Entscheidungsstichwort (Thema)
Anwendbarkeit des Kündigungsschutzes nach dem EuAdgG auf einen nicht gewählten Bewerber um ein Mandat im Europaparlament
Leitsatz (redaktionell)
Der Kündigungsschutz gem. § 3 Abs. 3 S. 3 u. 4 EuAdgG endet mit der Feststellung des für den Bewerber erfolglosen Wahlergebnisses.
Normenkette
EuAdgG § 4 Abs. 3 S. 3, § 3 Abs. 3 S. 4
Verfahrensgang
ArbG Bremen-Bremerhaven (Entscheidung vom 03.03.2015; Aktenzeichen 4 Ca 4292/14) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bremen-Bremerhaven vom 3. März 2015 - 4 Ca 4292/14 - wird als unbegründet zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung.
Der am 13. März 1961 geborene Kläger war bei der Beklagten seit dem 1. November 2012 als Handwerker zu einem monatlichen Bruttogehalt iHv. 2.050,00 Euro und einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 42 Stunden beschäftigt.
Der Kläger war Wahlbewerber bei der Europawahl am 25. Mai 2014 für die Ökologisch-Demokratische Partei (nachfolgend ÖDP) auf Listenplatz 67 (auf Bl. 38 d. A. wird verwiesen). Am 20. Juni 2014 stellte der Bundeswahlausschuss das endgültige Ergebnis der Europawahl für die Bundesrepublik Deutschland fest. Der Kläger erhielt kein Mandat.
Mit Schreiben vom 10. Juli 2014 - dem Kläger am selben Tag zugegangen - kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger fristgerecht zum 15. August 2014 (wegen des Inhalts des Kündigungsschreibens wird auf Bl. 9 d. A. verwiesen).
Mit seiner am 17. Juli 2014 beim Arbeitsgericht Bremen-Bremerhaven eingegangenen Klage wendet sich der Kläger gegen die ihm gegenüber ausgesprochene Kündigung.
Der Kläger hat vorgetragen:
Die Kündigung sei sozial ungerechtfertigt. Ein Kündigungsgrund liege nicht vor. Er habe als Mandatsbewerber bei der Europawahl nachwirkenden Kündigungsschutz. Soweit das Europaabgeordnetengesetz (nachfolgend EuAbgG) eine Kündigung wegen des Erwerbs, der Annahme oder Ausübung des Mandats untersage und im Übrigen Kündigungen nur aus wichtigem Grund zulasse, lägen die Voraussetzungen für eine solche Kündigung nicht vor. Ferner gehe er von der Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes aus, da bei richtiger Berechnung mehr als zehn Arbeitnehmer bei der Beklagten beschäftigt würden.
Der Kläger hat beantragt:
1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 10. Juli 2014 nicht beendet wird.
2. Im Falle des Obsiegens mit dem Antrag zu 1. wird die Beklagte verurteilt, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Allroundhandwerker weiter zu beschäftigen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat vorgetragen:
Dem Kläger stehe kein besonderer Kündigungsschutz nach dem EuAbgG zu. Von der Wahlbewerbung des Klägers habe sie zudem keine Kenntnis gehabt. Das Kündigungsschutzgesetz finde keine Anwendung. Sie beschäftige weniger als zehn Arbeitnehmer, namentlich die Mitarbeiter B., Wa. Wu., A., Z., Frau D. S., den Ehemann der Inhaberin und den Kläger (wegen der Benennung der Arbeitnehmer wird auf Bl. 16 d. A. verwiesen).
Das Arbeitsgericht Bremen-Bremerhaven hat am 3. März 2015 folgendes Urteil verkündet:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf EUR 6.150,00 festgesetzt.
Wegen der Einzelheiten des Tatbestands der angefochtenen Entscheidung wird auf Bl. 49 d. A. und wegen der Begründung durch das Arbeitsgericht auf Bl. 49 R bis 50 d. A. Bezug genommen.
Gegen dieses ihm am 11. Mai 2015 zugestellte Urteil hat der Kläger am 9. Juni 2015 Berufung beim Landesarbeitsgericht Bremen eingelegt und diese sogleich begründet.
Der Kläger wiederholt sein erstinstanzliches Vorbringen und trägt weiter vor:
Der Kündigungsschutz eines Wahlbewerbers bei einer Europawahl ende nicht mit der Feststellung des Wahlergebnisses, wenn der Wahlbewerber kein Mandat erlangt habe. Der Wortlaut des § 3 Abs. 3 Satz 4 EuAbgG lege zwar nahe, dass der nachwirkende Kündigungsschutz ein Mandat voraussetze. Diese Auslegung der Norm sei jedoch nicht zwingend. Der Begriff des Mandats sei nicht sehr eindeutig. Eine Zugrundelegung der allgemeinen Verwendung des Wortes widerspreche dem Zweck der Vorschrift. § 3 Abs. 3 Satz 1 EuAbgG wolle nicht nur diejenige Person schützen, die jahrelang aufgrund der Ausübung des Mandats ihren Beruf nicht habe ausüben können. Zwischen dem Mandatsträger und einem nicht gewählten Bewerber bestehe entgegen der Argumentation des Arbeitsgerichts eine vergleichbare Interessenlage. Mit der Bewerbung für ein politisches Mandat offenbare der Bewerber seine politische Ausrichtung. Durch die Unterstützung eines Wahlprogramms gebe er persönliche Ansichten preis, die denjenigen des Arbeitgebers widersprechen könnten. Der Arbe...