Leitsatz (amtlich)
1. Vereinbaren Arbeitgeber und Arbeitnehmer in einem Arbeitsvertrag eine Arbeitszeit von 10 Stunden wöchentlich, wird der Arbeitnehmer jedoch über 1 ½ Jahre wöchentlich mit 20 Stunden beschäftigt, ist der Arbeitgeber verpflichtet, den Arbeitnehmer auch zukünftig mit 20 Stunden zu beschäftigen. Er kann sich nicht einseitig von dieser Verpflichtung lösen.
2. § 5 a MTV für die Beschäftigten des Einzelhandels im Land Bremen vom 08.10.1996 untersagt für den Regelfall eine Beschäftigung von Arbeitnehmern mit einer Arbeitszeit von weniger als 20 Stunden. Eine davon abweichende in einem Formulararbeitsvertrag enthaltene Vereinbarung ist nichtig, wenn sie mit der tatsächlichen Durchführung des Arbeitsvertrages nicht übereinstimmt und dem tatsächlichen Wunsch des Arbeitnehmers widerspricht.
Verfahrensgang
ArbG Bremen (Urteil vom 29.09.1998; Aktenzeichen 10 h Ca 10032/98) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bremen vom 29.09.1998 – Az.: 10 h Ca 10032/98 – wird auf ihre Kosten als unbegründet zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über den zeitlichen Umfang des zwischen ihnen bestehenden Arbeitsverhältnisses.
Die Klägerin ist seit 26.02.1996 als Verkäuferin in der Filiale Hutfilterstraße der Beklagten in Bremen beschäftigt. Im schriftlichen Anstellungsvertrag vom 24.05.1996 heißt es u. a.:
§ 1
… „Die Arbeitszeiteinteilung erfolgt durch den Arbeitgeber, bei Tätigkeiten im Verkauf unter Berücksichtigung der jeweils geltenden Bestimmungen von Ladenschlußgesetz, Manteltarifvertrag sowie bestehenden Betriebsvereinbarungen.
Der Arbeitgeber behält sich das Recht vor, bei gleichbleibender Grundtätigkeit das Aufgabengebiet nach den Bedürfnissen des Betriebes zu erweitern oder einzuschränken und den Arbeitnehmer dort einzusetzen, wo seine Dienstleistung nach dem Ermessen der Firma benötigt wird.
Dies betrifft insbesondere die Zuweisung eines anderen Arbeitsbereiches innerhalb einer Verkaufsstelle, die Versetzung in eine andere Verkaufsstelle sowie die Änderung der zeitlichen Lage der Arbeitszeit.”
§ 3
„Das monatliche am 15. des Folgemonats zu zahlende Bruttogehalt, wovon die gesetzlichen Abzüge einbehalten werden, beträgt bei einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 10 Stunden/monatlichen Arbeitszeit von 43,25 Stunden: (…)
Sofern bei Teilzeitbeschäftigten die vereinbarte Arbeitszeit von tariflichen Sollstunden abweicht, geschieht dies auf Wunsch des Arbeitnehmers. (….)”
§ 4
In allen anderen Fragen gilt der Manteltarifvertrag für den Einzelhandel in Bremen (jeweils gültige Fassung). Mit dem Abzug der Beiträge zur Sozialversicherung prozentual vom wirklichen Arbeitsverdienst erklärt sich der Arbeitnehmer einverstanden.
Bezüglich der weiteren Einzelheiten wird auf Blatt 27 der Akte Bezug genommen.
§ 5 a Ziffer 3 des Manteltarifvertrages für die Beschäftigten des Einzelhandels im Lande Bremen vom 08.10.1996 lautet wie folgt:
„Die wöchentliche Arbeitszeit soll mindestens 20 Stunden und am Tag mindestens 4 Stunden betragen und auf höchstens 5 Tage pro Woche verteilt werden. Hiervon kann abgewichen werden, wenn der Arbeitnehmer dies wünscht oder betriebliche Belange (z. B. Schließdienst, Hausreinigung, Inventuren) dies erfordern. Mit Zustimmung des Betriebsrates sowie in Betrieben ohne Betriebsrat kann einzelvertraglich die Arbeitszeit auf 6 Tage verteilt werden.”
Die Klägerin hat bei der Beklagten von Beginn des Arbeitsverhältnisses an, nämlich von März 1996 bis einschließlich November 1997 durchschnittlich 22,33 Stunden wöchentlich gearbeitet. Die Monate Januar bis März 1997 und Juli 1997 wurden aufgrund Erkrankung bzw. Urlaub in diese Berechnung nicht mit einbezogen. Der monatliche Stundendurchschnitt – ohne Urlaubs- und Krankheitsmonate – hat 96,63 Stunden betragen.
Die Beklagte hat diese Stunden jeweils vergütet; Mehrarbeitszuschläge sind hierfür nicht gezahlt worden. In den Gehaltsabrechnungen der Klägerin sind diese Stunden unter der Kategorie „ABW. BEZUG TEILZ. KR.” gesondert ausgewiesen. Bezüglich der weiteren Einzelheiten der Abrechnungen wird insoweit auf Blatt 6 bis 26 der Akte Bezug genommen.
Die Verteilung der Arbeitszeit der Klägerin war sowohl was die monatliche als auch die wöchentliche Stundenzahl angeht unregelmäßig.
Ende September/Anfang Oktober 1997 wurde der Klägerin mitgeteilt, daß sie nicht mehr in dem bisherigen Umfange beschäftigt werde.
Die Klägerin hat in der ersten Instanz vorgetragen, sie habe im Rahmen des Einstellungsgespräches seinerzeit – unstreitig – erklärt, daß ihr wöchentlich 10 Stunden Arbeit zu gering seien. Auf Nachfrage habe sie weiter erklärt, daß 20 bis 25 Stunden Arbeitszeit für sie schon wegen der Höhe des zu erzielenden Verdienstes existenziell notwendig seien. Der Mitarbeiter S. der Beklagten (Filialleiter) habe zugesichert, daß dies kein Problem sei; sie würde in jedem Fall 25 Stunden wöchentlich arbeiten, es könnten auch mal 28 oder 30 werden. Die Frage, ob die Arbeitszeit auch unter 20 Stunden absinken könne...