Entscheidungsstichwort (Thema)

Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit betreffend die Freistellung eines oder mehrerer Betriebsratsmitglieder zum Zwecke der Teilnahme an einer Schulung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Bei dem Streit um die Freistellung eines Betriebsratsmitgliedes zum Zwecke der Teilnahme an einer Schulung im Sinne des § 37 Abs. 6 BetrVG handelt es sich um einen nichtvermögensrechtlichen Verfahrensgegenstand im Sinne von § 23 Abs. 3 Satz 2 Alt. 2 RVG.

2. Im Regelfall ist bei einer streitigen Freistellung für eine Schulung von einer Woche (= 5 Schulungstage) der volle in § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG genannte Auffangwert anzunehmen, so dass für einen Tag der Freistellung für eine Schulung 1/5 des Ausgangswertes (derzeit € 1.000,00) anzusetzen ist.

3. Für den Fall, dass der Betriebsrat die Freistellung mehrerer Mitglieder zur Teilnahme an einer Schulungsveranstaltung begehrt, ist es regelmäßig angemessen, für das erste betroffene Betriebsratsmitglied den vollen vorgenannten Wert anzunehmen und für jedes weitere betroffene Betriebsratsmitglied einen Aufschlag in Höhe von jeweils einem Viertel des Ausgangswertes.

 

Normenkette

BetrVG § 37 Abs. 6, 2; RVG § 23 Abs. 3 S. 2 Alt. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Bremen-Bremerhaven (Entscheidung vom 15.04.2016; Aktenzeichen 5 BV 502/16)

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Prozessbevollmächtigten der Beteiligten zu 1) und 3) wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Bremen-Bremerhaven vom 15. April 2016 - Az.: 5 BV 502/16 abgeändert.

Der Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit wird auf € 3.750,00 festgesetzt.

Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet zurückgewiesen.

Diese Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.

 

Gründe

I.

Mit seinem am 19. Januar 2016 beim Arbeitsgericht Bremen-Bremerhaven eingereichten Antrag begehrte der Beteiligte zu 1) Folgendes:

Die Arbeitgeberin wird verpflichtet, die Vorsitzende des Betriebsrats, S. Sch. sowie das Betriebsratsmitglied, D. E. (Beteiligter zu 3) für die Teilnahme an dem Seminar des Veranstalters P. vom 26.04.2016 bis 28.04.2016 in Frankfurt/Main von der Arbeitspflicht freizustellen.

Mit Schriftsatz vom 25. Februar 2016 hat der Beteiligte zu 1) den Antrag zurückgenommen, woraufhin das Verfahren durch Beschluss des Arbeitsgerichts Bremen-Bremerhaven vom 25. Februar 2016 eingestellt wurde.

Auf Antrag des Prozessbevollmächtigten der Beteiligten zu 1) und 3) hat das Arbeitsgericht Bremen-Bremerhaven durch Beschluss vom 15. April 2016 den Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit auf € 772,00 festgesetzt. Bei dem Verfahrensgegenstand der begehrten Freistellung nach § 37 Abs. 6 BetrVG zur Teilnahme an einer Schulungsveranstaltung handele es sich um eine vermögensrechtliche Streitigkeit im Sinne von § 23 RVG. Die Fortzahlung der Vergütung sei zwar nicht explizit Gegenstand des Verfahrens gewesen, die Frage der Freistellung nach § 32 Abs. 6, 37 Abs. 2 BetrVG hänge aber untrennbar mit der Frage der Fortzahlung der Vergütung für diesen Zeitraum zusammen. Daher sei die Vergütung der betroffenen Betriebsratsmitglieder für den Zeitraum der begehrten Freistellung maßgeblich für den Gegenstandswert. Wegen der Einzelheiten der Begründung durch das Arbeitsgericht wird auf Bl. 39 f. d. A. Bezug genommen.

Gegen diesen ihm 21. April 2016 zugestellten Beschluss hat der Prozessbevollmächtigte der Beteiligten zu 1) und 3) am 02. Mai 2016 Beschwerde beim Arbeitsgericht Bremen-Bremerhaven eingelegt und die Festsetzung eines Gegenstandswerts in Höhe von 5.000,00 Euro begehrt.

Durch Beschluss vom 22. Juli 2016 hat das Arbeitsgericht der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Landesarbeitsgericht vorgelegt.

Der Prozessbevollmächtigte der Beteiligten zu 1) und 3) ist der Auffassung, dass der begehrte Anspruch auf Freistellung weder auf vermögensrechtlichen Beziehungen beruhe noch auf Geld oder Geldeswert gerichtet sei. Der Gegenstandswert sei daher nach § 23 Abs. 3 RVG zu bestimmen und damit mit 5.000,00 €, nach Lage des Falles niedriger oder höher anzunehmen. Bei dem Freistellungsbegehren gehe es dem Betriebsrat nicht vordringlich um die Zahlung der Vergütung für die Dauer der Freistellung und ebenso wenig um die Tragung der Seminarkosten. Mit dem Freistellungsbegehren solle vielmehr die ordnungsgemäße Durchführung der Betriebsratsarbeit gesichert werden, indem die Seminarteilnahme zum Zwecke der für die Betriebsratsarbeit notwendigen Wissensaneignung durchgesetzt werde. Nicht maßgeblich sei das gegebenenfalls vordergründig wirtschaftliche Interesse der Arbeitgeberin an dem vorliegenden Verfahren, da nach der zutreffenden Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bei der Bestimmung des Streitwerts stets von dem Interesse des Antragstellers auszugehen sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die an sich statthafte, insgesamt zulässige Beschwerde ist teilweise begründet.

Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts ist der Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit für das Beschlussverfahren auf € 3.750,00 festzusetzen.

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