Entscheidungsstichwort (Thema)

Prozesskostenhilfe. Beiordnung eines Rechtsanwalts bei Aufrechnung gegen Vergütungsanspruch

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Beiordnung eines Rechtsanwalts ist u.a. dann nicht i.S.d. § 121 Abs. 2 ZPO erforderlich, wenn ein Arbeitnehmer bereits abgerechnete oder einfach zu berechnende Vergütungsansprüche geltend macht.

2. Die Geltendmachung solcher Ansprüche ist hingegen dann nicht als einfach anzusehen, wenn der Arbeitgeber vorgerichtlich eine Auszahlung unter Berufung auf behauptete Gegenansprüche ablehnt und für den Fall eines Rechtsstreits die Aufrechnung sowie Erhebung einer Widerklage ankündigt.

Dass er dem Arbeitnehmer anschließend kommentarlos eine ordnungsgemäße Lohnabrechnung ohne entsprechende Auszahlung erteilt, ändert hieran nichts.

 

Normenkette

ZPO § 121 Abs. 2; BGB § 611 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Krefeld (Beschluss vom 17.06.2010; Aktenzeichen 5 Ca 1398/10)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Prozesskostenhilfebeschluss des Arbeitsgerichts Krefeld vom 17.06.2010 aufgehoben.

Die Sache wird gem. § 572 Abs. 3 ZPO an das Arbeitsgericht zur erneuten Überprüfung und Entscheidung zurückverwiesen.

 

Tatbestand

I. Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist die Frage der Erforderlichkeit der Beiordnung eines Rechtsanwalts gem. § 121 Abs. 2 1. Alt. ZPO.

Der zum 30.04.2010 gekündigte Kläger machte über seinen Rechtsanwalt am 08.04.2010 die Abrechnung und Vergütung für die Monate März und April 2010 geltend. Mit Schreiben der sich für die Beklagte bestellenden Rechtsanwälte vom 16.04.2010 machte diese Gegenansprüche geltend, mit denen sie verrechnen bzw. welche sie zum Gegenstand einer Widerklage machen werde. Mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 19.04.2010 hielt der Kläger an seiner Forderung unverändert unter Hinweis auf die Pfändungsschutzbestimmungen fest. Am 03.05.2010 erteilte die Beklagte dem Kläger Abrechnungen für die Monate März und April 2010 und zahlte den sich ergebenden Nettobetrag für den Monat März. Für den Monat April erfolgte eine Zahlung nicht. Am 28.05.2010 hat der Kläger diesbezüglich Klage bei dem Arbeitsgericht erhoben und zugleich die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Rechtsanwalts beantragt. Das Arbeitsgericht hat den Antrag wegen mangelnder Erforderlichkeit der Beiordnung eines Rechtsanwalts zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich der Kläger mit der sofortigen Beschwerde.

 

Entscheidungsgründe

II. Die gem. §§ 78 S. 1 ArbGG, 127 Abs. 2, 567 ff. ZPO zulässige, form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde ist begründet und führte gem. § 572 Abs. 3 ZPO unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung zur Zurückverweisung der Sache an das Arbeitsgericht.

1. Gemäß § 121 Abs. 2 ZPO i. V. m. § 11 a Abs. 3 ArbGG ist der Partei auf ihren Antrag ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt ihrer Wahl beizuordnen, wenn die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint. Ob die Vertretung der bedürftigen Partei durch einen Rechtsanwalt im Einzelnen erforderlich ist, richtet sich nach dem tatsächlichen Umfang und der rechtlichen Schwierigkeit der Sache sowie deren Bedeutung für die Parteien, als auch nach ihrer Fähigkeit, sich mündlich und schriftlich auszudrücken oder einen Antrag zur Niederschrift der Rechtsantragstelle zu geben. Das Gericht muss erwägen, ob eine bemittelte, nicht rechtsschutzversicherte Partei vernünftigerweise einen Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung ihrer Interessen beauftragt hätte (vgl. insoweit BVerfG, Beschluss v. 18.12.2001 – 1 BvR 391/01, Rpfleger, 2002, 212; BGH, Beschluss v. 08.07.2004 – IX ZB 565/02, NJW 2004, 3260; MünchKom/Motzer, ZPO, 3. Aufl., § 121 Rz. 7). Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist die Vertretung durch einen Rechtsanwalt dann erforderlich, wenn sie nicht nur ratsam, sondern unerlässlich ist (vgl. BAG Beschluss v. 08.05.2003 – 2 AZB 56/02 – AP Nr. 25 zu § 9 ArbGG 1979; LAG Düsseldorf in std. Rspr., vgl. Beschluss v. 19.09.2007 – 3 Ta 475/07). Insoweit ist davon auszugehen, dass es bei einfachen Lohnklagen bzw. der Titulierung eines Lohnabrechnungsanspruchs sowie u. a. im Falle der Herausgabe von Arbeitspapieren und der Zeugniserteilung im Hinblick auf die Möglichkeit der Inanspruchnahme der Rechtsantragstelle des nächstgelegenen Arbeitsgerichts regelmäßig einer Beiordnung eines Rechtsanwalts nicht bedarf (vgl. LAG Düsseldorf, Beschluss v. 06.04.1989 – 14 Ta 124/89, JurBüro 1989, 1447; Beschluss vom 13.08.2001 – 2 Ta 200/01, NZA-RR 2002, 159; Beschluss v. 28.07.2006 – 3 Ta 259/06). Anderenfalls würde das Tatbestandsmerkmal „erforderlich” des § 121 Abs. 2 ZPO ins Leere laufen, wonach eine Beiordnung nur erfolgen kann, wenn die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich, d.h. also unabdingbar erscheint (LAG Düsseldorf in std. Rspr., vgl. Beschluss v. 14.12.2006 – 3 Ta 485/06). Die Rechtsantragstelle steht hierbei nicht in Konkurrenz zur Tätigkeit eines Rechtsanwalts, da sie lediglich Hilfestellung bei der Einreichung einer Klage leistet.

2. Im Streitfall ...

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