Verfahrensgang

ArbG Neuruppin (Urteil vom 21.07.1994; Aktenzeichen 3 Ca 393/94)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 19.11.1996; Aktenzeichen 3 AZR 494/95)

 

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Neuruppin vom 21.07.1994 – 3 Ca 393/94 – abgeändert:

Es wird festgestellt, daß dem Kläger in der Gesamtvollstreckung in das Vermögen der Firma E. GmbH, … eine in der Rangklasse gemäß § 17 Abs. 3 Nr. 1 a Gesamtvollstreckungsordnung stehende Forderung in Höhe von 7.225,00 DM brutto abzüglich gezahlter 2.821,62 DM netto zusteht.

Die Kosten des Rechtsstreites hat der Beklagte zu tragen.

2. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der … 1948 geborene Kläger war bei der Gemeinschuldnerin und ihrem Rechtsvorgänger seit dem 1.10.1973 als Technologe beschäftigt. Auf sein Arbeitsverhältnis fanden aufgrund Organisationszugehörigkeit die Tarifverträge der Metall- und Elektroindustrie in Berlin und Brandenburg, Tarifgebiet II, Anwendung. Der Manteltarifvertrag für Angestellte enthält unter Ziffer 4.4 folgende Regelung:

„Wird einzelnen Beschäftigten während der Dauer der Kurzarbeit gekündigt, so hat er für die Dauer der Kündigungsfrist gegenüber dem Arbeitgeber Anspruch auf ungekürzte tarifliche oder vertragliche Entlohnung. Dieser Anspruch besteht nicht, wenn das Gehalt für die Dauer der Kündigungsfrist aus einer vorangegangenen Änderungskündigung bereits in voller Höhe vom Arbeitgeber gezahlt worden ist.”

Die Ziffer 4.4 MTV ist am 1.7.1991 in Kraft getreten. Hierzu haben die Tarifvertragsparteien unter dem 31.5.1991 (Blatt 78) folgendes vereinbart:

„Während der Geltung des § 63 Abs. 5 AFG (DDR) besteht die Verpflichtung des Arbeitgebers aus Ziff. 5.3 MTV-Arbeiter bzw. Ziffer 4.4 MTV-Angestellte nur, wenn Beschäftigte kein Kurzarbeitergeld erhalten.

Diese Regelung gilt nur, wenn zum 30.6.1991 ausgesprochene Kündigungen bereits zurückgenommen wurden oder zurückgenommen werden sowie beim Verzicht auf Kündigungen, die vor dem Auslaufen des § 63 Abs. 5 AFG (DDR) wirksam werden.”

Auf der Grundlage der Betriebsvereinbarung Nr. 1/93 (Blatt 64–69) hatte der Kläger von Januar bis Dezember 1993 kurzgearbeitet und erhielt für November 1993 Kurzarbeitergeld in Höhe von 1.636,24 DM und für Dezember 1993 in Höhe von 1.185,38 DM. Die ihm von der Gemeinschuldnerin erstellten Gehaltsabrechnungen weisen für diese Zeit ein Gehalt in Höhe von 3.569,00 DM brutto für November und in Höhe von 3.656,00 DM für Dezember aus (Blatt 19 u. 20). Mit Schreiben vom 28.6.1993, das ihm am 29.6.1993 zuging, kündigte die Gemeinschuldenerin sein Arbeitsverhältnis zum 31.12.1993.

Mit der am 31.1.1994 bei dem Arbeitsgericht Neuruppin eingegangenen Klage machte der Kläger die Zahlung ausstehender Arbeitsvergütung geltend. Im Verlauf des erstinstanzlichen Verfahrens reduzierte er die Klage auf die Zahlung der Gehälter für November und Dezember 1993 abzüglich des geleisteten Kurzarbeitergeldes.

Der Kläger hat vorgetragen, daß ihm aufgrund der Kündigung während der Kurzarbeit gemäß Ziffer 4.4 MTV das ungekürzte Gehalt zustehe. Ziffe 4.4 MTV finde auf seine Kündigung Anwendung. Dabei könne es nicht darauf ankommen, ob er am Tage des Kündigungszugangs gearbeitet oder aufgrund der Kurzarbeit der Arbeit fergeblieben sei.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 7.225,00 DM brutto abzüglich als Kurzarbeitergeld gezahlter 2.821,62 DM netto nebst 4. % Zinsen auf den sich hieraus ergebenden Nettobetrag seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Gemeinschuldnerin hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Gemeinschuldnerin hat den Anspruch bestritten. Aus Ziffer 4.4 MTV sei er nicht herzuleiten, weil der Kläger am Tag des Kündigungszugangs nicht kurzgearbeitet habe. Zudem sei Ziffer 4.4 MTV auf Kurzarbeit nach § 63 Abs. 1 AFG nicht aber nach § 63 Abs. 4 AFG anzuwenden. Für den Kläger sei jedoch § 63 Abs. 4 AFG eischlägig, weil er nicht als „einzelner Arbeitnehmer”, sondern wie insgesamt etwa 60 von 170 Arbeitnehmer im Rahmen einer Umstrukturierungsmaßnahme gekündigt worden sei.

Das Arbeitsgericht Neuruppin hat durch Urteil vom 21.7.1994 – 3 Ca 393/94 – die Klage abgewiesen. Zwar sei dem Kläger während der Kurzarbeit gekündigt worden, jedoch sei Ziffer 4.4 MTV auf sein Kündigung nicht anzuwenden.

Gegen das ihm am 23.8.1994 zugestellte Urteil hat der Kläger am 21.9.1994 Berufung eingelegt und nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist durch Beschluß vom 9.11.1994 zum 21.11.1994 am 18.11.1994 begründet. Zwischenzeitlich war durch Beschluß vom 1.9.1994 über das Vermögen der Gemeinschuldnerin das Gesamtvollstreckungsverfahren eröffnet und der Berufungsbeklagte als Gesamtvollstreckungsverwalter eingesetzt worden. Die daraufhin von dem Kläger am 17.10.1994 im Gesamtvollstreckungsverfahren angemeldete streitbefangene Forderung hat der Berufungsbeklagte nicht anerkannt. Der Kläger begehrt nunmehr die Feststellung der Forderung im Gesamtvollstreckungsverfahren gegen den Gesamtvollstreckungsverwalter.

Der Kläger vertieft seine bereits erstinstanzlich vorget...

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