeitsvertrages mit der Beklagten geworden. Der Anspruch sei nicht deswegen ausgeschlossen, weil sie die Änderung der Arbeitsbedingungen abgelehnt habe. Sie habe die persönlichen Voraussetzungen der angebotenen Tätigkeit als pflegerische Hilfskraft nicht erfüllen können. Sie sei einfach überfordert, die auf der Station anfallenden Arbeiten zu leisten. Die Beschäftigung bei Fremdfirmen sei dagegen kein Angebot im Sinne des Tarifvertrages.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 6.424,30 DM nebst 4 % Jahreszinsen aus 6.347,60 DM ab Rechtshängigkeit sowie 4 % Zinsen aus 50,30 DM ab Zustellung des Schriftsatzes vom 4.1.1996 zu zahlen

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat geltendgemacht, daß der Tarifvertrag nicht zur Anwendung komme, weil er den Arbeitsplatzverlust im Rahmen einer Umstrukturierung zum Gegenstand habe. Im vorliegenden Fall gehe es aber um eine Rationalisierungsmaßnahme. Dem Anspruch stehe zudem § 2 Abs. 5 TV SozSich entgegen, weil die Klägerin einen angebotenen anderen Arbeitsplatz abgelehnt habe. Als pflegerische Hilfskraft hätte sie leichte und durchaus zumutbare Arbeiten zu verrichten gehabt. Darüberhinaus sei ihr auch zuzumuten gewesen, als Wäscherin oder Putzhilfe bei den Firmen H. und R. zu arbeiten.

Das Arbeitsgericht … hat durch Urteil vom 23.2.1996 – 6 Ca 4503/95 – der Klage entsprochen. Zur Begründung hat es ausgeführt, daß der Tarifvertrag zur sozialen Absicherung nach § 613 a BGB auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung finde. Der aus ihm resultierende Abfindungsanspruch stehe der Klägerin dem Grunde und der Höhe nach zu, weil ihre Beschäftigungsstelle ersatzlos weggefallen und der Ausschlußtatbestand des § 2 Abs. 5 a TV SozSich nicht erfüllt sei. Das Arbeitsplatzangebot der Beklagten sei unzumutbar gewesen. Losgelöst von der generellen Zugänglichkeit der Argumente der Klägerin sei entscheidend, daß es um eine Tätigkeit mit besonderer Sensibilität gehe, die ein hohes Maß an an Einfühlungsvermögen sowie körperlicher und seelischer Belastbarkeit erfordere. Wenn sie im Hinblick hierauf die Entscheidung getroffen habe, den Belastungen nicht gewachsen und für die Stelle nicht geeignet zu sein, so lasse dies den Schluß auf die Unzumutbarkeit des Angebots zu. Die Beschäftigungsmöglichkeit bei anderen Firmen werde von dem Ausschlußtatbestand nicht erfaßt.

Gegen das ihr am 12.6.1996 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 10.7.1996 Berufung eingelegt und sie am 26.7.1996 begründet.

Die Beklagte macht geltend, daß der Abfindungsanspruch schon deswegen nicht...

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