Entscheidungsstichwort (Thema)
Engeltrahmentarifvertrag. Transferliste. Bindungswirkung der Transferliste. Eingruppierungsfeststellungsklage. Ausschlussfrist
Leitsatz (redaktionell)
1. Auch im Bereich der Privatwirtschaft ist eine Eingruppierungsfeststellungsklage zulässig.
2. Legen die Tarifvertragsparteien anlässlich der Einführung des ERTV eine Transferliste verbindlich fest, so ist der Arbeitgeber nicht berechtigt hiervon einseitig im Wege des Direktionsrechts abzuweichen.
Normenkette
ZPO § 256; TV SR § 9; ERTV § 5; ERTV § 6
Verfahrensgang
ArbG Bremen (Urteil vom 29.04.2004; Aktenzeichen 5 Ca 5637/03) |
Tenor
Auf die Anschlussberufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Bremen vom 29. April 2004 – Az. 5 Ca 5637/03 – teilweise abgeändert und mit Rücksicht auf die Präzisierung des Klagantrags – insgesamt wie folgt neu gefasst:
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger seit dem 01.05.2003 nach der Entgeltgruppe T6 Stufe 1 des Entgeltrahmentarifvertrages (ERTV) vom 01.07.2001 zu vergüten und die anfallenden monatlichen Bruttonachzahlungsbeträge zwischen der Entgeltgruppe T4 und T6 ERTV ab dem 09.12.2003 bzw. den späteren Fälligkeitszeitpunkten an mit 5 % Jahreszinsen über dem Basiszinssatz zu verzinsen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Berufung der Beklagten wird als unbegründet zurückgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits in der ersten Instanz trägt der Kläger 11/18, die Beklagte 7/18. Die Kosten des Rechtsstreits in der zweiten Instanz trägt die Beklagte.
Die Revision wird gegen dieses Urteil zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Parteien ist streitig, nach welcher Vergütungsgruppe der Kläger zu vergüten ist.
Der am 18.09.1950 geborene und verheiratete Kläger, der eine volljährige Tochter hat, ist seit dem 01.05.1973 bei der Beklagten bzw. der Rechtsvorgängerin beschäftigt.
Am 01.09.1999 unterzeichnete der Kläger eine Erklärung zur Personalumsetzung im Rahmen der Reorganisation der Zentrale und der zentralen Aufgaben: A-Fall (Bl. 150 d. A.).
Bei der Beklagten wurden Tarifvertragsverhandlungen im Rahmen der Einführung eines neuen Bewertungs- und Bezahlungssystems (NBBS) geführt. Mit Schreiben vom 23.02.2001 informierte die Zentrale der Beklagten, Bonn den Betrieb Zentraler Service, H. über die Organisationsänderung des Betriebs ZS. Wegen der Einzelheiten des Schreibens wird auf Bl. 104 – 111 d. A. Bezug genommen. Mit Schreiben vom 12.03.2001 informierte die Zentrale der Beklagten die Abteilung Zentraler Service über die Änderung von Aufgabenträgernummern. Wegen der Einzelheiten des Schreibens wird auf Bl. 67 f d. A. verwiesen. Dementsprechend wurde von der Beklagten mit Wirkung vom 18.06.2001 die Organisationsrichtlinie für die Aufbauorganisation der Aufgabengruppen des Zentraler Service – Aufgabenbereich 477 xx (Bl. 115 – 119 d. A.) – geändert. Die Beklagte bietet ihren Mitarbeitern ein IV-System (INTRANET) an, in dem alle gültigen und aktuellen Organisationsrichtlinien eingesehen werden können.
Der Kläger erhielt mit Datum vom 05.04.2001 von der Beklagten folgendes Schreiben (Bl. 14 d. A.):
„Sehr geehrter Herr …K. …,
nachdem der Betriebsrat der Transferliste zur personellen Umsetzung der Neuorganisation des Zentralen Service zugestimmt hat, werden Sie mit Wirkung vom 01.01.2001 wie folgt eingesetzt:
Gruppe: |
Pd 27 |
Aufgabenträgernummer: |
47787 |
Aufgabenträger: |
Technischer Sachbearbeiter |
Bewertung des Persp: |
A7 Ft |
Mit Ihrer Unterstützung und der Neuausrichtung des Zentralen Service wollen wir den Markterfolg unseres Betriebes steigern und die Kundenorientierung verbessern. Wir freuen uns auf eine weiterhin gute Zusammenarbeit.
Dieses Schreiben wurde anhand der Transferliste (Stand: 23.03.2001) maschinell erstellt und trägt keine Unterschrift. Zwischenzeitliche Änderungen sind nicht enthalten. Sollten Sie Rückfragen haben, wenden Sie sich bitte an das Personalmanagement.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr Personalmanagement”
Bei der Beklagten wurde ab 01.07.2001 ein neues Bewertungs- und Bezahlungssystem bestehend aus Manteltarifvertrag, Entgeltrahmentarifvertrag und Tarifvertrag über Sonderregelungen eingeführt. Der Tarifvertrag über Sonderregelungen hat auszugsweise folgenden Wortlaut:
Ӥ 1 Geltungsbereich
Dieser Tarifvertrag gilt für Arbeitnehmer der D. T. …, die am 30. Juni 2001 schon und am 01.07.2001 noch in einem Arbeitsverhältnis zur D. T. … AG stehen, für die Dauer dieses bestehenden Arbeitsverhältnisses.
…
§ 9 Verfahrensablauf der Bewertung bei Implementierung
(1) Abweichend von dem in § 5 ERTV geregelten Bewertungsverfahren gelten bei der Erstanwendung des ERTV für die zum Implementierungszeitpunkt (25. Juni 2001) bereits vorhandenen Arbeitsplätze die nachfolgend aufgeführten Regelungen:
(2) Der Arbeitgeber ordnet anhand der von den Tarifvertragsparteien erstellten Transferliste (Anlage 1) die Tätigkeiten einem Tätigkeitsmerkmal und somit einer Entgeltgruppe zu.
(3) Der Arbeitgeber teilt dem betreffenden Arbeitnehmer und dem Betriebsrat die vorgeschlagene Eingruppierung bzw. Zuordnung...