Entscheidungsstichwort (Thema)
Feststellung des Fehlens von betriebsratsfähigen Einheiten gemäß § 18 Abs. 2 BetrAVG. Einseitigkeit eines Antrags der Arbeitgeberin gemäß § 18 Abs. 2 BetrVG bei unterbliebender Wahl weder eines Wahlvorstands noch eines Betriebsrats in einer Organisationseinheit
Leitsatz (amtlich)
1. Stellt eine Gewerkschaft keinen eigenen Antrag gemäß § 18 Abs. 2 BetrVG, ist sie an einem auf den Antrag der Arbeitgeberin eingeleiteten Beschlussverfahren nach dieser Vorschrift nicht beteiligt.
2. Ist in einer Organisationseinheit - hier deutsche Basis einer ausländischen Fluggesellschaft - weder ein Wahlvorstand noch ein Betriebsrat gewählt, bliebt ein Antrag der Arbeitgeberin gemäß § 18 Abs. 2 BetrVG einseitig.
3. In einer solchen Konstellation ist ein Antrag der Arbeitgeberin gemäß § 18 Abs. 2 BetrVG unzulässig. Das erforderliche Feststellungsinteresse fehlt, weil das Verfahren einseitig bleibt und gegenüber niemanden außer der Antragstellerin Bindungswirkung erzeugen könnte. Mit einer stattgebenden Entscheidung stünde gegenüber niemanden fest, dass die Basis in Deutschland keine betriebsratsfähige Einheit i.S.d. BetrVG ist. An der allein abstrakten und ohne rechtliche Wirkungen bleibenden Feststellung besteht für die Arbeitgeberein kein rechtliches Interesse.
Normenkette
AktG §§ 98-99; ArbGG § 83 Abs. 3; BetrVG §§ 16-17, 18 Abs. 2, § 19; TVG § 9
Verfahrensgang
ArbG Wesel (Entscheidung vom 24.03.2023; Aktenzeichen 1 BV 5/23) |
Tenor
1. Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Wesel vom 24.03.2023 - 1 BV 5/23 - wird zurückgewiesen.
2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
A. Die Antragstellerin begehrt die Feststellung des Fehlens von betriebsratsfähigen Einheiten gemäß § 18 Abs. 2 BetrAVG.
Die Antragstellerin ist eine Fluggesellschaft mit Sitz in Malta und führt unter maltesischer Fluglizenz Flüge von und zu Flughäfen in diversen europäischen Staaten, unter anderem Deutschland, durch. Sie unterhält an verschiedenen Flughäfen in Italien, Frankreich, Malta, Österreich, Dänemark, Schweden, Rumänien und Deutschland sog. "Basen" (englisch "bases").
Die Antragstellerin hat vorgetragen, sie unterhalte in Deutschland insgesamt an sieben Flughäfen Basen mit identischen Strukturen. Dies seien die Flughäfen Niederrhein/Weeze, Berlin-Brandenburg, Nürnberg, Hahn, Karlsruhe/Baden-Baden, Köln/Bonn und Memmingen. Sie beschäftige Flugbegleiter und Piloten. Am Standort Niederrhein/Weeze seien es ca. 150 Beschäftigte im fliegenden Dienst und zwar ca. 50 Piloten und 100 Personen des Kabinenpersonals. Bodenpersonal beschäftige sie an deutschen Flughäfen nicht. Eine übergreifende Struktur gebe es in Deutschland nicht. Der gesamte Leitungsapparat sowie sämtliche Verwaltungseinheiten wie die Personalabteilung seien auf Malta angesiedelt. Die Einsatzplanung erfolge ausschließlich in der Konzernzentrale in Irland. Dort sowie in Malta werde auch über Urlaubsanträge der in Deutschland stationierten Piloten und Flugbegleiter entschieden. Entscheidungen über Einstellungen sowie Entlassungen würden in Malta, zum Teil in Abstimmung mit der Zentrale in Irland, vorgenommen. Disziplinarische Angelegenheiten würden in Malta erledigt. Trainings- und Fortbildungsmaßnahmen plane und steuere die Trainingsabteilung in Dublin. Nur selten - ca. zweimal jährlich - und in unregelmäßigen Abständen besuchten Vertreter der zentralen Abteilung die einzelnen Basen. Es bestünden keine festen Besatzungsteams (etwa pro Flugzeug oder pro Route), sondern die Zusammensetzung der jeweils eingesetzten Besatzung differiere stets aufgrund der jeweiligen Schicht- und Besetzungspläne.
Sie verfüge an den einzelnen Basen auch nicht über Räumlichkeiten, die für die Begründung eines Betriebs im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes in räumlicher Hinsicht ausreichten. Die Basen seien den Piloten und Flugbegleitern der Antragstellerin aufgrund flugrechtlicher Vorgaben als "Heimatbasis" zugewiesen. Die Arbeit werde direkt im/am Flugzeug aufgenommen und beendet. Seit der Corona-Pandemie seien die früheren "Crew-Räume" aufgegeben, es gebe nur noch einen Raum (sog. "Flughafenbüro"/"Airport Office") für Piloten und Kabinenpersonal, der aufgrund gesetzlicher Vorschriften an jedem Flughafen, an dem die Antragstellerin eine Basis unterhalte, zur Verfügung stehen müsse. Darin befinde sich ein schwarzes Brett, das aktuelle Informationen zu technischen, betrieblichen und sicherheitsrelevanten Themen enthalte, die aber leichter zugänglich über die online- Plattformen der Antragstellerin zur Verfügung stünden. Vor allem Base Captain/Base Supervisor führten hier teilweise in der Woche administrative, insbesondere flugaufsichtsrechtliche Aufgaben durch. Auch diese Personen seien aber hauptsächlich im aktiven Flugdienst tätig. Ein festes Besatzungsteam bestehe nicht. Bei dem Base Captain handele es sich um einen Flugkapitän, dessen Aufgabe vorrangig darin liege, Flüge entsprechend den ihm von der Einsatzzentrale in Malta bzw. Irland zugeteilten Ei...