Entscheidungsstichwort (Thema)
Adressat der Kündigung einer Betriebsvereinbarung nach § 50 Abs. 2 BetrVG durch den Arbeitgeber. Kündigung einer Betriebsvereinbarung durch den Arbeitgeber. Gesamtbetriebsrat als Kündigungsadressat
Leitsatz (amtlich)
Eine mit dem Gesamtbetriebsrat nach § 50 Abs. 2 BetrVG für mehrere Betriebe eines Unternehmens geschlossene Betriebsvereinbarung kann vom Arbeitgeber gegenüber dem Gesamtbetriebsrat wirksam gekündigt werden, es sei denn, aus dieser Betriebsvereinbarung ergäbe sich etwas anderes.
Normenkette
BetrVG § 50 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Wesel (Entscheidung vom 11.01.2012; Aktenzeichen 4 BV 36/11) |
Tenor
Die Beschwerde des Beteiligten zu 1) gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Wesel vom 11.01.2012 - 4 BV 36/11 - wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten über die Beendigung einer "Gesamtbetriebsvereinbarung".
Der Beteiligte zu 1) und Antragsteller (i.F.: Betriebsrat) ist der bei der Beteiligten zu 2) in deren Werk O.-W. gebildete Betriebsrat.
Die Beteiligte zu 2) (i.F.: Arbeitgeberin) ist ein Unternehmen, das die Herstellung von Komponenten für Lüftungs- und Klimaanlagen zum Geschäftsgegenstand hat. Neben dem Werk in O.-W. unterhält sie jeweils ein weiteres Werk in H. und B..
Der Beteiligte zu 3) ist der bei der Arbeitgeberin gebildete Gesamtbetriebsrat.
Die Beteiligten zu 4) und 5) sind die in den Werken B. und H. gebildeten örtlichen Betriebsräte.
Unter dem 30.11.1994 unterzeichneten die Arbeitgeberin und der Gesamtbetriebsrat die sog. "Gesamtbetriebsvereinbarung über die Einführung von Fertigungsinseln und Gruppenarbeit sowie über eine neue Entlohnung für Leistungslöhner", (i.F.: "GBV 1994", Bl. 21 ff. d.A.), die für die drei Werke der Arbeitgeberin abgeschlossen wurde. Der Gesamtbetriebsrat war durch die örtlichen Betriebsräte beauftragt worden, für diese Verhandlungen über den Abschluss dieser Vereinbarung zu führen. Die GBV 1994 sieht in § 13 eine Kündigungsfrist von sechs Monaten zum Jahresende vor. Eine betriebsübergreifende Gruppenarbeit findet nicht statt.
Mit Schreiben vom 28.06.2011 (Bl. 31 f., 42 d.A.), das dem Vorsitzenden des Gesamtbetriebsrates vor dem 30.06.2011 zuging, kündigte die Arbeitgeberin die GBV 1994 zum 31.12.2011 und kündigte an, neue Vereinbarungen standortbezogen abschließen zu wollen. Eine Kopie des Kündigungsschreibens ging dem Vorsitzenden des Betriebsrates am 01.07.2011 zur Kenntnisnahme zu.
Mit Schreiben vom 01.07.2011 (Bl. 33. d.A.) teilte der Betriebsrat der Arbeitgeberin mit, dass die Kündigung gegenüber den örtlichen Betriebsräten zu erfolgen habe.
Im Schreiben vom 14.07.2011 (Bl. 34 f. d.A.) stellte sich die Arbeitgeberin auf den Standpunkt, die Kündigung der GBV 1994 gegenüber dem richtigen Adressaten erklärt zu haben und forderte den Betriebsrat mit weiterem Schreiben vom 12.08.2011 (Bl. 36 f. d.A.) zur Aufnahme von Verhandlungen über eine Regelung auf, die die GBV 1994 ablösen sollte. Der Betriebsrat lehnte dies mit Schreiben vom 26.08.2011 (Bl. 38 d.A.) ab, da die GBV 1994 nicht wirksam gekündigt sei. Er forderte die Arbeitgeberin auf zu erklären, dass die GBV 1994 weiter gelte. Die Arbeitgeberin beharrte mit Schreiben vom 01.09.2011 (Bl. 40 f. d.A.) auf ihrem Standpunkt.
Unter dem 29.05.2012 kündigte die Arbeitgeberin gegenüber dem Betriebsrat "nochmals rein vorsorglich" die "Gesamtbetriebsvereinbarung" vom 30.11.1994 zum 31.12.2012.
Mit seinem am 09.09.2011 bei dem Arbeitsgericht Wesel eingegangenen Antrag, der Arbeitgeberin zugestellt am 15.09.2011, wendet sich der Betriebsrat gegen die Beendigung der GBV 1994 durch die Kündigung vom 28.06.2011, hilfsweise begehrt er festzustellen, dass die GBV 1994 erst zum 31.12.2012 endet.
Der Betriebsrat hat die Ansicht vertreten, eine originäre Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrates zum Abschluss der GBV 1994 habe nicht bestanden. Dies gehe bereits aus der GBV 1994 selbst hervor. Diese sehe nur Rechte für die örtlichen Betriebsräte vor. Der Gesamtbetriebsrat sei auch nicht unter dem Gesichtspunkt zuständig, dass es sich um eine Angelegenheit der freiwilligen Mitbestimmung handele und die Arbeitgeberin die Aufnahme von Verhandlungen davon abhängig gemacht habe, dass der Gesamtbetriebsrat ihr Verhandlungspartner werde, da es eine Mitteilung über diese Abhängigkeit nicht gebe. Die Arbeitgeberin habe dies nicht eindeutig zum Ausdruck gebracht. Ohnehin sei die Angelegenheit zwingend mitbestimmungspflichtig nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 und 13 BetrVG.
Der Betriebsrat hat weiter die Ansicht vertreten, dass die Beauftragung des Gesamtbetriebsrates diesen lediglich zur Verhandlung und zum Abschluss befuge. Durch die Beauftragung mit der Verhandlung und dem Abschluss werde die Zuständigkeit nicht vollständig auf den Gesamtbetriebsrat übergeleitet, sondern werde zeitlich begrenzt auf den Zeitpunkt des Abschlusses. Eine vollständige Übertragung der Zuständigkeit sei von dem Beschluss nicht umfasst. Eine inhaltliche Kompetenz, die Vereinbarung auch zu kündigen, hätte er de...