Verfahrensgang
ArbG Brandenburg (Urteil vom 27.03.1996; Aktenzeichen 3 Ca 3083/95) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Brandenburg an der Havel vom 27.03.1996 – 3 Ca 3083/95 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer mit Schreiben vom 28.09.1995 zum 31.12.1995 erklärten ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses der 48jährigen Klägerin, die seit dem 01.08.1988 als Erzieherin gegen ein monatliches Bruttoentgelt von 3.988,43 DM bei der beklagten Stadt beschäftigt ist.
Das Arbeitsgericht Brandenburg a.d.H. hat der Klage mit dem am 27.03.1996 verkündeten Urteil, auf dessen Tatbestand zur weiteren Darstellung des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes Bezug genommen wird (Bl. 87 bis 89 d.A.), stattgegeben und den Streitwert auf 11.965,29 DM festgesetzt. Zur Begründung, wegen deren Einzelheiten auf die Entscheidungsgründe des genannten Urteils Bezug genommen wird (Bl. 89 bis 94 d.A.) hat es im wesentlichen ausgeführt, die Kündigung sei wegen fehlerhafter Sozialauswahl sozial ungerechtfertigt, da zwar die anteilmäßige Personalreduzierung in den gebildeten Altersgruppen nicht zu beanstanden sei, die Integrationserzieherinnen jedoch zuunrecht als nicht vergleichbar angesehen worden seien.
Gegen dieses ihr am 26.04.1996 zugestellte Urteil hat die beklagte Stadt mit dem am 15.05.1996 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese – nach Verlängerung der Frist bis zum 15.07.1996 – am 15.07.1996 begründet.
Sie meint, eine zutreffende Sozialauswahl vorgenommen zu haben und trägt hierzu vor:
Die Integrationserzieherinnen seien mit den übrigen Erzieherinnen aufgrund ihres Aufgabengebietes nicht vergleichbar, da an sie aufgrund ihrer Arbeit mit verhaltensauffälligen, lern-, geistig- oder körperbehinderten Kindern in pädagogischer Hinsicht besondere Anforderungen gestellt, diese sorgfältig ausgesucht und langjährig in diesen Gruppen beschäftigt würden. Wie sich aus der eingereichten Übersicht der Integrationserzieher ergebe, hätten auch die Mehrzahl der Erzieherinnen Fortbildungskurse absolviert.
Jedenfalls lägen berechtigte betriebliche Bedürfnisse für eine Weiterbeschäftigung der „Integrationserzieher” vor, da die behinderten Kinder auf stabile und verläßliche Beziehungen angewiesen seien und ein Erzieherwechsel bei diesen Kindern Gefahren schaffen könnten, die in Über- und Unterforderung, Verlassenheitsängsten oder aggressiven Verhaltensmustern münden könnten, und mit hoher Streßbelastung verbunden sei.
Die beklagte Stadt beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Brandenburg a.d.H. vom 27.03.1996 – 3 Ca 3083/95 – abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung mit Rechtsausführungen und trägt im übrigen vor:
Bereits die von der Beklagten vorgenommene Aufteilung der Beschäftigten in drei Altersgruppen sei willkürlich, insbesondere im Hinblick auf den Schnitt zwischen den Altersgruppen 37/38 sowie 50/51 Jahre.
Die Erzieherinnen in Integrationsgruppen seien mit ihr vergleichbar, zumal diese ihre Zusatzqualifikationen als Stützerzieherinnen überwiegend im Jahr 1995 erworben haben, teilweise Erziehungshelferinnen eingesetzt werden und auch im Bereich der Integrationseinrichtungen eine Fluktuation zu verzeichnen und Ausfallzeiten durch die übrigen Erzieherinnen zu überbrücken seien.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens in der Berufungsinstanz wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1 ArbGG statthafte und nach dem Beschwerdewert gemäß § 64 Abs. 2 ArbGG zulässige Berufung der beklagten Stadt ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 66 Abs. 1 Satz 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 518, 519 Abs. 1 und 3 ZPO.
Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg, da die Klage zulässig und begründet ist und das Arbeitsgericht, ihr deshalb zurecht stattgegeben hat.
Die Kündigung, deren soziale Rechtfertigung aufgrund der Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes und der Einhaltung der dreiwöchigen Klagefrist, §§ 1 Abs. 1, 23 Abs. 1, 4 KSchG, gerichtlich überprüfbar ist, ist rechtsunwirksam, weil die beklagte Stadt soziale Gesichtspunkte bei der Auswahl nicht hinreichend berücksichtigt hat, § 1 Abs. 3 KSchG.
Es kann vorliegend dahingestellt bleiben, ob die Bildung von Altersgruppen überhaupt oder in der von der Beklagten vorgenommen Form zulässig war. Die Sozialauswahl ist bereits deshalb fehlerhaft, weil die Beklagte die Erzieherinnen in Integrationsgruppen nicht in die Sozialauswahl einbezogen hat.
Die Sozialauswahl ist von der Beklagten zunächst zutreffend betriebsbezogen, d.h. unter den Erzieherinnen und Erziehern aller städtischen Kindertagesstätten (Kitas) und Horte, vorgenommen worden. Rechtsirrig ist die Beklagte jedoch von einer fehlenden Vergleichbarkeit der Erzieherinne...