Entscheidungsstichwort (Thema)
Abbruch einer Betriebsratswahl. Einstweilige Verfügung
Leitsatz (redaktionell)
1. Im Wege einstweiliger Verfügung kann in eine laufende Betriebsratswahl eingegriffen werden, wenn die Wahl mit Sicherheit als nichtig anzusehen wäre. Zum Abbruch der Wahl durch einstweilige Verfügung sind daneben auch solche Wahlfehler geeignet, die zwar lediglich zur Anfechtung einer Betriebsratswahl berechtigen, jedoch so schwerwiegend sind, dass sie mit Sicherheit einer zu erwartenden Wahlanfechtung zum Erfolg verhelfen, und die auch nicht im Rahmen des Anfechtungsverfahrens korrigiert werden können.
2. Die Verkennung des Betriebsbegriffs bei einer Betriebsratswahl führt regelmäßig nicht zur Nichtigkeit der Betriebsratswahl. Dies kann ausnahmsweise der Fall sein, wenn die Wahl unter grober Verkennung des Betriebsbegriffs erfolgt.
Normenkette
ZPO §§ 935, 940; BetrVG § 1 Abs. 1 S. 1, § 19
Verfahrensgang
ArbG Essen (Beschluss vom 22.12.2005; Aktenzeichen 3 BVGa 10/05) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Arbeitgeberinnen wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Essen vom 22.12.2005 – 3 BV Ga 10/05 – abgeändert:
Dem Antragsgegner wird aufgegeben, das eingeleitete Verfahren zur Durchführung der Wahl eines unternehmenseinheitlichen Betriebsrats für die Antragstellerin zu 5) abzubrechen und nicht fortzuführen.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens über die Frage, ob der Antragsgegner und Beteiligte zu 7), der Wahlvorstand der Beteiligten zu 5), eine Betriebsratswahl unternehmenseinheitlich durchführen darf. Antragstellerinnen und Beteiligte zu 1) bis 6) sind die im Rubrum genannten Unternehmen des Unternehmensbereichs Corporate Services der S..
Die Beteiligten zu 1) bis 6) schlossen am 17./18.12.2001 mit der Gewerkschaft ver.di Vereinigte Dienstleistungsgewerkschaft, Landesbezirk NRW einen „Tarifvertrag über Betriebsratsstrukturen im Unternehmensbereich Corporate Services gemäß § 3 Abs. 1 BetrVG” (im Folgenden „TV 2001” genannt). Danach wurde die Betriebe des Unternehmensbereichs Corporate Services in Regionen zusammengefasst und innerhalb dieser Regionen jeweils ein unternehmensübergreifender Betriebsrat etabliert. Der TV 2001 wurde am 03./04./.14.12.2003 erstmals und mit Tarifvertrag vom 24./25./26./27.10.2005 letztmalig geändert. Wegen der Einzelheiten der tarifvertraglichen Vereinbarungen wird auf Blatt 25 ff. der Akten verwiesen.
Im TV 2001 heißt es darüber hinaus in § 5 unter anderem:
4. Sollten bei einem Betriebsrat in der Übergangsphase bis zu den regelmäßigen Wahlen im Jahre 2006 aus den Gründen des§ 13 Abs. 2 BetrVG Neuwahlen erforderlich werden, so werden sämtliche in der betroffenen Region angesiedelten Arbeitnehmervertretungen des Unternehmensbereiches Corporate Services im Vorgriff auf die für 2006 angestrebte Struktur bereits unternehmensübergreifende Regionalbetriebsräte unter Einbeziehung aller in der Region angesiedelten Unternehmen des Unternehmensbereiches Corporate Services bilden.
Im Änderungstarifvertrag aus dem Jahre 2005 findet sich unter anderem folgende Regelung:
3. Die bisherigen Betriebsratsstrukturen bleiben bis zur Bekanntgabe des Ergebnisses der im Jahre 2006 stattfindenden turnusmäßigen Betriebsratswahlen in Kraft, wobei maßgeblich der Zeitpunkt ist, an dem das letzte Wahlergebnis bekannt gegeben wird. Der Durchführung der im Jahre 2006 stattfindenden Betriebsratswahlen werden jedoch bereits die neuen Strukturen zugrunde gelegt, so dass Wahlvorstände für fünf Betriebsratsregionen zu bilden sind.
Mit Schreiben vom 28.11.2005 teilte der Betriebsrat der Beteiligten zu 5) dem Personalverstand der Beteiligten zu 1) mit, dass der Betriebsrat am selben Tag seinen Rücktritt und die Durchführung der Neuwahl eines unternehmenseinheitlichen Betriebsrats nach § 13 Abs. 2 BetrVG beschlossen hätte. Dem Personalvorstand der Beteiligten zu 1) wurden darüber hinaus die Namen der Mitglieder des eingesetzten Wahlvorstandes mitgeteilt.
Unter dem 30.11.2005 forderte die Beteiligte zu 1) den Betriebsrat der Beteiligten zu 5) auf, die eingeleitete Neuwahl abzubrechen und verwies insoweit auf § 5 Abs. 4 TV 2001. Am 16.12.2005 setzte der Betriebsrat der Beteiligten zu 1) seinerseits einen Wahlvorstand zur Durchführung der Betriebsratswahlen gemäß den Tarifverträgen 2001, 2003 und 2005 ein. Der Beteiligte zu 7) kam der Aufforderung der Beteiligten zu 1) zum Abbruch des Wahlverfahrens nicht nach.
Mit ihrem am 08.12.2005 beim Arbeitsgericht Essen anhängig gemachten Antrag haben die Beteiligten zu 1) bis 6) ihr Begehren gegenüber dem Antragsgegner und Beteiligten zu 7) weiterverfolgt. Sie haben sich zur Begründung ihres Antrags auf § 5 Abs. 4 TV 2001 berufen und die Auffassung vertreten, dass hiernach die Wahl eines eigenständigen Betriebsrats bei der Beteiligten zu 5) nicht mehr möglich wäre.
Die Beteiligten zu 1) bis 6) haben darauf hingewiesen, dass der Beteiligte zu 7) bereits mit der Durchführung der Wahl begonnen hätte und deshalb auch vom Vorliegen eines Verfügung...