Entscheidungsstichwort (Thema)

Gemeinschaftsbetrieb. Auflösung eines Betriebs durch Liquidation

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Auflösung eines Gemeinschaftsbetriebes durch Kündigung kann auch konkludent erfolgen, z.B. dadurch, dass eines von zwei an einem Gemeinschaftsbetrieb beteiligten Unternehmen seine Liquidation beschließt, allen seinen Arbeitnehmern kündigt und die Liquidation tatsächlich einleitet.

2. In der Liquidation und der Auflösung der Betriebsgemeinschaft ist ein betriebsbedingter Grund für die Kündigung der Arbeitsverhältnisse des sich in Liquidation befindlichen Betriebes zum geschätzten Zeitpunkt der Einstellung des Betriebes zu sehen, auch wenn die Arbeitnehmer bis zum Ablauf der Kündigungsfrist andere Tätigkeiten für den Gemeinschaftsbetrieb als die, die durch die Liquidation eines Unternehmens des aus zwei Unternehmen bestehenden Gemeinschaftsbetriebes entfallen, verrichten.

3. Die Schaffung eines Gemeinschaftsbetriebes führt nicht dazu, dass im Falle seiner Auflösung durch Liquidation eines Betriebes dem verbleibenden Betrieb, der nicht Arbeitgeber ist, neue Arbeitnehmer aufgezwungen werden können, auch nicht, wenn die – gekündigten – Arbeitnehmer des liqudierten Betriebes überwiegend Tätigkeiten verrichten, die in dem verbleibenden Betrieb des ehemaligen Gemeinschaftsbetriebes auch weiterhin anfallen.

 

Normenkette

KSchG § 1 Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Bremen (Urteil vom 20.03.2002; Aktenzeichen 7 Ca 7530/01)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bremen vom 20.03.2002 – Az.: 7 Ca 7530/01 – wird auf seine Kosten als unbegründet zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung.

Der am 14.03.1964 geborene, verheiratete und einem Kind gegenüber unterhaltspflichtige Kläger war seit dem 01.04.1995 bei der Beklagten zu 1) als Vertriebsmitarbeiter beschäftigt. Sein Aufgabengebiet umfasste den Bereich Materialeinkauf, telefonischer Verkauf und Kundenbesuche im jeweiligen Betrieb des Kunden, Auftragsabwicklung per EDV und Koordination des Materialversandes.

Ob und in welchem Umfang der Kläger mit der Rechnungserstellung an die Kunden bei der Beklagten und mit der Neukundenakquisition für beide Beklagten beschäftigt war, ist zwischen den Parteien streitig.

Seine durchschnittliche monatliche Bruttovergütung betrug EUR 4.243,72 (DM 8.300,00).

Die Beklagte zu 1), bei der mehr als fünf Arbeitnehmer ausschließlich der zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten arbeiteten, betrieb den An- und Verkauf von Stahl, die Beklagte zu 2) betreibt einen Brennschneidbetrieb.

Stahlhandel und Stahlzuschnitt wurden von 1991 bis 1995 innerhalb eines Unternehmens durchgeführt. 1995 wurde die Beklagte zu 2) gegründet.

Beide Beklagten waren auf einem Betriebsgelände tätig. Sie verfügten über eine gemeinsame Telefon- und Telefaxnummer. Sie waren über eine gemeinsame e-mail Adresse zu erreichen und traten gemeinsam im Internet auf. Die dort benannten Ansprechpartner wurden nicht erkennbar dem einen oder dem anderen Unternehmen zugeordnet. Dies galt auch für die angebotenen Leistungen. Der Briefkopf der Beklagten zu 1) wies Dienstleistungen auf, die die Beklagte zu 2) anbietet. Ferner arbeiteten Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Beklagten zu 1) für die Beklagte zu 2), streitig ist zwischen den Parteien, in welchem Umfang. Der Geschäftsführer der Beklagten zu 1) war in der Vergangenheit auch für die Beklagte zu 2) tätig.

Die Beklagte zu 2) bezog in der Vergangenheit ihren Stahl ausschließlich über die Beklagte zu 1). Die Beklagte zu 1) hat dabei das Material, das von der Beklagten zu 2) benötigt wurde, dieser mit gesonderter Rechnung weiterverkauft und zwar nicht durch Umbuchung, sondern durch steuerlich wirksame Verkäufe.

Am 23.10.2001 war der Geschäftsführer der Beklagten zu 1) bei seinem Prozessbevollmächtigte, hatte ihn von der Absicht berichtet, das Unternehmen der Beklagten zu 1) zu liquidieren. In diesem Zusammenhang wurden alle Einzelheiten der Liquidierung besprochen. Es wurde daraufhin in der Besprechung der Liquiditätsbeschluss befasst, der auch noch einmal mit Datum vom 29.10.2001 schriftlich niedergelegt wurde (vgl. Bl. 56 d. A.). Dieser Vortrag war in erster Instanz unstreitig. In zweiter Instanz hat der Kläger ihn mit Nichtwissen bestritten.

Die Liquidation ist durchgeführt und das Lager verkauft worden.

Laut Handelsregistereintragung vom 01.03.2002 (Bl. 53 f. d. A.) ist die Beklagte zu 1) aufgelöst. Dem Eintrag lag die Handelsregisteranmeldung vom 09.01.2002 (Bl. 55 d. A.) und der Gesellschafterbeschluss über ihre Liquidation vom 29.10.2001 (Bl. 56 d. A.) zugrunde.

Am 29.10.2001 fand bei der Beklagten zu 1) eine Betriebsversammlung statt, auf der der Geschäftsführer der Beklagten zu 1) den anwesenden Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen mitteilte, dass infolge der schlechten Situation auf dem Stahlmarkt die Beklagte zu 1) zum Jahresende aufgegeben werde und aus diesem Grunde alle Beschäftigten noch am selben Tag i...

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