Entscheidungsstichwort (Thema)

Streitwert Beschlussverfahren: Untersagung Kündigungen und Versetzungen bis zum Abschluss Interessenausgleichsverhandlungen. Unterlassung der Durchführung einer Betriebsänderung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Bei Anträgen des Betriebsrates, die der Sicherstellung seiner Beteiligungsrechte dienen, handelt es sich um ein Verfahren nichtvermögensrechtlicher Art im Sinne von § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG.

2. Die Wertfestsetzung nach billigem Ermessen ist nicht zu beanstanden, wenn das Arbeitsgericht bei einem Antrag eines siebenköpfigen Betriebsrats, die Kündigungen von 100 Arbeitnehmern und die Versetzungen von 50 Arbeitnehmern im Rahmen einer Betriebsänderung zu unterlassen, bis das Interessenausgleichsverfahren abgeschlossen ist, dahingehend ausübt, dass der Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit gemäß § 33 Abs. 1 RVG mit 40.000,00 EUR festgesetzt wird.

3. Es ist im Rahmen des Ermessens vertretbar, wenn bei einer Betriebsstilllegung ein Betrag von etwa 300,00 EUR pro Arbeitnehmer, bei einer Teilbetriebsänderung in Form von Versetzungen ein Betrag von etwa 150,00 EUR pro Arbeitnehmer für die Bewertung einer Untersagungsverfügung in Ansatz gebracht wird.

Teilweise in Anlehnung an: LAG Mecklenburg-Vorpommern vom 16.11.2000 – 1 Ta 67/00 –; LAG Hamm vom 10.10.2005 – 10 TaBV 102/05

 

Leitsatz (redaktionell)

Der Antrag des Betriebsrats, eine geplante Betriebsänderung bis zum Abschluss der Verhandlungen über einen Interessenausgleich und bis zur vollständigen Information über die Planungen nicht durchzuführen, hat einen Streitwert im Fall einer Betriebsstilllegung in Höhe von etwa 300,00 - pro Arbeitnehmer, bei einer Teilbetriebsänderung in Form von Versetzungen von 150,00 - pro Arbeitnehmer. Auf jeden Fall sollte ein Sockelbetrag von 8.000 - zu Grunde gelegt werden.

 

Normenkette

RVG § 23 Abs. 3 S. 2; BetrVG § 111 ff.

 

Verfahrensgang

ArbG Wesel (Beschluss vom 14.12.2007; Aktenzeichen 4 BV 23/07)

 

Tenor

Die Beschwerde der Rechtsanwälte C. u. a. gegen den Streitwertbeschluss des Arbeitsgerichts Wesel vom 14.12.2007 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens haben die Beschwerdeführer zu tragen.

 

Tatbestand

I.

Der antragstellende Betriebsrat wollte im vorliegenden Hauptverfahren – einen Tag vorher wurde der Erlass einer einstweiligen Verfügung mit identischen Anträgen beantragt – der Arbeitgeberin untersagen lassen, eine geplante Betriebsänderung bis zum Abschluss der Verhandlungen über einen Interessenausgleich und bis zur vollständigen Information über die Planungen durchzuführen, hilfsweise bis zum 30.06.2007.

Der Antragsteller ist der in der Niederlassung N. gebildete siebenköpfige Betriebsrat. In der Niederlassung waren ca. 150 Arbeitnehmer beschäftigt.

Dem Betriebsrat wurde am 19.04.2007 von der Arbeitgeberin mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, den Standort N. bis zum 30.06.2007 zu schließen, wobei etwa 100 Mitarbeiter gekündigt werden sollten, die etwa 50 Mitarbeiter des Bereichs Sales an den Standort E. versetzt werden sollten.

Nachdem das Arbeitsgericht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen hat, haben die Betriebspartner sich unter dem 22.06.2007 auf einen Interessenausgleich verständigt.

Nach Abschluss des Verfahrens hat das Arbeitsgericht unter dem 14.12.2007 den Verfahrensstreitwert auf 40.000,00 EUR festgesetzt. Dagegen wenden sich die Beschwerdeführer im vorliegenden Verfahren und machen geltend, dass der Streitwert auf 2.973.309,00 EUR festzusetzen sei, während die Verfahrensbevollmächtigten der Arbeitgeberin für das Hauptverfahren 40.000,00 EUR für angemessen erachten.

Das Arbeitsgericht hat durch den angegriffenen Beschluss den Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit auf 40.000,00 EUR festgesetzt. Gegen diese Wertfestsetzung wendet sich die Beschwerde der Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrates. Sie sind der Auffassung, dass im Hinblick auf die beabsichtigten Kündigungen und die beabsichtigten personellen Einzelmaßnahmen von einem wesentlich höheren Verfahrensstreitwert von 2,97 Mio. EUR auszugehen sei.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Beschwerde der Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats, gegen die Zulässigkeitsbedenken nicht bestehen, konnte keinen Erfolg haben.

Zu Recht hat das Arbeitsgericht den Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit unter Zugrundelegung der Rechtsprechung der Beschwerdekammer im vorliegendenden Verfahren auf 40.000,00 EUR festgesetzt.

1. Nach der ständigen Rechtsprechung der Beschwerdekammer ist bei Anträgen des Betriebsrats, die der Sicherstellung seiner Beteiligungsrechte dienen, von einem Verfahren nichtvermögensrechtlicher Art auszugehen. Der Gegenstandswert ist nach Maßgabe von § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG zu bestimmen. Danach ist die Wertfestsetzung nach billigem Ermessen vorzunehmen. Dabei ist bei nicht genügenden tatsächlichen Anhaltspunkten für eine Schätzung der Gegenstandswert auf den Hilfswert von 4.000,00 EUR, nach Lage des Falles auch niedriger oder höher anzusetzen, jedoch nicht über 500.000,00 EUR hinau...

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