Verfahrensgang

ArbG Cottbus (Urteil vom 28.03.1994; Aktenzeichen 4 Ca 219/94)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 05.10.1995; Aktenzeichen 2 AZR 16/95)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts C. vom 28.03.1994 – 4 Ca 219/94 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die ordentliche Kündigungsfrist.

Die Beklagte ist ein Unternehmen der Metallindustrie mit ca. 230 Arbeitnehmern. Die 1939 geborene Klägerin stand seit 1962 zu ihr und ihrem Rechtsvorgänger in einem Arbeitsverhältnis als Produktionsarbeiterin. Auf das Arbeitsverhältnis findet aufgrund beiderseitiger Organisationszugehörigkeit der Manteltarifvertrag für die Arbeiter der Metall- und Elektroindustrie in Berlin und Brandenburg, Tarifgebiet II, Anwendung, der unter Ziff. 11 „Beendigung des Arbeitsverhältnisses” u. a. folgende Regelungen enthält:

„11.1.1.1 Die Kündigungsfrist beträgt mindestens 2 Wochen (entspricht den für das Tarifgebiet II geltenden gesetzlichen Regelungen).

11.1.1.2 Hat der Arbeitsvertrag in demselben Betrieb oder Unternehmen 5 Jahre bestanden, erhöht sich für die Kündigung durch den Arbeitgeber die Kündigungsfrist auf 1 Monat bis zum Monatsende, hat er 10 Jahre bestanden, erhöht sich die Kündigungsfrist auf 2 Monate zum Monatsende, hat er 20 Jahre bestanden, erhöht sich die Kündigungsfrist auf 3 Monate bis zum Ende des Kalendervierteljahres; bei der Berechnung der Beschäftigungsdauer werden Zeiten, die vor der Vollendung des 25. Lebensjahres des Beschäftigten liegen, nicht berücksichtigt (entspricht den für das Tarifgebiet II geltenden gesetzlichen Regelungen).

11.1.1.3 Für die Kündigung des Arbeitsvertrages durch den Beschäftigten darf arbeitsvertraglich keine längere Frist vereinbart werden, als für die Kündigung durch den Arbeitgeber (entspricht den für das Tarifgebiet II geltenden gesetzlichen Regelungen).

11.1.1.4 Wird für Berlin und Brandenburg, Tarifgebiet I (ehemals Berlin-West), eine Neuregelung der Kündigungsfristen vereinbart, so gilt diese Regelung auch in dem Tarifgebiet II.

11.1.2 Verhandlungsverpflichtung aus Ziff. 17 des Verhandlungsergebnisses vom 10.03.1991.

11.1.3 Im übrigen gelten die längeren gesetzlichen Kündigungsfristen (§ 622 Abs. 2 Satz 2 BGB).”

Mit Schreiben vom 22.09.1993, zugegangen am gleichen Tag, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Klägerin zum 31.12.1993. Die Wirksamkeit der Kündigung griff die Klägerin mit der am 20.01.1994 bei dem Arbeitsgericht C. eingegangenen Klage an. Im weiteren Verlauf des Verfahrens hat sie die Klage auf die Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist zum 30.04.1994 beschränkt.

Die Klägerin hat vorgetragen, daß die Kündigungsfrist nach dem Kündigungsfristengesetz einzuhalten sei, das nach den manteltarifvertraglichen Regelungen Anwendung finde. Der Tarifvertrag, der die zum Zeitpunkt seines Abschlusses geltenden Fristen des § 55 AGB/DDR wortwörtlich wiedergebe, beinhalte keine eigenständige Regelung. Es liege vielmehr ein Verweis auf die jeweils geltenden gesetzlichen Regelungen vor, die zur Zeit der Kündigung durch das Kündigungsfristengesetz bestimmt worden seien.

Die Klägerin hat beantragt,

festzustellen, daß das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 22.09.1993 nicht zum 31.12.1993 aufgelöst worden ist, sondern erst mit Ablauf des 30.04.1994.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, daß der Manteltarifvertrag die Kündigungsfristen eigenständig regelt. Er erschöpfe sich nicht in der bloßen Wiedergabe der seinerzeit geltenden gesetzlichen Regelung. Ausweislich der Klammerzusätze sollte nicht einfach die gesetzliche Regelung gelten, sondern die vereinbarte tarifliche Regelung, die der damals gesetzlichen entsprach. Der Tarifvertrag verweise auch nicht auf die jeweils gesetzliche Regelung. Die Tarifvertragsparteien hätten sich seinerzeit im Ergebnis der Verhandlungen über eine vollständige Übernahme der für den Westteil Berlins geltenden Tarifbestimmungen auf den Kompromiß verständigt, die Kündigungsfrist des Tarifgebietes I erst nach einer künftigen Neuregelung auf das Tarifgebiet II zu übertragen und für die Übergangszeit die gesetzliche Regelung zu vereinbaren. Dementsprechend kommt auch unter Ziff. 11.1.1.4 zum Ausdruck, daß die aufgeführten Kündigungsfristen für die Übergangszeit Bestand haben und nicht in Abhängigkeit zu der bevorstehenden gesetzlichen Regelung stehen sollen.

Das Arbeitsgericht C. hat durch Urteil vom 28.03.1994 – 4 Ca 219/94 – der Klage entsprochen. Zur Begründung hat es ausgeführt, daß die Kündigungsfrist nach dem seinerzeit bereits anzuwendenden Kündigungsfristengesetz zu berechnen sei. Der Tarifvertrag gebe lediglich den bei seinem Abschluß geltenden Gesetzestext des § 55 AGB/DDR wieder. Er beinhalte daher keine eigenständige Regelung, sondern verweise auf das jeweils geltende Gesetz. Das entspreche nicht nur dem Wortlaut des Tarifvertrages, sondern dem erkennbar gewordenen W...

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