Entscheidungsstichwort (Thema)

Terminsgebühr. Außergerichtliche Gespräche. Vergleich nach § 278 Abs. 6 ZPO

 

Leitsatz (amtlich)

Führen die Parteien außergerichtlich ohne Beteiligung des Gerichts Gespräche zur Beilegung eines Rechtsstreits, steht den beteiligten Rechtsanwälten auch ohne Termin eine Terminsgebühr aus Nr. 3104 VV RVG zu.

 

Normenkette

VV RVG Nr. 3104; ZPO § 278 Abs. 6

 

Verfahrensgang

ArbG Solingen (Beschluss vom 07.10.2005; Aktenzeichen 2 Ca 2796/04)

 

Tenor

1. Die (befristete) Beschwerde der Antragsgegnerin vom 09.11.2005 gegen denBeschluss des Arbeitsgerichts Solingen vom07.10.2005 – 2 Ca 2796/04 – wird zurückgewiesen.

2. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

 

Tatbestand

I.

Die Verfahrensbeteiligten streiten über die Entstehung einer Terminsgebühr aus Nr. 3104 VV RVG.

Die Parteien des Ausgangsrechtsstreits stritten vor dem Arbeitsgericht über restliche Lohnansprüche des damaligen Klägers. Das Arbeitsgericht bewilligte dem Kläger Prozesskostenhilfe und ordnete ihm den Antragsteller als Rechtsanwalt bei. Im März 2005 führten die Prozessbevollmächtigten mehrere außergerichtliche Vergleichsgespräche. Es kam zu einem Vergleich, dessen Zustandekommen das Arbeitsgericht gemäß § 278 Abs. 6 Satz 2 ZPO mit Beschluss vom 20.04.2005 feststellte. Ein Gerichtstermin war vom Prozessbevollmächtigten des Klägers bis dahin nicht wahrgenommen worden. Im vorliegenden Verfahren nach § 55 RVG setzte die Urkundsbeamtin antragsgemäß unter anderem eine Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV RVG fest. Hiergegen hat die Landeskasse, vertreten durch den Bezirksrevisor (Antragsgegnerin), Erinnerung eingelegt und diese damit begründet, dass in Verfahren, für die eine mündliche Verhandlung erforderlich sei, beim Abschluss eines Vergleichs nach § 278 Abs. 6 ZPO keine Terminsgebühr anfalle. Das Arbeitsgericht hat die Erinnerung, soweit sie gegen die Festsetzung der Terminsgebühr gerichtet war (hier: 270,00 EUR nebst anteiliger Mehrwertsteuer) mit Beschluss vom 07.10.2005 zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Antragsgegnerin vom 09.11.2005, der das Arbeitsgericht nicht abgeholfen hat.

 

Entscheidungsgründe

II.

1. Die (befristete) Beschwerde der Antragsgegnerin ist zulässig. Sie ist nach § 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 3 Satz 1 RVG statthaft. Der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt 200,00 EUR. Das Rechtsmittel ist auch nicht verspätet. Zwar ist die Beschwerde nach §§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 3 Satz 3 RVG nur zulässig, wenn sie innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung der Entscheidung eingelegt wird. Hier war der Beschluss des Arbeitsgerichts vom 07.10.2005 dem Bezirksrevisor am 21.10.2005 zugeleitet worden, während seine dagegen eingelegte Beschwerde vom 09.11.2005 am 11.11.2005 beim Arbeitsgericht eingegangen ist. Der Beschluss des Arbeitsgerichts enthielt jedoch entgegen § 9 Abs. 5 Satz 1 ArbGG keine Rechtsmittelbelehrung. Es galt demgemäß die Jahresfrist aus § 9 Abs. 5 Satz 4 ArbGG, die hier gewahrt ist.

2. In der Sache hat das Rechtsmittel des Bezirksrevisors jedoch keinen Erfolg. Die Festsetzung einer Terminsgebühr nebst anteiliger Mehrwertsteuer war zutreffend.

a) Richtig ist zwar, dass zur Zeit der Geltung der BRAGO bei außerhalb eines gerichtlichen Termins geführten Verhandlungen und Erörterungen der Parteien und einem anschließend nach § 278 Abs. 6 ZPO festgestellten Vergleich nach allgemeiner Meinung neben der damaligen Vergleichsgebühr aus § 23 Abs. 1 BRAGO keine zusätzliche Verhandlungs-/Erörterungsgebühr aus § 31 Abs. 1 Nr. 2 bzw. 4 BRAGO anfiel. Vielmehr waren derartige Verhandlungen und Erörterungen mit der Prozessgebühr aus § 31 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO abgegolten (vgl. u. a. BGH vom 30.03.2004 – VI ZB 81/03 – MDR 2004, 965 = NJW 2004, 2311 m. w. N.; OLG Celle vom 18.02.2004, MDR 2004, 777; OLG Zweibrücken vom 30.07.2004, JurBüro 2004, 652; OLG Frankfurt/M. vom 02.12.2004, JurBüro 2005, 86).

b) Diese Rechtslage hat sich jedoch mit dem Inkrafttreten des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes – RVG – zum 01.07.2004 und der in Nr. 3104 VV RVG normierten 1,2-Terminsgebühr geändert. Nach der Vorbemerkung 3 Abs. 3 VV RVG entsteht die Terminsgebühr unter anderem für ”die Mitwirkung an auf die Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens gerichteten Besprechungen ohne Beteiligung des Gerichts; dies gilt nicht für Besprechungen mit dem Auftraggeber”. Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Der Antragsteller hat als Prozessbevollmächtigter nicht nur mit seiner Partei, sondern darüber hinaus mit der Gegenseite außergerichtliche Erörterungen zur Beilegung des Rechtsstreits geführt. Bereits dies reicht für die Entstehung der Terminsgebühr aus. Diese knüpft nicht an eine erfolgreiche Einigung an. Es genügt ein Tätigwerden mit der Zielrichtung der Erledigung des Verfahrens durch den hierfür beauftragten Anwalt (ebenso Göttlich/Mümmler/Rehberg/ Xanke, RVG 1. Aufl., „Terminsgebühr”, Seite 942). Im vorliegenden Verfahren gilt dies umso eher, als es zusätzlich zum Abschluss eines Vergleichs gekommen ist.

c) Die ...

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