Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialplananspruch bei Abschluß eines Aufhebungsvertrags
Leitsatz (amtlich)
1. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch einen vom Arbeitgeber veranlaßten Aufhebungsvertrag schließt eine Sozialplanabfindung, die bei einer betriebsbedingten Arbeitgeberkündigung zu leisten ist, aus Gleichbehandlungsgründen nicht aus.
2. Eine Aufhebungsvereinbarung ist vom Arbeitgeber veranlaßt, wenn die Arbeitnehmer in einer Betriebsversammlung auf den bevorstehenden allgemeinen Personalabbau hingewiesen werden und sich der betroffene Arbeitnehmer zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses in Kurzarbeit „Null” befindet; ein konkreter Hinweis des Arbeitgebers auf eine Auflösung der Abteilung des betroffenen Arbeitnehmers ist genausowenig notwendig, wie ein solcher auf eine konkret bevorstehende Kündigung.
3. Ob eine Ausgleichsklausel in einem Auflösungsvertrag Abfindungsansprüche mitumfaßt, ist durch Auslegung zu ermitteln.
Normenkette
BetrVG §§ 75, 77 Abs. 4, §§ 112, 112a; BGB § 242
Verfahrensgang
ArbG Senftenberg (Urteil vom 11.06.1992; Aktenzeichen 5 Ca 971/92) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Senftenberg vom 11.06.1992 – 5 Ca 971/92 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Streitwert für das Berufungsverfahren: 12.067,00 DM.
Tatbestand
Der Kläger verlangt von der Beklagten die Zahlung einer Sozialplanabfindung.
Der 36 Jahre alte verheiratete Kläger war bei der Beklagten seit 01.09.1979 im Werksbereich B. und S. W. zuletzt als Projektingenieur beschäftigt. Sein Bruttogehalt belief sich auf monatlich 2.368,00 DM.
Der Kläger befand sich seit April 1991 in Kurzarbeit „O”. Mit Schreiben vom 10.07.1991 teilte die Beklagte dem Kläger folgendes mit (Bl. 8 d.A.):
Anordnung von Kurzarbeit
„Sehr geehrter Herr M.,
wie Ihnen sicherlich bekannt ist, ergeben sich auch für unseren Werksbereich W. im Rahmen der Anpassung des Unternehmens LAUBAG an marktwirtschaftliche Bedingungen, umfangreiche Veränderungen in der Auftragslage und Aufgabenstruktur.
Wir müssen Ihnen leider mitteilen, daß auch ihr Arbeitsplatz von diesen Maßnahmen betroffen ist. Mit Wirkung vom
15.07.1991
wird für Sie Kurzarbeit bzw. die Verlängerung der Kurzarbeit angeordnet. Der Anteil der Kurzarbeit an der Vollarbeitszeit beträgt:
100 Prozent
Aus gegenwärtiger Sicht wird diese Einschränkung unbefristet andauern.
In diesem Zusammenhang empfehlen wir Ihnen, sich bei Ihrem zuständigen Arbeitsamt zu Umschulungs- bzw. Weiterbildungsmaßnahmen zu informieren und diese auch zu nutzen.”
Ebenfalls unter dem 10.07.1991 beantragte der Kläger bei der Beklagten die einvernehmliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses, da er ab 15.07.1991 eine neue Arbeitsstelle antreten wollte (Bl. 92 d.A.). Unter dem 12.07.1991 schlossen die Parteien einen schriftlichen Aufhebungsvertrag, wonach das Arbeitsverhältnis mit dem 14.07.1991 endete. In der Vereinbarung heißt es weiter:
„Beide Vertragsparteien erklären ausdrücklich, daß damit alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis einschließlich derjenigen, die aufgrund der Beendigung des Arbeitsverhältnisses entstanden sind, erledigt sind,”
Unter dem 14.09.1991 beschlossen die Beklagte und der bei ihr gebildete Gesamtbetriebsrat einen Rahmensozialplan (Bl. 15 d.A.), der rückwirkend zum 01.01.1991 in Kraft trat. Gemäß § 1 Satz 1 gilt der Rahmensozialplan für Arbeitnehmer der LAUBAG, die nach dem 31.12.1990 von Rationalisierungs- oder Stillegungsmaßnahmen betroffen werden. Nach § 4 Satz 1 erhalten Arbeitnehmer, die aus betrieblichen Gründen gekündigt werden, eine einmalige Betriebsabfindung. In § 4 a.E. heißt es:
„Will ein aus betrieblichen Gründen gekündigter Arbeitnehmer während der Kündigungszeit ein neues Arbeitsverhältnis eingehen, wird LAUBAG einer Verkürzung der Kündigungsfrist zustimmen, die Betriebsabfindung wird nicht gekürzt.”
Der Kläger beantragte mit Schreiben vom 29.10.1991 bei der Beklagten unter Bezugnahme auf den Sozialplan u. a. die Betriebsabfindung nach § 4. Der Leiter des Geschäftsbereichs Personal in W. teilte ihm daraufhin im Januar 1992 zunächst mit, daß zwischen der Werksdirektion W. und dem Betriebsrat W. in Ergänzung zu dem Rahmensozialplan ein Interessenausgleich vereinbart worden sei, wonach die Beendigung des Arbeitsverhältnisses der von Kündigungen bedrohten Arbeitnehmer mit Aufhebungsvertrag bei Gleichstellung gegenüber entlassenen Arbeitnehmern erst ab 01.10.1991 vorgesehen sei. Damit seien entsprechend der Weisung der Hauptverwaltung Arbeitnehmer, die ihr Arbeitsverhältnis vor dem 01.10.1991 beendet hätten, für Sozialplanleistungen nicht anspruchsberechtigt. Unter dem 26.02.1992 stützte die Hauptverwaltung der Beklagten die Ablehnung von Sozialplanleistungen gegenüber dem Kläger darauf, daß ihm durch die Beklagte nicht gekündigt worden sei. Eine Weisung der Hauptverwaltung, wonach Leistungen aus dem Rahmensozialplan erst nach dem 01.10.1991 wirksam würden, sei nicht erteilt worden.
Die Abteilung, in der der Kläger tätig war, wurde endgültig zum 31.07.1992 au...