Entscheidungsstichwort (Thema)
Prozesskostenhilfe-Erforderlichkeit der Beiordnung eines Rechtsanwalts
Leitsatz (amtlich)
Die Beiordnung eines Rechtsanwalts kann sich i.S.d. § 121 Abs. 2 ZPO auch dann als erforderlich erweisen, wenn die beklagte Partei vorgerichtlich unter Tatsachenvortrag konkrete Einwendungen gegenüber der Klageforderung erhoben, hingegen erst nach Fristablauf Einspruch gegen das der Klage stattgebende Versäumnisurteil eingelegt hat.
Normenkette
ZPO § 121 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Mönchengladbach (Beschluss vom 13.08.2010; Aktenzeichen 2 Ca 1262/10) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Prozesskostenhilfebeschluss des Arbeitsgerichts Mönchengladbach vom 13.08.2010 aufgehoben.
Die Sache wird gem. § 572 Abs. 3 ZPO zur erneuten Prüfung und Entscheidung an das Arbeitsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
I. Der anwaltlich vertretene Kläger hat am 10.05.2010 Klage auf Zahlung rückständiger Vergütung für die Monate März und April 2010 erhoben, nachdem die Beklagte ihn nach seiner Behauptung am 07.04.2010 telefonisch im ungekündigten Arbeitsverhältnis von Arbeitsleistung freigestellt hatte. Zugleich hat der Kläger die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines Rechtsanwalts für die Durchführung des erstinstanzlichen Verfahrens beantragt. Gegen die nicht erschienene Beklagte ist im Gütetermin vom 28.05.2010 klagestattgebendes Versäumnisurteil ergangen. Gegen das ihr am 03.06.2010 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit einem am 15.06.2010 bei dem Arbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Einspruch eingelegt und geltend gemacht, der Kläger habe im Monat März nicht – wie behauptet – 184 Stunden gearbeitet. Am 22.03. habe er unentschuldigt gefehlt. Im Hinblick darauf sowie auf die vom Kläger unterlassene Rückgabe des unterzeichneten Arbeitsvertrages und anderer Unterlagen habe man ihm fristlos gekündigt.
Auf den Einspruch der Beklagten hat das Arbeitsgericht zunächst Kammertermin auf den 14.07.2010 anberaumt. Auf gerichtlichen Hinweis vom 12.07.2010 über die verspätete Einlegung des Einspruchs hat die Beklagte diesen unter dem 10.08.2010 zurückgenommen.
Das Arbeitsgericht hat den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts durch Beschluss vom 13.08.2010 zurückgewiesen und zur Begründung angeführt, die Beiordnung eines Rechtsanwalts sei nicht erforderlich, da es sich vorliegend um eine einfache Lohnklage handele. Mit der fristgerecht hiergegen eingelegten sofortigen Beschwerde hat der Kläger darauf hingewiesen, dass die Beklagte bereits vorgerichtlich seinem Zahlungsbegehren mit Schreiben vom 17.05.2010 unter Hinweis auf eine angeblich bereits erfolgte telefonische und mündliche fristlose Kündigung entgegengetreten ist, welche neben dem unentschuldigten Fehlen mit Versäumnissen des Klägers bezüglich der Rückgabe des unterschriebenen Arbeitsvertrages und der Angabe von Krankenkassen- und Kontonummer begründet worden ist.
Das Arbeitsgericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und diese dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt.
Entscheidungsgründe
II. Die gem. §§ 78 S. 1 ArbGG, 127 Abs. 2, 567 ff. ZPO zulässige, form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde ist begründet und führte zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung sowie Zurückverweisung der Sache an das Arbeitsgericht gem. § 572 Abs. 3 ZPO.
Die Beiziehung eines Rechtsanwalts zur Vertretung des Klägers im erstinstanzlichen Rechtszug erwies sich vorliegend als erforderlich.
1. Gemäß § 121 Abs. 2 ZPO in Verbindung mit § 11 a Abs. 3 ArbGG ist der Partei auf ihren Antrag ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt ihrer Wahl beizuordnen, wenn die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint. Ob die Vertretung der bedürftigen Partei durch einen Rechtsanwalt „erforderlich erscheint”, ist im Rahmen einer konkreten, an den objektiven wie subjektiven Gegebenheiten des Sachverhalts vorzunehmenden Einzelfallprüfung festzustellen.
Der unbemittelten Partei darf die Rechtsverfolgung und Rechtsverteidigung im Vergleich zur bemittelten Partei nicht unverhältnismäßig erschwert werden, sie muss grundsätzlich ebenso wirksamen Rechtsschutz in Anspruch nehmen können. Hierbei ist eine weitgehende Angleichung, hingegen keine völlige Gleichstellung gegenüber der bemittelten Partei gefordert (vgl. BVerfG, Beschluss vom 18.03.2003 – 1 BvR 329/03, NJW 2003, 448). Das Gericht muss vielmehr überprüfen, ob auch eine bemittelte Partei in dieser Lage unter Abwägung u. a. auch des Kostenrisikos vernünftigerweise einen Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung ihrer Interessen beauftragt hätte (vgl. BVerfG, Beschluss vom 18.12.2001 – 1 BvR 391/01, Rechtspfleger 2002, 212; BVerfG, Beschluss vom 18.03.2003 – 1 BvR 329/03, ZInsO 2003, 653; BGH, Beschluss vom 18.02.2009 – XII ZB 137/08, NJW-RR 2009, 794). Abzustellen ist insoweit nicht nur auf Umfang, Schwierigkeit und Bedeutung der Sache für den Betroffenen, sondern auch auf die Fähigkeit der Partei, ihre Rechte selbst wahrzunehmen sowie sich ...