Entscheidungsstichwort (Thema)
Ordentliche tarifliche Unkündbarkeit. Betriebsübergang
Leitsatz (redaktionell)
1. Eine außerordentliche betriebsbedingte Beendigungskündigung gegenüber tariflich unkündbaren Arbeitnehmern ist i.d.R. unzulässig.
2. Für die Annahme einer rechtsmissbräuchlichen Ausübung des Widerspruchsrechts i.S.v. § 613a BGB ist die sich auf den Betriebsübergang berufende Partei darlegungs- und beweispflichtig. Allein die Tatsache, dass die Mehrheit der vom Betriebsübergang Betroffenen einen Widerspruch erklärt hat, reicht hierfür nicht aus.
Normenkette
TVG § 1; BGB §§ 626, 613a Abs. 6
Verfahrensgang
ArbG Cottbus (Urteil vom 17.02.2003; Aktenzeichen 4 Ca 1736/02) |
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen dasUrteil des Arbeitsgerichts Cottbus vom17. 2. 2003 – 4 Ca 1736/02 – wird zurückgewiesen.
2. Die Anschlussberufung wird als unzulässig verworfen.
3. Die Kosten des Rechtsstreit erster Instanz trägt der Kläger zu 1/7 und die Beklagte zu 6/7.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Berufungsklägerin zu 5/7 und der Berufungsbeklagte und Anschlussberufungskläger zu 2/7.
4. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer von der Beklagten ausgesprochenen Kündigung des mit dem Kläger bestehenden Arbeitsverhältnisses, nachdem dieser einem Betriebsübergang widersprochen hatte.
Der Kläger ist bei der Beklagten, einem Unternehmen des Zeitungs- und Verlagswesens mit regelmäßig ca. 330 Mitarbeitern, seit dem 01.06.1967 bei einem durchschnittlichen Bruttomonatsgehalt in Höhe von EUR 3.083,00 als Mitarbeiter im Bereich DTP der Abteilung Anzeigenverkauf/Kundenservice auf Teilzeitbasis mit wöchentlich 35 Stunden beschäftigt. Gemäß § 3 des Firmentarifvertrages vom 12.09.2000 sind betriebsbedingte Beendigungskündigungen während dessen Laufzeit ausgeschlossen. Ausweislich eines notariellen Vertrages vom 23.04.2002 errichtete die Beklagte gemeinsam mit der Firma Digitex Digitale Text- und Bildverarbeitung GmbH eine Gesellschaft unter der Firma „MSC Medien Service Cxxxxxx GmbH” (von nun an MSC), auf deren Stammkapital von EUR 50.000,00 die Beklagte eine Einlage von EUR 5.100,00 tätigte. Unter dem 23.04.2002 schloss die Beklagte mit der MSC einen Satzvertrag, eine Vereinbarung über die Übernahme des Teilbetriebs DTP der Beklagten. Unter dem 17.06.2002 schloss die Beklagte mit der MSC einen Mietvertrag über technische Geräte, Möbelausstattung und Software-Lizenzen.
Mit Schreiben vom 08.04.2002 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass der Bereich Auftragssteuerung am 01. Juni 2002 im Wege des Teilbetriebsübergangs in die neue Firma MSC übergehen werde. Nach weiteren Gesprächen übergab der Leiter des Bereichs DTP/ISDN am 30.04.2002 gleichlautende Widersprüche von 19 der insgesamt 21 Mitarbeiter dieses Bereichs an die Beklagte. Mit Schreiben vom 31.05.2002 wurde der Kläger von der Erbringung seiner Arbeitsleistung freigestellt. Die Beklagte hörte den bei ihr bestehenden Betriebsrat mit Schreiben vom 03.06.2002 zu einer beabsichtigten fristgemäßen betriebsbedingten Kündigung des Klägers an und auf dessen Bitte vom 10.06.2002 um ergänzende Informationen erneut am 14.06.2002 zu der beabsichtigten außerordentlichen betriebsbedingten Kündigung mit sozialer Auslauffrist. Mit Schreiben vom 25.06.2002 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger außerordentlich betriebsbedingt mit sozialer Auslauffrist, gegen die der Kläger am 12.07.2002 Kündigungsschutzklage einreichte.
Hinsichtlich einer weiteren Darstellung des unstreitigen Tatbestandes, dem weiteren Vorbringen der Parteien und ihrer Antragstellung in erster Instanz wird unter Hinweis auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils (Blatt 213 bis 220 d. A.) abgesehen. Die Beklagte traf mit dem bei ihr bestehenden Betriebsrat am 05.07.2002 eine Betriebsvereinbarung zum Ausgleich bzw. zur Milderung von wirtschaftlichen Nachteilen, die den Mitarbeitern infolge der Schließung des Betriebsteils DTP des Verlages entstehen.
Mit Urteil vom 17.02.2003 hat das Arbeitsgericht Cottbus – 4 Ca 1736/02 – der Klage stattgegeben und festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 25.06.2002 nicht aufgelöst worden ist, die Beklagte zur Weiterbeschäftigung des Klägers verurteilt und den weiteren allgemeinen Feststellungsantrag, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien unaufgelöst fortbestehe, abgewiesen. Im Wesentlichen hat es ausgeführt, dass durch den Firmentarifvertrag betriebsbedingte Beendigungskündigungen ausgeschlossen seien und keine Tatsachen vorliegen würden, aufgrund derer es der Beklagten nicht zugemutet werden konnte, am Arbeitsverhältnis bis zum Ablauf der Geltung des Firmentarifvertrages festzuhalten. Einem möglichen Teilbetriebsübergang habe der Widerspruch des Klägers entgegengestanden.
Mit Schreiben vom 28.02.2003 sprach die Beklagte vorsorglich, ausschließlich hilfsweise eine außerordentliche Kündigung aus dringenden betrieblichen Gründen mit Auslauffrist aus, gegen die sich der Kläg...