Entscheidungsstichwort (Thema)
Erfolgreiche Wahlanfechtung bei unzulässiger Kennzeichnung einer Liste (hier mit "G"). Unwirksamkeit einer Betriebsratswahl wegen Verstoß gegen wesentliche Vorschriften. Nichtigkeit einer Betriebsratswahl
Leitsatz (redaktionell)
Die Kennzeichnung einer Liste zur Betriebsratswahl mit dem Buchstaben "G" ist unzulässig und stellt einen Verstoß gegen wesentliche Vorschriften des Wahlverfahrens dar. Dabei ist nicht auszuschließen, dass ohne den Verstoß ein anderes Ergebnis erzielt worden wäre (§ 19 Abs. 1 BetrVG).
Normenkette
ArbGG § 92 Abs. 1; BetrVG § 14 Abs. 3, § 19 Abs. 1-2
Verfahrensgang
ArbG Essen (Entscheidung vom 16.04.2019; Aktenzeichen 2 BV 60/19) |
Tenor
Die Beschwerde des Betriebsrates gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Essen vom 16.04.2019 - 2 BV 60/19 - wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten über die Anfechtung der im Betrieb der Beteiligten zu 3. (Arbeitgeberin) in der Zeit vom 14.05.2018 bis zum 18.05.2018 durchgeführten Betriebsratswahl.
Bei der Antragstellerin handelt es sich um eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft. Der Beteiligte zu 2. ist der aus der Wahl hervorgegangene Betriebsrat.
Im Betrieb sind insgesamt ca. 1.630 Mitarbeiter beschäftigt, davon ca. 40 bis 50 in der Zentrale. Die übrigen Arbeitnehmer, von denen ca. die Hälfte aufgrund eines Migrationshintergrundes nicht die deutsche Staatsbürgerschaft besitzt, sind mit Reinigungstätigkeiten und der Essensausgabe in Schulen, Kindergärten und Bürogebäuden befasst.
Der Beschluss über die Bestellung des Wahlvorstandes wurde während der Sitzung des seinerzeit amtierenden Betriebsrats vom 06.12.2017 gefasst. Zu dieser Sitzung war für das damalige Betriebsratsmitglied N. T. kein Ersatzmitglied geladen worden, obwohl Herr T. Urlaub hatte. Das Wahlausschreiben vom 22.03.2018 wurde am 29.03.2018 ausgehängt. Für die Wahl waren vier Vorschlagslisten vom Wahlvorstand zugelassen worden. Die von Arbeitnehmern des Betriebs vorgeschlagene Liste 1 trug das Kennwort "G..die", während die von der Gewerkschaft nach § 14 Abs. 3, 5 BetrVG vorgeschlagene Liste 4 sich "W." nannte. Das Wahlergebnis wurde am 28.05.2018
bekannt gegeben.
Mit Antrag vom 11.06.2018, der beim Arbeitsgericht am selben Tag eingegangen ist, hat die Gewerkschaft die Betriebsratswahl angegriffen. Sie hat bestritten, dass der Wahlvorstand ordnungsgemäß bestellt wurde, insbesondere, dass sämtliche Betriebsratsmitglieder ordnungsgemäß zur Betriebsratssitzung vom 06.12.2017 geladen wurden. Sie hat u.a. die Auffassung vertreten, das Kennwort der Liste "G..die" sei unzulässig gewesen, da aufgrund der Ähnlichkeit der Kennworte eine Verwechslungsgefahr mit der von ihr vorgeschlagenen Liste 4 "W." bestanden habe.
Die Gewerkschaft hat beantragt,
- festzustellen, dass die Betriebsratswahl im Betrieb der S. Servicegesellschaft mbH in F. vom 14. bis. 18.05.2018 nichtig ist,
- hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit dem Antrag zu 1, die Betriebsratswahl im Betrieb der S. Servicegesellschaft F. mbH in F. vom 14. bis 18.05.2018 für unwirksam zu erklären.
Der Betriebsrat und die Arbeitgeberin haben beantragt,
die Anträge zurückzuweisen.
Der Betriebsrat hat die Auffassung vertreten, der Wahlvorstand sei ordnungsgemäß vom ehemaligen Betriebsrat am 06.12.2017 bestellt worden. Sämtliche Betriebsratsmitglieder seien hierzu ordnungsgemäß und rechtzeitig geladen worden:
Der Betriebsrat und die Arbeitgeberin haben die Auffassung vertreten, das Kennwort der Liste "G..die" sei zulässig gewesen, da eine Verwechslungsgefahr nicht bestanden habe.
Mit Beschluss vom 16.04.2019 hat das Arbeitsgericht den auf Feststellung der Nichtigkeit der Wahl gerichteten Antrag zu 1. zurückgewiesen und auf den hilfsweise gestellten Wahlanfechtungsantrag zu 2. die Betriebsratswahl für unwirksam erklärt, weil bei der Wahl gegen wesentliche Wahlvorschriften verstoßen worden und es nicht auszuschließen sei, dass das Wahlergebnis hierauf beruhe. Zunächst sei der Wahlvorstand am 06.12.2017 nicht ordnungsgemäß bestellt worden, weil zu dieser Sitzung das Betriebsratsmitglied N. T. und nicht etwa ein Ersatzmitglied geladen worden sei, obgleich Herr T. während dieser Zeit Urlaub gehabt habe. Ein weiterer Fehler, der zur Anfechtung berechtige, liege darin, dass der Wahlvorstand die Liste "G"die" mit diesem Kennwort zur Wahl zugelassen hat, obwohl eine Verwechslungsgefahr mit dem Kennwort der Gewerkschaftsliste "W." bestanden habe. Das Kennwort "G..die" weise sowohl in der Schreibweise als auch bei der Aussprache eine offensichtliche Ähnlichkeit zu der Gewerkschaftsliste "W." auf. Es habe nicht ausgeschlossen werden können, dass Mitarbeiter, die die Gewerkschaftsliste hätten wählen wollen, aufgrund der Ähnlichkeit der Kennworte irrtümlich die falsche Liste gewählt haben. Der Argumentation der Arbeitgeberin und des Betriebsrats sei zuzugeben, dass jeder, der die Gewerkschaft und deren Schreibweise sowie die Bedeutung des Kürzels kennt, auf den ersten Blick erkenne, da...