Entscheidungsstichwort (Thema)

Befristet Beschäftigte. Ungleichbehandlung befristet beschäftigter Arbeitnehmern. Gewährung tariflicher Besitzstandszulagen

 

Leitsatz (redaktionell)

§ 23 Entgelttarifvertrag für Arbeiter der Deutschen Post AG vom 20.10.2000 ist unwirksam, soweit er befristet beschäftigte Arbeitnehmer von der Zahlung von Besitzstandszulagen ausschließt, die sowohl am 31.12.2000 als auch am 01.01.2001 in einem befristeten Arbeitsverhältnis stehen.

 

Normenkette

TVG § 1 Abs. 1; TzBfG § 22 Abs. 1, § 4 Abs. 2; GG Art. 9 Abs. 3, Art. 3 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Bremen (Urteil vom 14.02.2002; Aktenzeichen 5 Ca 5238/01)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen dasUrteil desArbeitsgerichts Bremen vom14.02.2002 – Az.5 Ca 5238/01 – wird – soweit es die Klägerin zu 2) in 1. Instanz betrifft – zurückgewiesen.

Ziffer 1 des Urteils wird zur Klarstellung wie folgt neu gefaßt:

Die Klägerin hat ab dem 01.01.2001 Anspruch auf Zahlung einer

  1. Besitzstandszulage Lohn nach § 24 i.V.m. Anlage 6 und
  2. Besitzstandszulage Zuschläge nach § 25 i.V.m. Anlage 9 Dritter Teil des Entgeltstarifvertrages (ETV-Arb) Nr. 75 d.

Die Kosten der Berufung trägt die Beklagte.

Die Revision für die Beklagte wird zugelassen.

 

Tatbestand

Mit ihrer Klage macht die Klägerin Ansprüche auf tarifliche Besitzstandszulagen geltend.

Die Klägerin ist seit dem 8.2.1995 mit kurzen Unterbrechungen bei der Beklagten, Niederlassung Produktion Brief Bremen, als Briefverteilerin teilzeitbeschäftigt. Das Arbeitsverhältnis war zuletzt bis zum 30.4.2001 durch den Arbeitsvertrag vom 19.10.2000 (Bl. 6 f d. A.) befristet. Seit dem 01.05.2001 besteht zwischen den Parteien aufgrund des schriftlichen Arbeitsvertrages vom 4.4.2001 (Bl. 14 d.A.) ein unbefristetes Arbeitsverhältnis mit 15 Wochenarbeitsstunden, wie im vorhergehenden Arbeitsvertrag vereinbart.

Auf das Arbeitsverhältnis findet kraft beiderseitiger Tarifbindung der Manteltarifvertrag für Arbeiter (MTV-Arb) TV Nr. 75 d Anwendung, welcher am 28.04.2000 abgeschlossen wurde. Mit dem TV Nr. 75 d Erster Teil wurden zum 31.12.2000 die Bestimmungen des Tarifvertrages für die Arbeiter der D. P. AG (TV Arb) außer Kraft gesetzt. Damit verbunden war eine deutliche Absenkung der Grundvergütung für ab dem 01.01.2001 eingestellte Arbeiterinnen und Arbeiter bei gleichzeitiger Einführung von Leistungslohnelementen.

Der Minderverdienst der Klägerin betrug im Jahr 2001 EUR 3083,62 gegenüber 2000 (vgl. deren Aufstellung Bl. 114 f d.A.).

Für diese Einkommensminderung sehen die §§ 23 ff ETV-Arb (Dritter Teil des TV Nr. 75 d) unter bestimmten Voraussetzungen einen Ausgleich vor. § 23 ETV-Arb lautet:

㤠23

Geltungsbereich für § 24 und § 25

Für Arbeiter, die am 31.12.2000 bereits und am 01.01.2001 noch in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis zur D. P. AG standen und stehen, finden die Regelungen der §§ 24 und 25 für die Dauer dieses Arbeitsverhältnisses Anwendung.”

Die §§ 24 und 25 ETV-Arb normieren Ansprüche auf die Besitzstandszulagen „Lohn” (§ 24) und „Zuschläge” (§ 25) und verweisen jeweils auf Anlagen.

Zuvor hatten die Tarifvertragsparteien das sog. Petersberger Eckpunktepapier vom 21.03.2000 vereinbart, in dem u.a. festgelegt wurde, dass bis zum 31.12.2003 keine Fremdvergabe von Zustellbezirken durch die Beklagte erfolgte, der Fremdbetrieb von Paketzustellbezirken nach dem 31.12.2000 zum frühestmöglichen Zeitpunkt beendet wurde, bis zum 31.12.2004 betriebsbedingte Kündigungen ausgeschlossen sein sollten und 1.200 befristet Beschäftigte in unbefristete Arbeitsverhältnisse übernommen werden sollten. In der Folgezeit nach der Unterzeichnung des sog. Petersberger Eckpunktepapiers traten die Beklagte und die D. P gewerkschaft zu einer Reihe von Tarifverhandlungen zusammen, die zum Abschluss der Tarifverträge Nr. 75 a, 75 b und 75 c, die u.a. Regelungen zur Arbeitszeit, zu Ruhetagen und zur Überzeitarbeit enthalten, führten. Ferner kam es zum Abschluss des Tarifvertrages Nr. 75 e, durch den im Wesentlichen der Ausschluss betriebsbedingter Beendigungskündigungen für die Zeit bis zum 31.12.2004 geregelt wurde, des Tarifvertrags Nr. 75 f, der eine Reihe von Tarifverträgen änderte, sowie des Vertrags zum Ausschluss der Fremdvergabe von Zustellbezirken, in dem die Fremdvergabe von Zustellbezirken bis zum 31.12.2003 ausgeschlossen und die frühestmögliche Beendigung des Fremdbetriebs von Paketzustellbezirken für die Zeit nach dem 31.12.2000 angeordnet wurde.

Darüber hinaus vereinbarten die Beklagte und die D. P gewerkschaft unter dem 20.10.2000 den Tarifvertrag Nr. 75 d, dessen Zweiter Teil den Manteltarifvertrag für Arbeiter (MTV-Arb) und dessen Dritter Teil den Entgelttarifvertrag (ETV-Arb), jeweils mit Wirkung zum 01.01.2001, in Kraft setzte.

Im Hinblick darauf, dass ihr Arbeitsverhältnis vor den in § 23 ETV-Arb genannten Stichtagen befristet war, erhielt die Klägerin in der Folgezeit keine Besitzstandszulagen.

Die Beklagte erklärte in der mündlichen Verhandlung vor dem Arbeitsgericht Bremen, dass sie rechtskräftige Feststellungsurteile akzeptieren und entspre...

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