rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Bindung an Aufhebungsgründe des Revisionsgerichts. Berücksichtigung vorangegangener Abmahnungen
Leitsatz (redaktionell)
1. Das Berufungsgericht ist nur an die rechtliche Beurteilung gebunden, die das Revisionsgericht zur Aufhebung der Entscheidung veranlasst haben.
2. Zeigen in der Vergangenheit gerügte Vorgänge, dass der Arbeitnehmer Abrechnungsvorschriften im Zusammenhang mit Zeiten, in denen er zur Arbeit nicht verpflichtet ist, nicht exakt einhält, geben solche Vorgänge für eine (später vorgeworfene) Unterschlagungsabsicht nichts her.
Normenkette
BGB § 626; ZPO § 563
Verfahrensgang
ArbG Bremen-Bremerhaven (Urteil vom 19.01.2006; Aktenzeichen 1 Ca 1381/05) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten hin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Bremen-Bremerhaven vom 19.01.2006 – Az.: 1 Ca 1381/05 – teilweise abgeändert:
Der Antrag, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens weiterzubeschäftigen, wird zurückgewiesen.
Im Übrigen wird die Berufung der Beklagten zurückgewiesen, bzw. soweit sie sich auf die Feststellung der Unwirksamkeit der hilfsweise ordentlich erklärten Kündigung bezieht, als unzulässig verworfen.
Die Kosten der Berufung hinsichtlich der Revision trägt der Kläger zu ¼, die Beklagte zu ¾. Gleiches gilt für die beim Arbeitsgericht entstandenen Kosten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen hilfsweise ordentlichen Kündigung der Beklagten sowie den Weiterbeschäftigungsanspruch des Klägers.
Der am … geborene Kläger ist bei der Beklagten seit dem 01.02.1993 als Zugbetreuer bzw. Kundenbetreuer im Nahverkehr (im folgenden: KiN) tätig. Das durchschnittliche Bruttomonatseinkommen des Klägers betrug zuletzt EUR 1.900,–, die Beklagte beschäftigt regelmäßig mehr als 10 Mitarbeiter. Im Betrieb der Beklagten besteht ein Betriebsrat.
Zu den Aufgaben eines KiN gehört neben der Fahrkartenkontrolle und der Erbringung von Serviceleistungen für die Kunden auch der Fahrscheinverkauf im Zug. Zu diesem Zweck führen die KiN sog. Mobile Terminals (im folgenden: MT) mit sich. Das MT besteht aus einem Gerät und der sog. „MT-Card”. Bei der „MT-Card” handelt es sich um ein Speichermedium, auf dem alle Verkaufsvorgänge in elektronischer Form auf einem Datenchip gespeichert werden. Die Auswertung der gespeicherten Daten muss unter Einhaltung bestimmter Fristen durch die Zugbegleiterabrechnungsstelle (im folgenden: ZArs) erfolgen. Die Abrechnung und Auslesung der eingenommenen Fahrgelder erfolgt durch das Gerät und ist vom KiN vorzunehmen, in dem eine Tastenkombination zur Abrechnung gedrückt wird. Aus dem Abrechnungsbeleg des MT's ergibt sich u.a. die Höhe der eingenommenen und abzuliefernden Fahrgelder. Die Abrechnung kann durch den KiN selbständig am sog. „Einwurftresor” vorgenommen werden. Neben der Einzahlung des eingenommenen Geldes sind die im Besitz des KiN befindlichen Belege (z.B. stornierte Fahrscheine, abgerechnete Fahrscheine usw.) bei der ZArs direkt abzugeben oder in einem sog. Übergabeschrank zu hinterlegen. Da das eingenommene Geld und die Belege getrennt voneinander abgegeben werden müssen, ist nicht sofort überprüfbar, ob der KiN korrekt abgerechnet hat. Dies wird erst durch die ZArs im Rahmen einer Abrechnungsprüfung festgestellt.
Die Dienstvorschriften der Beklagten regeln, dass ein MT im Falle einer „Arbeitsverhinderungen” von mehr als 3 Tagen zurückzugeben ist. Bei Krankheit wird das MT bei dem Mitarbeiter abgeholt und bei der ZArs ausgelesen. Darüber hinaus sind Einnahmen aus dem MT sowie die dazugehörigen Belege gem. den Dienstvorschriften 601.0502 (8), (10) spätestens innerhalb von 14 Tagen bei der ZArs oder einem Übergabeschrank abzurechnen. Eine weitere Pflicht zur Abrechnung besteht unabhängig der 14-Tages-Frist, wenn der KiN Fahrgeldeinnahmen von EUR 400,00 zu verzeichnen hat. Diese Frist darf auch bei Krankheit nicht überschritten werden. Die ordnungsgemäße Abrechnung umfasst dabei auch die ordnungsgemäße Ablieferung der entsprechenden Belege. Wegen der Einzelheiten der Dienstvorschrift wird auf Bl. 40 – 42 d. A. verwiesen.
Der Kläger erkrankte zunächst im Zeitraum vom 07.06. – 10.06.2005 und sodann vom 13.06. bzw. 14.06. – 21.06.2005 und vom 23.06. – 24.07.2005. Am 11.06.2005 rechnete der Kläger ab, ohne der Abrechnung Belege beigefügt und ohne Geld abgeliefert zu haben. Nach telefonischer Aufforderung durch die Teamleiterin des Klägers, Frau H., sandte der Kläger einen Teil der fehlenden Belege an die ZArs B.. Für den 12.06.2005 war im Dienstplan des Klägers die Pflicht zur Abrechnung vorgeschrieben und mit bezahlter Arbeitszeit hinterlegt. Eine Abrechnung wäre dem Kläger bis zum 13.06.2005 möglich gewesen. Die Abgabe von MT und MT-Card durch den Kläger erfolgte nicht.
Die Beklagte wurde am 18.07.2005 per E-Mail darüber informiert, dass der Kläger die ausstehenden Einnahmen nicht abgeliefert hatte (vgl. Bl. 59 d. A.). Mit Schreiben vom 21.07.2005 wurde der Kläger durch die Beklagt...