Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsbedingte Kündigung: Freier Arbeitsplatz
Leitsatz (redaktionell)
1. Der Arbeitsplatz eines erkrankten Arbeitnehmers ist selbst dann nicht „frei”, wenn es wahrscheinlich ist oder gar feststeht, dass der erkrankte Arbeitnehmer nicht zurückkehren wird.
2. Bei dem Beschluss der Einigungsstelle handelt es sich nicht um eine zugangsbedürftige Willenserklärung. Auch einer förmlichen Zustellung bedarf es nach § 72 Abs. 4 PersVG Brandenburg nicht.
Normenkette
KSchG § 1 Abs. 2-3; LPersVG Brandenburg § 72
Verfahrensgang
ArbG Cottbus (Urteil vom 02.12.2003; Aktenzeichen 2 Ca 2102/03) |
Nachgehend
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Cottbus vom 02.12.2003 – 2 Ca 2102/03 – abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Die Revision wird für die Klägerin zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen betriebsbedingten Kündigung. Hilfsweise begehrt die Klägerin die Wiedereinstellung bei der Beklagten.
Die Beklagte beschäftigte die 53-jährige, verheiratete Klägerin seit dem 01.10.1993 zuletzt als Schulsachbearbeiterin der Grundschule I – F. – bei einer Arbeitszeit von 32 Stunden in der Woche. Die Klägerin erzielt eine Bruttomonatsvergütung in Höhe von 1.795 EUR. Die Klägerin war in die Vergütungsgruppe VIII Fallgruppe 1b der Anlage 1 a zum BAT-O eingruppiert und wurde aufgrund des Bewährungsaufstieges gem. Vergütungsgruppe VII Fallgruppe 1 c vergütet. Zunächst war in dem Arbeitsvertrag der Parteien die Vergütungsgruppe VII des BAT-O angegeben (vgl. Bl. 5 d.A.), aufgrund einer korrigierenden Rückgruppierung wurde die Klägerin gem. Vergütungsgruppe VIII BAT-O vergütet. Die Parteien vereinbarten die Anwendung des BAT-O und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträge für den Bereich der kommunalen Arbeitgeberverbände.
Die beklagte Stadt beschäftigte zusammen mit der Klägerin 7 Schulsachbearbeiterinnen, die alle in die Vergütungsgruppe VIII Fallgruppe 1 b der Anlage 1 a zum BAT-O mit Bewährungsaufstieg in die Vergütungsgruppe VII Fallgruppe 1 c eingruppiert waren. Unter anderem wurde die Sachbearbeiterin Frau R. beschäftigt, die seit August 2002 arbeitsunfähig erkrankt war. Die Beklagte setzte die bei ihr als Sachbearbeiterin mit der Vergütungsgruppe IV b der Anlage 1 a zum BAT-O beschäftigte Mitarbeiterin Frau E. für den Zeitraum der Erkrankung der Frau R. als deren Vertreterin ein. Frau R. teilte der Beklagten Anfang September 2003 mit, dass ihre Arbeitsunfähigkeit noch andauern werde, da sie sich einer Operation unterziehen werde. Weitere Einzelheiten dazu sind umstritten. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin teilte der Beklagten am 14.06.2004 mit, dass die erkrankte Mitarbeiterin Frau R., die der Prozessbevollmächtigte ebenfalls vertritt, ab dem 01.07.2004 eine befristete Erwerbsunfähigkeitsrente erhält. Die Beklagte beschäftigte weiterhin seit dem 01.09.2000 eine Sachbearbeiterin in dem von ihr gebildeten Sachgebiet Steuern, die 23 Jahre alt war. Diese Arbeitnehmerin war gem. Vergütungsgruppe VII, Fallgruppe 1a vergütet.
Am 04.12.2002 beschloss die Stadtverordnetenversammlung der Beklagten die Auflösung des Schulstandorts der K.-Grundschule und der Gesamtschule II mit Beendigung des Schuljahres 2002/2003. An diesem Schulstandort war eine Schulsachbearbeiterin mit einer Vollzeitstelle beschäftigt. Das Ministerium für Bildung Jugend und Sport des Landes Brandenburg genehmigte die Auflösung des Schulstandortes.
Die Beklagte entschloss sich, einer Schulsachbearbeiterin zu kündigen. Sie führte eine soziale Auswahl durch, in die sie sämtliche Schulsachbearbeiterinnen und die bei ihr beschäftigten anderen Sachbearbeiterinnen, die aufgrund des Bewährungsaufstiegs mit der Vergütungsgruppe VII, Fallgruppe 1 c der Anlage 1 a zum BAT-O vergütet wurden, einbezog. Ebenso bezog sie die erkrankte Frau R. in die Sozialauswahl ein. Die Beklagte bewertete die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltsverpflichtungen und eine evtl. Schwerbehinderung nach einem Punkteschema, wegen dessen Einzelheiten auf Blatt 21 – 22 der Akten verwiesen wird. Sie führte anschließend eine abschließende Bewertung der durch das Punkteschema getroffenen Auswahl durch.
Aufgrund der Ergebnisse der sozialen Auswahl entschloss sich die Beklagte, der Klägerin zu kündigen. Mit Schreiben vom 12.05.2003 bat die Beklagte den bei ihr gebildeten Personalrat im Rahmen des Mitbestimmungsverfahrens um Zustimmung zur Kündigung. Wegen des Inhalts des Schreibens wird auf Blatt 28 – 32 der Akten verwiesen. Mit Schreiben vom 22.05.2003 verweigerte der Personalrat die Zustimmung zur Kündigung.
Mit Schreiben vom 05.06.2003 rief die Beklagte die Einigungsstelle an und begehrte, die fehlende Zustimmung des Personalrates zur Kündigung zu ersetzen. In der Sitzung vom 26.08.2003 beschloss die Einigungsstelle die Zustimmung zur Kündigung ...