Leitsatz (amtlich)
1. Auch das Zwangsvollstreckungsverfahren wird gem. § 240 ZPO unterbrochen, wenn über das Vermögen des Gläubigers der Konkurs eröffnet worden ist.
2. In einer Stellungnahme zu einem Antrag des Schuldners auf Einstellung der Zwangsvollstreckung, die von dem Prozeßbevollmächtigten der Gemeinschuldnerin „im Auftrag des Konkursverwalters” abgegeben wird, kann die Aufnahme des durch den Konkurs unterbrochenen Zwangsvollstreckungsverfahrens liegen.
3. Betreibt der Konkursverwalter die Zwangsvollstreckung aus einem zu Gunsten der Gemeinschuldnerin ergangenen Urteils weiter, ist auf Antrag des Schuldners, der Berufung eingelegt hat, die Zwangsvollstreckung nach § 62 Abs. I S. 3 ArbGG in Verbindung mit § 719 ZPO einzustellen, wenn nicht sichergestellt ist, daß die Masse ausreicht, um einen Rückforderungsanspruch des Schuldners bei Obsiegen in der zweiten Instanz zu befriedigen, zumal die Rückforderungsansprüche Masseschulden nach § 59 Abs. I Ziff. 4 KO sind und deshalb nach § 60 KO im Falle der Masseunzulänglichkeit erst nach den Masseschulden des § 51 Abs. I Nr. 1, 2 KO und den Massekosten nach § 58 Nr. 1 + 2 KO zusammen mit den Masseschulden nach § 59 Abs. I Nr. 3 berichtigt werden.
Verfahrensgang
ArbG Bremen (Urteil vom 29.01.1998; Aktenzeichen 6 Ca 6427/97) |
Tenor
Die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des Arbeitsgerichts Bremen vom 29.01.1998 – 6 Ca 6300, 6291 + 64727/97 – wird einstweilen eingestellt.
Tatbestand
I
Das Arbeitsgericht Bremen verkündete am 29.01.1998 folgendes Urteil:
- Die Klage wird abgewiesen.
- Auf die Widerklage hin wird der Kläger verurteilt, an die Beklagte DM 2.771,17 nebst 4 % Zinsen ab 14.07.1997 zu zahlen; die weitergehende Zahlungsklage wird abgewiesen.
- Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.
- Der Streitwert beträgt DM 5.237,67.
Aus diesem Urteil hat die Beklagte und Widerklägerin die Zwangsvollstreckung eingeleitet und ein vorläufiges Zahlungsverbot bei dem neuen Arbeitgeber des Klägers, der bis zum 18.06.1998 bei der Beklagten tätig war, erwirkt.
Am 07.07.1998 wurde über das Vermögen der Beklagten das Konkursverfahren eröffnet durch Beschluß des Amtsgerichts Bremen – 40 N 171 und 185/98 Zum Konkursverwalter wurde der Rechtsanwalt Uwe Kuhmann bestellt.
Mit Schriftsatz vom 17.07.1998, gerichtet an das Arbeitsgericht Bremen, hat der Kläger beantragt,
die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil einstweilen einzustellen.
Zur Begründung hat der Kläger auf das Konkursverfahren und die Gefährdung einer Rückforderung verwiesen. Außerdem hat er vorgetragen, er habe noch Forderungen gegen die Beklagte. So sei ihm sein Lohn für Mai und Juni 1998 nicht gezahlt. Das Arbeitsgericht Bremen hat den Antrag auf Einstellung der Zwangsvollstreckung zuständigkeitshalber an das Landesarbeitsgericht Bremen abgegeben.
Die Prozeßbevollmächtigten der Beklagten haben mit Schriftsatz vom 28.07.1998 angezeigt, daß sie im Auftrag des Konkursverwalters die Rechte der Beklagten wahrnehmen. Sie haben gemeint, die Voraussetzungen für eine Einstellung der Zwangsvollstreckung lägen nicht vor und beantragt,
den Antrag auf Einstellung der Zwangsvollstreckung zurückzuweisen.
Der Konkursverwalter ist dann der Auffassung, daß, wenn die Widerklage abgewiesen werden sollte, der Kläger einen bevorrechtigten Anspruch gegen die Masse hätte. Es könne derzeit nicht erwartet werden, daß dieser Anspruch nicht befriedigt werden könne. Denn anderenfalls hätte der vorab als Sequester tätige Konkursverwalter dem Konkursgericht angezeigt, daß nicht hinreichend Masse vorhanden ist, um das Konkursverfahren durchzuführen.
Entscheidungsgründe
II
Der Antrag des Klägers ist zulässig und begründet:
1. Auch das Zwangsvollstreckungsverfahren ist durch die Konkurseröffnung unterbrochen, § 240 Abs. 1 ZPO (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 20. Aufl., § 250 Rz. 4 a; Münchener Kommentar zur ZPO – Feiber § 240 Rz. 4).
Die Kammer sieht den Schriftsatz der Prozeßbevollmächtigten der ehemaligen Beklagten jedoch als Wiederaufnahme des Zwangsvollstreckungsverfahrens an, da sie mitgeteilt haben, daß der Konkursverwalter Auftrag gegeben hat, „die Rechte der Beklagten” wahrzunehmen, was allerdings nur heißen kann, daß er die Prozeßbevollmächtigten beauftragt hat, seine eigenen Rechte wahrzunehmen, da er nunmehr Beklagter sein wird, wenn auch das Erkenntnisverfahren wieder aufgenommen wird. Jedenfalls ist er Gläubiger der Widerklagforderung.
2. Nach § 62 Abs. 1 ArbGG kann auch in den Fällen des § 719 Abs. 1 ZPO die Zwangsvollstreckung aus einem nicht rechtskräftigen Urteil nur dann eingestellt werden, wenn der Widerbeklagte glaubhaft macht, daß die Vollstreckung ihm einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde. Bei der Beurteilung, ob ein nicht zu ersetzender Nachteil für den Widerbeklagten gegeben ist, ist grundsätzlich ein strenger Maßstab anzulegen, wobei das Sicherungsbedürfnis des Gläubigers und die Belange des Schuldners sowie die Gefahr nicht zu ersetzender Nachteile gegeneinander abzuwägen sind (ständige Rechtsprechung des LAG Bremen seit EzA § 62 ArbG...