Entscheidungsstichwort (Thema)
Anfechtung einer Betriebsratswahl
Leitsatz (amtlich)
1. Besteht eine Verkaufsstelle aus mehreren Räumen (z. B. Büroraum und Verkaufsraum), muss im Wahlausschreiben gem. § 3 Abs. 2 Nr. 11 WO angegeben werden, in welchem Raum die Stimmabgabe erfolgt. Mehrere Räume können nur dann einen Wahlraum i. S. v. § 12 Abs. 1 S. 1 WO bilden, wenn gewährleistet ist, dass die Aufsichtspersonen von ihrem Standort aus das Wahlgeschehen überblicken.
2. Wo nicht in einem überwachbaren Nebenraum gewählt wird, ist ein Aufstellen von Wandschirmen, Trennwänden o. ä. im Wahlraum selbst erforderlich. Die in Verkaufsräumen vorhandenen Regale können eine unbeobachtete Stimmabgabe nicht gewährleisten.
Normenkette
BetrVG §§ 19, 14 Abs. 1; WO § 3 Nr. 11, § 12 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Essen (Beschluss vom 13.03.2007; Aktenzeichen 5 BV 93/06) |
Tenor
Die Beschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Essen vom 13.03.2007 – 5 BV 93/06 – wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit der in den Verkaufsstellen des Bezirks L. der Arbeitgeberin am 23.05. und 24.05.2006 durchgeführten Betriebsratswahl.
Die Arbeitgeberin betreibt eine Drogerie – Filialkette mit ca. 10.800 Filialen und mehr als 30.000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern. Das Unternehmen ist in verschiedene regionale Bezirke untergliedert, für die Betriebsräte gewählt werden. Der Antragsgegner ist der am 23.05. und 24.05.2006 für den Bezirk L. gewählte Betriebsrat. Die Antragstellerinnen sind im Bezirk L. beschäftigte Arbeitnehmerinnen.
Der Wahlvorstand für die Betriebsratswahl bestand aus fünf Arbeitnehmerinnen. Wahlberechtigt waren 208 Arbeitnehmerinnen.
Im Wahlausschreiben vom 10.04.2006 heißt es u.a.:
„Die Betriebsratswahl findet am 23.05. und 24.05.2006 von 8.00 Uhr bis 20.00 Uhr, 8.00 Uhr bis 16.00 Uhr in den T.-VST im Bezirk L. statt.
…
Die wahlberechtigten Arbeitnehmer/innen werden hiermit aufgefordert, vor Ablauf von zwei Wochen, spätestens bis zum 24.04.2006, 17.00 Uhr, Vorschlagslisten beim Wahlvorstand, T., L. str. 13, F. (Betriebsadresse des Wahlvorstands) einzureichen. Nur fristgerecht eingereichte Vorschlagslisten werden berücksichtigt.”
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Wahlausschreiben Bezug genommen (Bl. 26 u. 27 d.A.).
Der Wahlvorstand erstellte einen Tourenplan und hängte ihn in den Verkaufsstellen aus. In dem Tourenplan ist für jede Verkaufsstelle ein Zeitraum angegeben. So heißt es für den 23.05.2006:
„Tourenplan zur Wahl am 23.05.2006 1. Auto (Urne)
Von |
bis |
Verkaufsstelle |
9.00 Uhr |
9.15 Uhr |
L. I. allee |
9.30 Uhr |
9.45 Uhr |
L. I. str. |
10.00 Uhr |
10.15 Uhr |
L. F. str. |
… |
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Tourenplan zur Wahl am 23.05.2006 2. Auto (Urne)
Von |
bis |
Verkaufsstelle |
9.00 Uhr |
9.15 Uhr |
C. S. str. |
9.30 Uhr |
9.45 Uhr |
C. O. str. |
9.55 Uhr |
10.10 Uhr |
C. P. str. |
…” |
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Für den 24.05.2005 erstellte der Wahlvorstand einen entsprechenden Tourenplan für weitere Verkaufsstellen.
In einem „INFO zur BR-Wahl 2006” des Wahlvorstandes vom 02.05.2006 heißt es u.a.:
„Am 23. und 24.05.2006 sollt Ihr Euren neuen Betriebsrat wählen.
…
Den Tourenplan habt Ihr alle schon in Euren Verkaufsstellen aushängen, so dass jeder weiß, wann er, wo seine Stimme abgeben kann. Solltet ihr verhindert sein, …, so beantragt bitte die sogenannte „Briefwahl”…”
Eine ursprünglich geplante Mehrheitswahl (Personenwahl) kam nicht zustande. Bei dem Wahlvorstand wurden die Vorschlagsliste „Fairness”, auf der u.a. die Mitglieder des Wahlvorstandes kandidierten, und die Vorschlagsliste „Neuer Wind”, auf der u.a. einige Antragstellerinnen kandidierten, eingereicht.
Die auf der Vorschlagsliste „Fairness” kandidierende Wahlbewerberin Frau M. erteilte ihre Zustimmungserklärung per Telefax. Die ebenfalls auf der Vorschlagsliste „Fairness” kandidierende Wahlbewerberin Frau L. erteilte ihre Zustimmungserklärung am 10.04.2006. Zu diesem Zeitpunkt ging sie davon aus, es werde zu einer Personenwahl kommen.
Die Vorschlagsliste „Neuer Wind” ging am 24.04.2006 beim Wahlvorstand ein. Auf dieser Liste waren ursprünglich neun Wahlbewerberinnen und 29 Arbeitnehmerinnen, die Stützunterschriften geleistet hatten, aufgeführt. Im Nachhinein wurde Frau M. als weitere Wahlbewerberin in die Vorschlagsliste aufgenommen. Wann genau Mitglieder des Wahlvorstandes hiervon erstmalig Kenntnis erlangten, ist zwischen den Beteiligten streitig. Der vom Wahlvorstand am 24.04.2006 telefonisch befragte Gewerkschaftssekretär L. vertrat zunächst die Auffassung, dies sei ein unheilbarer Mangel und empfahl, eine eidesstattliche Erklärung einzuholen. Später kam er zu der Auffassung, dass der Mangel heilbar sei.
Mit Schreiben vom 25.04.2006 teilte der Wahlvorstand der Antragstellerin zu 1. mit, der Wahlvorstand habe festgestellt, dass die am 24.04.2006 eingereichte Vorschlagsliste unheilbar ungültig sei (§ 8 Abs. 1 WO). Auf die weiteren Einzelheiten des Schreibens wird Bezug genommen (Bl. 31 d.A.).
An den beiden Wahltagen suchten jeweils zwei Mitglieder des Wahlvorstandes nach Maßga...