Entscheidungsstichwort (Thema)

Auslegung. Tarifvertrag. Ergebnisniederschrift

 

Leitsatz (redaktionell)

1. § 9 TV SR enthält keine tarifvertragliche Regelung, dass der Arbeitgeber vor dem Implementierungszeitpunkt vorhandene Arbeitsplätze in eigener Organisationshoheit ohne Beachtung betriebsverfassungsrechtlicher Normen zu neuen, zum Implementierungszeitpunkt dann ebenfalls vorhandenen Arbeitsplätzen macht.

2. Eine von den Tarifvertragsparteien veröffentlichte Ergebnisniederschrift muss den tarifvertraglichen Formvorschriften genügen, um als Tarifvertragsteil gelten zu können. Sie kann nicht als Auslegungshilfe herangezogen werden, um ein widerstreitendes Ergebnis zum Tarifvertrag zu erhalten.

 

Normenkette

TVG § 1; TV SR § 9

 

Verfahrensgang

ArbG Bremen (Urteil vom 11.02.2004; Aktenzeichen 7 Ca 7354/03)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 28.06.2006; Aktenzeichen 10 AZR 359/05)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bremen vom 11.02.2004 – Az. 7 Ca 7300 54/04 – wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass unter teilweiser Abänderung des Urteils festgestellt wird, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger ab dem 01.01.2003 nach der Entgeltgruppe T 6 Stufe 2, ab dem 01.07.2003 nach der Entgeltgruppe T 6 Stufe 3 und ab dem 01.07.2004 nach der Entgeltgruppe T 6 Stufe 4 des Entgeltrahmentarifvertrages (ERTV) vom 01.07.2001 zu vergüten und die anfallenden Bruttonachzahlungsbeträge zwischen der Entgeltgruppe T 4 ERTV einschließlich gezahlter Umstellungs- und Ausgleichszahlungen ab dem 13.08.2004 beziehungsweise den späteren Fälligkeitszeitpunkten an mit 5% Jahreszinsen über dem Basiszinssatz zu verzinsen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 50% und die Beklagte zu 50%.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Parteien ist streitig, nach welcher Vergütungsgruppe der Kläger zu vergüten ist, nachdem bei der Beklagten ein neues tarifvertragliches Vergütungssystem eingeführt worden ist.

Der am 27.11.1955 geborene und ledige Kläger ist seit dem 01.10.1973 bei der Beklagten bzw. der Rechtsvorgängerin beschäftigt.

Auf das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien finden kraft arbeitsvertraglicher Inbezugnahme die bei der Beklagten geltenden Tarifverträge Anwendung. Bis zum 30.06.2001 galt danach der Tarifvertrag Arbeiter. Der Kläger war ab dem 01.02.1999 in der Lohngruppe 8 TV Arb eingruppiert. Nach einer Versetzung Ende 1999 erhielt der Kläger im Rahmen der „Reorganisation der Zentrale und der zentralen Aufgaben im Bereich der …” einen „Personalposten”, der die Aufgabenträgernummer 477 87 trägt.

Bei der Beklagten wurde ab 01.07.2001 ein neues Bewertungs- und Bezahlungssystem (NBBS) bestehend aus Manteltarifvertrag, Entgeltrahmentarifvertrag und Tarifvertrag über Sonderregelungen eingeführt. Zwischen den Parteien ist im Wesentlichen umstritten, ob der Arbeitsplatz des Klägers von einer tariflichen, auf Aufgabenträgernummern Bezug nehmenden Transferliste erfasst wird, die automatisch den Kläger in die von ihm beantragte Vergütungsgruppe führt, oder ob die Tätigkeit des Klägers ausschließlich nach den neuen tarifvertraglichen Vergütungsmerkmalen zu bewerten ist.

Nach dem neuen Entgeltrahmentarifvertrag (ERTV) wird eine Tätigkeit durch eine Bewertungskommission unter Anwendung der Tätigkeitsmerkmale und Richtbeispiele bewertet. Das Ergebnis dieser Bewertung ist die Zuordnung der Tätigkeit zu einer Entgeltgruppe (§ 4 ERTV). Nach § 5 Absatz 1 ERTV erstellt der Arbeitgeber einen Vorschlag zur Zuordnung der Tätigkeit unter Anwendung der Tätigkeitsmerkmale und Richtbeispiele einer Entgeltgruppe. Der betroffene Arbeitnehmer und der Betriebsrat können innerhalb einer Frist von zwei Wochen geltend machen, dass die Tätigkeit einem anderen Tätigkeitsmerkmal beziehungsweise Richtbeispiel zuzuordnen ist oder dass der Arbeitnehmer eine andere Tätigkeit ausübt, die einem anderen Tätigkeitsmerkmal beziehungsweise Richtbeispiel zuzuordnen ist. Es entscheidet dann eine Bewertungskommission. Wegen der weiteren Einzelheiten der Ausgestaltung des Bewertungsverfahrens einer Tätigkeit wird auf § 5 des ERTV verwiesen.

Von diesem Grundsatz macht der Tarifvertrag über Sonderregelungen (TV SR) für die Dauer des Arbeitsverhältnisses der Mitarbeiter, die am 30.06.2001 schon und am 01.07.2001 noch in einem Arbeitsverhältnis zur Beklagten stehen, dann eine Ausnahme, wenn sie auf bereits vorhandenen Arbeitsplätzen tätig sind und diese von einer Transferliste, der Anlage 1 zum TV SR, erfasst werden. Zwischen den Parteien ist streitig, ob dem Arbeitsplatz des Klägers die Aufgabenträgernummer 477 87 zugeordnet ist, die in der Transferliste ausdrücklich genannt ist und in die Entgeltgruppe T 6 übergeleitet wird.

Im Einzelnen regelt § 9 TV SR folgendes:

§ 9 Verfahrensablauf der Bewertung bei Implementierung

(1) Abweichend von dem in § 5 ERTV geregelten Bewertungsverfahren gelten bei der Erstanwendung des ERTV für die zum Implementierungszeitpunkt (25. Juni 2001) bereits vorhandenen Arbeitsplätze die nachfolgend aufgeführten Rege...

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